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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Doktor Duttmüller und sein Freund

brüllte vor Wonne.) Natürlich, fügte der Vorsitzende hinzu, empfehlen wir nicht die
Revolution, sondern den legalen Gebrauch unsers Rechts.

Dieser Zusatz wurde aber wegen des Getöses im Saale nicht gehört und
gelangte nur bis an das Ohr des Hüters der staatlichen Ordnung, Und weiter
hatte es mich keinen Zweck.

Jetzt trat eine Pause ein, darauf ergriff Herr Lautsch das Wort, um
von der Bedeutung der Presse, insonderheit seines Blattes zu reden. -- Genossen,
Arbeiter, rief er in so warmem Ton, wie es die Wahrung seines Interesses forderte,
und in den Wendungen, die ihm von den vierteljährlichen Abonnementsenwfehlungen
her geläufig waren, wenn die Volker den Inhalt der sozialen Lehre begreifen sollen,
so müssen sie aufgeklärt werden. Dies thut die Presse. Es gilt, die politische
Bildung in die Massen hineinzubringen. Dies thut die Presse. Die Presse ist
eure wahre Freundin. Die Presse ist eine Macht, sie ist auch die Macht des
Proletariats. Unsre Presse ist das Gewissen der bürgerlichen Gesellschaft, sie ruft
der kapitalistischen Welt ihr Menetekel zu, sie bringt die geheimen Erlasse und
Scheiterhaufenbriefe der Fronherren ans Tageslicht. Sie fordert Gerechtigkeit für
den unterdrückten Arbeiter, sie hilft euch gegen die Peitsche eurer Brotherren.
Darum auf aus der Lethargie! Ein Lump, wer die Wische des Brannfelser
Tintenkulivrgans je wieder in die Hand nimmt. Der "Volksherold" hat noch lange
nicht die Verbreitung gewonnen, die ihm gebührt. Abonniert, werde Abonnenten
für euer Blatt. An der Thür liegt eine Liste aus, in der Zeichnungen entgegen¬
genommen werden.

Jetzt sollte nun die übliche Resolution sür die Solidarität der Interessen des
Proletariats angenommen werden, als ein Vertrauensmann einen alten Kerl hinter
sich her auf die Tribüne schleppte und ihn Lautsch übergab. Der alte Kerl hatte
sichtlich schwer geladen. Man hörte hinter ihm her Lachen und das Wort: Kümmel¬
müller. Nach einigem heimlichen Parlamentieren ergriff der Herr Redakteur von
neuem das Wort: Genossen, ich habe gesagt, die Presse, die Öffentlichkeit müsse
uns helfen. Hier bringe ich einen Manu vor die Öffentlichkeit, der euch sagen
wird, wie Ihr in Heinrichshall behandelt werdet. -- Nun, so reden Sie doch! Was
habe" Sie zu sagen --

Kümmelmüller blickte mit verschwommnen Augen im Saale umher und flüsterte
unhörbare Worte. Unten im Saale lachte man und meinte, der alte Schweinehund
sei wieder einmal schön dure, und auf der Tribüne gab man ihm einige Rippen¬
stöße, um ihn an seine Zeugnispflicht zu erinnern.

Na, was ist denn? fragte Kümmelmüller unwillig.

Wie war die Sache? fragte Lautfch.

Wie wird et denn jewesen sind? In den Schuppen haben sie mir reingelockt
und verhauen, daß ick dachte, es wäre mein Letztes. Und dann haben sie mir
auf einen Haufen Asche jeschmissen und mir liegen jelassen.

So, sagte Lautsch in einem Tone, der jedem Untersuchungsrichter Ehre gemacht
hätte. Das ist ja recht nett. -- Wink für die Preßtataren, die sogleich eifrig
ansingen zu schreiben. -- Merkt euch das, Genossen. Und haben Sie sich beschwert?

Nathusius, habe ick mir beschwert. Aber da hieß et: Mein Name is Hase.
Nausgeschmissen haben sie mir. Wink nach dem Tische der Schreiber. Diese
berührten mit den Nasen fast die Tischplatte. Kümmelmüller fuhr fort: Und dem
Alten sein Hauptschreiber, der lange Labanter mit dem Ncisenquetscher -- Wandrer
heißt der Mensch -- hat gesagt, mir wäre ganz recht geschehen. (Stimme aus
der Versammlung: Da hat Herr Wandrer ganz Recht gehabt. Großer Unwille.
Beginnende Prügelei.) Wo ick doch mein allerhöchstes Alibi nachweisen kann und fünf¬
undzwanzig Jahre als Arbeiter herumgewälzt bin und Anspruch auf mein Altenteil
habe. Und wo doch der junge Mensch dort mit der blassen Nase und dem Mottenfraße
im Barte gesagt hat, daß et keine Ehrfurcht mehr mang die Jugend jiebt, und
daß sie ihre alten Eltern hungern lassen. (Hier kam das betrunkne Elend bei


Doktor Duttmüller und sein Freund

brüllte vor Wonne.) Natürlich, fügte der Vorsitzende hinzu, empfehlen wir nicht die
Revolution, sondern den legalen Gebrauch unsers Rechts.

Dieser Zusatz wurde aber wegen des Getöses im Saale nicht gehört und
gelangte nur bis an das Ohr des Hüters der staatlichen Ordnung, Und weiter
hatte es mich keinen Zweck.

Jetzt trat eine Pause ein, darauf ergriff Herr Lautsch das Wort, um
von der Bedeutung der Presse, insonderheit seines Blattes zu reden. — Genossen,
Arbeiter, rief er in so warmem Ton, wie es die Wahrung seines Interesses forderte,
und in den Wendungen, die ihm von den vierteljährlichen Abonnementsenwfehlungen
her geläufig waren, wenn die Volker den Inhalt der sozialen Lehre begreifen sollen,
so müssen sie aufgeklärt werden. Dies thut die Presse. Es gilt, die politische
Bildung in die Massen hineinzubringen. Dies thut die Presse. Die Presse ist
eure wahre Freundin. Die Presse ist eine Macht, sie ist auch die Macht des
Proletariats. Unsre Presse ist das Gewissen der bürgerlichen Gesellschaft, sie ruft
der kapitalistischen Welt ihr Menetekel zu, sie bringt die geheimen Erlasse und
Scheiterhaufenbriefe der Fronherren ans Tageslicht. Sie fordert Gerechtigkeit für
den unterdrückten Arbeiter, sie hilft euch gegen die Peitsche eurer Brotherren.
Darum auf aus der Lethargie! Ein Lump, wer die Wische des Brannfelser
Tintenkulivrgans je wieder in die Hand nimmt. Der „Volksherold" hat noch lange
nicht die Verbreitung gewonnen, die ihm gebührt. Abonniert, werde Abonnenten
für euer Blatt. An der Thür liegt eine Liste aus, in der Zeichnungen entgegen¬
genommen werden.

Jetzt sollte nun die übliche Resolution sür die Solidarität der Interessen des
Proletariats angenommen werden, als ein Vertrauensmann einen alten Kerl hinter
sich her auf die Tribüne schleppte und ihn Lautsch übergab. Der alte Kerl hatte
sichtlich schwer geladen. Man hörte hinter ihm her Lachen und das Wort: Kümmel¬
müller. Nach einigem heimlichen Parlamentieren ergriff der Herr Redakteur von
neuem das Wort: Genossen, ich habe gesagt, die Presse, die Öffentlichkeit müsse
uns helfen. Hier bringe ich einen Manu vor die Öffentlichkeit, der euch sagen
wird, wie Ihr in Heinrichshall behandelt werdet. — Nun, so reden Sie doch! Was
habe» Sie zu sagen —

Kümmelmüller blickte mit verschwommnen Augen im Saale umher und flüsterte
unhörbare Worte. Unten im Saale lachte man und meinte, der alte Schweinehund
sei wieder einmal schön dure, und auf der Tribüne gab man ihm einige Rippen¬
stöße, um ihn an seine Zeugnispflicht zu erinnern.

Na, was ist denn? fragte Kümmelmüller unwillig.

Wie war die Sache? fragte Lautfch.

Wie wird et denn jewesen sind? In den Schuppen haben sie mir reingelockt
und verhauen, daß ick dachte, es wäre mein Letztes. Und dann haben sie mir
auf einen Haufen Asche jeschmissen und mir liegen jelassen.

So, sagte Lautsch in einem Tone, der jedem Untersuchungsrichter Ehre gemacht
hätte. Das ist ja recht nett. — Wink für die Preßtataren, die sogleich eifrig
ansingen zu schreiben. — Merkt euch das, Genossen. Und haben Sie sich beschwert?

Nathusius, habe ick mir beschwert. Aber da hieß et: Mein Name is Hase.
Nausgeschmissen haben sie mir. Wink nach dem Tische der Schreiber. Diese
berührten mit den Nasen fast die Tischplatte. Kümmelmüller fuhr fort: Und dem
Alten sein Hauptschreiber, der lange Labanter mit dem Ncisenquetscher — Wandrer
heißt der Mensch — hat gesagt, mir wäre ganz recht geschehen. (Stimme aus
der Versammlung: Da hat Herr Wandrer ganz Recht gehabt. Großer Unwille.
Beginnende Prügelei.) Wo ick doch mein allerhöchstes Alibi nachweisen kann und fünf¬
undzwanzig Jahre als Arbeiter herumgewälzt bin und Anspruch auf mein Altenteil
habe. Und wo doch der junge Mensch dort mit der blassen Nase und dem Mottenfraße
im Barte gesagt hat, daß et keine Ehrfurcht mehr mang die Jugend jiebt, und
daß sie ihre alten Eltern hungern lassen. (Hier kam das betrunkne Elend bei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/344>, abgerufen am 01.07.2024.