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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

verfassungsmäßigen Zuständigkeit des Kaisers durch die Erhöhung der vvrgeschlagnen
oder durch die Aufnahme neuer Minimalzölle nicht annehmen werde. Er hat, wie.
es scheint, auch keinen dahin gehenden Beschluß gefaßt. Wir hatten das für
wünschenswert gehalten, und der seitherige Verlauf der Dinge hat uns in dieser
Meinung eher bestärkt als erschüttert. Die Regierungsvertreter haben sich, wie es
scheint schon deshalb, bisher in den Verhandlungen darauf beschränken müssen, vor
"übertriebnen" Forderungen zu warnen und eine "wesentliche" Verschärfung der
Bindung als voraussichtlich für deu Bundesrat unannehmbar zu bezeichnen. Da¬
durch ist herbeigeführt worden, daß die Parteien sämtlich nicht nur mit der Bereit¬
willigkeit der Regierungsvertreter, sondern auch mit der des Bundesrath zu rechnen
angefangen haben, einer Erhöhung der vvrgeschlagncu Mindestzölle oder auch der Fest¬
legung von Mindestzöllen für weitere Agrarprodukte zuzustimmen. Daß die Begrün¬
dung, wie wir sahen, ausdrücklich sagt, es verbiete sich durch das allgemeine Interesse
am Abschluß von Tarifverträgen, auch für Zölle auf andre Erzeugnisse als die vier
Hauptgetreidearten die Mindestsätze gesetzlich zu beziffern, wird dabei allgemein als
unwesentlich behandelt. Man scheint es namentlich in den konservativen Parteien
auch für selbstverständlich zu halten, daß sich der Bundesrat ihren Mehrfvrderungen
fügen müsse, wenn es gelänge, ein Kompromiß mit dem Zentrum und den National-
liberalen zustande zubringen; ja daß die Regierungsvertreter sogar ihre guten Dienste,
die dazu wohl unentbehrlich wären, dem Zustandekommen eines solchen Kompromisses
widmen sollten, obgleich es doch thatsächlich nur den Wünschen einer ausgesprochnen
Minderheit des Reichstags künstlich zu einer Mehrheit gegen die Regierung verhelfen
sollte. Wir wissen uicht, was für Aussichten diese Annahmen der konservativen Parteien
jemals gehabt haben oder noch haben, aber wir meinen denn doch, daß ein solcher
neuer Sieg über die Regierung den zahlreichen Mitgliedern.der genannten Parteien,
an deren ernstem Monarchismus ebensowenig zu zweifeln ist, wie an ihrem staats¬
männischen Scharfblick, endlich etwas bange machen müßte vor dem Ende der ganzen
Kampagne. Nichts kann für die konservative Sache in Deutschland verderblicher, nichts
in Wahrheit nutikvuservntiver sein, als durch rücksichtslose Ausbeutung der schwachen
Position einer Regierung, die konservativ ist und konservativ sein will, weitere Triumphe
über sie zu erstrebe". Auf der andern Seite muß natürlich die Aussicht auf ein solches
Kompromiß und einen so erstrebten Sieg der konservativen Parteien über den Bnndes-
ratsentwnrf die Freisinnigen und die Sozialdemokraten in ihrem Bestreben bestärken,
das rechtzeitige Zustandekommen des ganzen Tarifs mit allen Mitteln, die die Ge-
schäftsordnung irgend zuläßt, zu verhindern, und das wird sie in den Augen des
großen Haufens int-Ä muros, der an Stimmenzahl den Bauern kumm nachsteht,
mit dem Glorienschein des besten Rechts umgeben. Die konservative Opposition
gegen deu Entwurf wird hauptsächlich dafür verantwortlich gemacht werden müssen,
wenn es der Obstruktion der Linken gelingt, die Durchberatung des Entwurfs so
zu verzögern, daß, wenn nicht schon über den Verhandlnngstaris, so doch über die
Handelsverträge ein neuer Reichstag zu entscheiden haben wird. Wie wird dann
für die Wahlen agitiert werden, wie werden sie ausfallen? Glauben die Partei-'
konservativen, daß sich ihre Chancen bei den Neuwahlen noch verbessern, oder daß
die Regierungen ihnen etwa gar ihre Wahlagitation besorgen oder auch nur besorgen
lassen würden, so werden sie voraussichtlich die Rechnung ohne den Wirt machen.
Gerade diese Neuwahlen müßten die Regierungen zur ernsthaften Revision ihrer
Beziehungen zum heutigen Parteikonservatismus zwingen. Die "halbamtliche"
Warnung vor der weitern Opposition, die die Nordentsche Allgemeine Zeitung am
1. Februar zu bringen veranlaßt worden ist, beweist am besten, wie berechtigt unser
Wunsch nach einem bestimmtem Auftreten des Bundesrath gewesen ist. Aber auch
ein so spätes Memento sollte von den konservativen Parteien beherzigt werden.
Zu spät ist es hoffentlich noch nicht.

Der Bundesratsentwurf hat als Minimalzollsätze vorgeschlagen: für Roggen
5 Mark, für Weizen 5 Mark 50 Pfennige, für Gerste 3 Mark und für Hafer 5 Mark.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

verfassungsmäßigen Zuständigkeit des Kaisers durch die Erhöhung der vvrgeschlagnen
oder durch die Aufnahme neuer Minimalzölle nicht annehmen werde. Er hat, wie.
es scheint, auch keinen dahin gehenden Beschluß gefaßt. Wir hatten das für
wünschenswert gehalten, und der seitherige Verlauf der Dinge hat uns in dieser
Meinung eher bestärkt als erschüttert. Die Regierungsvertreter haben sich, wie es
scheint schon deshalb, bisher in den Verhandlungen darauf beschränken müssen, vor
„übertriebnen" Forderungen zu warnen und eine „wesentliche" Verschärfung der
Bindung als voraussichtlich für deu Bundesrat unannehmbar zu bezeichnen. Da¬
durch ist herbeigeführt worden, daß die Parteien sämtlich nicht nur mit der Bereit¬
willigkeit der Regierungsvertreter, sondern auch mit der des Bundesrath zu rechnen
angefangen haben, einer Erhöhung der vvrgeschlagncu Mindestzölle oder auch der Fest¬
legung von Mindestzöllen für weitere Agrarprodukte zuzustimmen. Daß die Begrün¬
dung, wie wir sahen, ausdrücklich sagt, es verbiete sich durch das allgemeine Interesse
am Abschluß von Tarifverträgen, auch für Zölle auf andre Erzeugnisse als die vier
Hauptgetreidearten die Mindestsätze gesetzlich zu beziffern, wird dabei allgemein als
unwesentlich behandelt. Man scheint es namentlich in den konservativen Parteien
auch für selbstverständlich zu halten, daß sich der Bundesrat ihren Mehrfvrderungen
fügen müsse, wenn es gelänge, ein Kompromiß mit dem Zentrum und den National-
liberalen zustande zubringen; ja daß die Regierungsvertreter sogar ihre guten Dienste,
die dazu wohl unentbehrlich wären, dem Zustandekommen eines solchen Kompromisses
widmen sollten, obgleich es doch thatsächlich nur den Wünschen einer ausgesprochnen
Minderheit des Reichstags künstlich zu einer Mehrheit gegen die Regierung verhelfen
sollte. Wir wissen uicht, was für Aussichten diese Annahmen der konservativen Parteien
jemals gehabt haben oder noch haben, aber wir meinen denn doch, daß ein solcher
neuer Sieg über die Regierung den zahlreichen Mitgliedern.der genannten Parteien,
an deren ernstem Monarchismus ebensowenig zu zweifeln ist, wie an ihrem staats¬
männischen Scharfblick, endlich etwas bange machen müßte vor dem Ende der ganzen
Kampagne. Nichts kann für die konservative Sache in Deutschland verderblicher, nichts
in Wahrheit nutikvuservntiver sein, als durch rücksichtslose Ausbeutung der schwachen
Position einer Regierung, die konservativ ist und konservativ sein will, weitere Triumphe
über sie zu erstrebe». Auf der andern Seite muß natürlich die Aussicht auf ein solches
Kompromiß und einen so erstrebten Sieg der konservativen Parteien über den Bnndes-
ratsentwnrf die Freisinnigen und die Sozialdemokraten in ihrem Bestreben bestärken,
das rechtzeitige Zustandekommen des ganzen Tarifs mit allen Mitteln, die die Ge-
schäftsordnung irgend zuläßt, zu verhindern, und das wird sie in den Augen des
großen Haufens int-Ä muros, der an Stimmenzahl den Bauern kumm nachsteht,
mit dem Glorienschein des besten Rechts umgeben. Die konservative Opposition
gegen deu Entwurf wird hauptsächlich dafür verantwortlich gemacht werden müssen,
wenn es der Obstruktion der Linken gelingt, die Durchberatung des Entwurfs so
zu verzögern, daß, wenn nicht schon über den Verhandlnngstaris, so doch über die
Handelsverträge ein neuer Reichstag zu entscheiden haben wird. Wie wird dann
für die Wahlen agitiert werden, wie werden sie ausfallen? Glauben die Partei-'
konservativen, daß sich ihre Chancen bei den Neuwahlen noch verbessern, oder daß
die Regierungen ihnen etwa gar ihre Wahlagitation besorgen oder auch nur besorgen
lassen würden, so werden sie voraussichtlich die Rechnung ohne den Wirt machen.
Gerade diese Neuwahlen müßten die Regierungen zur ernsthaften Revision ihrer
Beziehungen zum heutigen Parteikonservatismus zwingen. Die „halbamtliche"
Warnung vor der weitern Opposition, die die Nordentsche Allgemeine Zeitung am
1. Februar zu bringen veranlaßt worden ist, beweist am besten, wie berechtigt unser
Wunsch nach einem bestimmtem Auftreten des Bundesrath gewesen ist. Aber auch
ein so spätes Memento sollte von den konservativen Parteien beherzigt werden.
Zu spät ist es hoffentlich noch nicht.

Der Bundesratsentwurf hat als Minimalzollsätze vorgeschlagen: für Roggen
5 Mark, für Weizen 5 Mark 50 Pfennige, für Gerste 3 Mark und für Hafer 5 Mark.


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[0340] Maßgebliches und Unmaßgebliches verfassungsmäßigen Zuständigkeit des Kaisers durch die Erhöhung der vvrgeschlagnen oder durch die Aufnahme neuer Minimalzölle nicht annehmen werde. Er hat, wie. es scheint, auch keinen dahin gehenden Beschluß gefaßt. Wir hatten das für wünschenswert gehalten, und der seitherige Verlauf der Dinge hat uns in dieser Meinung eher bestärkt als erschüttert. Die Regierungsvertreter haben sich, wie es scheint schon deshalb, bisher in den Verhandlungen darauf beschränken müssen, vor „übertriebnen" Forderungen zu warnen und eine „wesentliche" Verschärfung der Bindung als voraussichtlich für deu Bundesrat unannehmbar zu bezeichnen. Da¬ durch ist herbeigeführt worden, daß die Parteien sämtlich nicht nur mit der Bereit¬ willigkeit der Regierungsvertreter, sondern auch mit der des Bundesrath zu rechnen angefangen haben, einer Erhöhung der vvrgeschlagncu Mindestzölle oder auch der Fest¬ legung von Mindestzöllen für weitere Agrarprodukte zuzustimmen. Daß die Begrün¬ dung, wie wir sahen, ausdrücklich sagt, es verbiete sich durch das allgemeine Interesse am Abschluß von Tarifverträgen, auch für Zölle auf andre Erzeugnisse als die vier Hauptgetreidearten die Mindestsätze gesetzlich zu beziffern, wird dabei allgemein als unwesentlich behandelt. Man scheint es namentlich in den konservativen Parteien auch für selbstverständlich zu halten, daß sich der Bundesrat ihren Mehrfvrderungen fügen müsse, wenn es gelänge, ein Kompromiß mit dem Zentrum und den National- liberalen zustande zubringen; ja daß die Regierungsvertreter sogar ihre guten Dienste, die dazu wohl unentbehrlich wären, dem Zustandekommen eines solchen Kompromisses widmen sollten, obgleich es doch thatsächlich nur den Wünschen einer ausgesprochnen Minderheit des Reichstags künstlich zu einer Mehrheit gegen die Regierung verhelfen sollte. Wir wissen uicht, was für Aussichten diese Annahmen der konservativen Parteien jemals gehabt haben oder noch haben, aber wir meinen denn doch, daß ein solcher neuer Sieg über die Regierung den zahlreichen Mitgliedern.der genannten Parteien, an deren ernstem Monarchismus ebensowenig zu zweifeln ist, wie an ihrem staats¬ männischen Scharfblick, endlich etwas bange machen müßte vor dem Ende der ganzen Kampagne. Nichts kann für die konservative Sache in Deutschland verderblicher, nichts in Wahrheit nutikvuservntiver sein, als durch rücksichtslose Ausbeutung der schwachen Position einer Regierung, die konservativ ist und konservativ sein will, weitere Triumphe über sie zu erstrebe». Auf der andern Seite muß natürlich die Aussicht auf ein solches Kompromiß und einen so erstrebten Sieg der konservativen Parteien über den Bnndes- ratsentwnrf die Freisinnigen und die Sozialdemokraten in ihrem Bestreben bestärken, das rechtzeitige Zustandekommen des ganzen Tarifs mit allen Mitteln, die die Ge- schäftsordnung irgend zuläßt, zu verhindern, und das wird sie in den Augen des großen Haufens int-Ä muros, der an Stimmenzahl den Bauern kumm nachsteht, mit dem Glorienschein des besten Rechts umgeben. Die konservative Opposition gegen deu Entwurf wird hauptsächlich dafür verantwortlich gemacht werden müssen, wenn es der Obstruktion der Linken gelingt, die Durchberatung des Entwurfs so zu verzögern, daß, wenn nicht schon über den Verhandlnngstaris, so doch über die Handelsverträge ein neuer Reichstag zu entscheiden haben wird. Wie wird dann für die Wahlen agitiert werden, wie werden sie ausfallen? Glauben die Partei-' konservativen, daß sich ihre Chancen bei den Neuwahlen noch verbessern, oder daß die Regierungen ihnen etwa gar ihre Wahlagitation besorgen oder auch nur besorgen lassen würden, so werden sie voraussichtlich die Rechnung ohne den Wirt machen. Gerade diese Neuwahlen müßten die Regierungen zur ernsthaften Revision ihrer Beziehungen zum heutigen Parteikonservatismus zwingen. Die „halbamtliche" Warnung vor der weitern Opposition, die die Nordentsche Allgemeine Zeitung am 1. Februar zu bringen veranlaßt worden ist, beweist am besten, wie berechtigt unser Wunsch nach einem bestimmtem Auftreten des Bundesrath gewesen ist. Aber auch ein so spätes Memento sollte von den konservativen Parteien beherzigt werden. Zu spät ist es hoffentlich noch nicht. Der Bundesratsentwurf hat als Minimalzollsätze vorgeschlagen: für Roggen 5 Mark, für Weizen 5 Mark 50 Pfennige, für Gerste 3 Mark und für Hafer 5 Mark.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/340>, abgerufen am 27.09.2024.