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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Das englische Königtum

Front durchprügeln, und dem Obersten stunde kein Mittel zur Verfügung, den
Gemeinen zu bestrafen, als ihn vor einem Polizeigerichtshofe wegen thätlicher
Beleidigung seiner privaten Persönlichkeit zu verklagen. Wahrscheinlich wäre
ein solcher Fall freilich nur in einer Lage, die einen Bürgerkrieg unvermeidlich
machen würde.

Das preußische Heer ist eine Schöpfung der preußischen Könige. Die
preußischen Herrscher sind vor allem Soldaten. Von den englischen Königen
aus dem Welfenstammc kann man nur sagen, daß sie erst zu allerletzt Sol¬
daten waren. Georg II. ist der einzige, der noch selbst zu Felde gezogen ist.
Die kriegerische Thätigkeit Georgs IV. beschränkte sich darauf, daß er behauptete,
in hervorragender Weise an der Schlacht von Waterloo beteiligt gewesen zu
sein. Von einem persönlichen Einfluß der Könige auf das Heer ist dagegen
nichts zu spüren. Die Fürsorge für das Heer, die erste Befugnis eines ger¬
manischen Königtums, haben sie andern überlassen und sich mit der Verteilung
von Orden und Kriegsdenkmünzen begnügt.

Die Flotte hat den Welsen noch weniger Teilnahme abgenötigt. Mit
einer Unterbrechung von anderthalb Jahren (1827/28), wo der Herzog von
Clarence, der spätere Wilhelm IV., die Würde eines Großadmirals bekleidete,
haben alle Flottenangelegenheiten seit 1708 in den Händen eines besondern
Ausschusses, der Lords der Admiralität gelegen.

Das Heer dagegen hat immer eine persönliche Spitze gehabt in einem
Oberbefehlshaber, der bis 1861 nur dem König verantwortlich war. Drei
Prinzen des Welfenhauses, die Herzöge von Cumberland, Jork und Cambridge,
haben deu Posten bekleidet, und aller Wahrscheinlichkeit nach wird der Nach¬
folger des Carl Roberts wieder ein Prinz sein, der Herzog von Conncmght.
Wenn sich also den Königen kein großer militärischer Eifer nachrühmen läßt,
so hat wenigstens das königliche Haus enge Fühlung mit dem Heere behalten.

Die Abhängigkeit des Heeres vom Parlament läßt sich nicht wegleugnen.
Aber es ist doch der einzige Zweig des Staatslebens, wo das Königswort
noch etwas ohne das parlamentarische Ja und Amen auszurichten vermag.
Der Einfluß, den das Parlament ans die innere Verwaltung des Heeres ausübt,
stammt erst von der Zeit des Krimkriegs her. Bei aller sonstigen Nachlässig¬
keit und Nachgiebigkeit, die dein Parlament die ausführende Gewalt in die
Hände spielte, hatten die Welsen doch das Heerwesen festgehalten. Seine Ver¬
waltung wurde von einem Kriegssekretär, "verstarb g,t og.r, geleitet, der wie
der Oberbefehlshaber nur unter dem Könige stand. An diesen Verhältnissen
ernstlich zu rütteln fiel niemand ein, da sie sich bewährt hatten. Jedermann
war fest überzeugt, daß nur Wellingtons Siege in Spanien Napoleons Macht
gebrochen, daß ^ Wellington allein Waterloo gewonnen Hütte. Folglich war
alles vortrefflich. Der Krimfeldzug legte aber Schäden bloß, die nicht einfach
mit einem Ausschußbericht abgethan werden konnten. Ein König hätte vielleicht
Persönlich eingegriffen und für die Erhaltung kriegerischer Tüchtigkeit gesorgt,
vielleicht auch nicht. Sogar das preußische Heer ist einst auf den Lorbeeren
des großen Friedrich eingeschlafen. Was auch ein König vielleicht Hütte thun


Gronzboten IV 1901 67
Das englische Königtum

Front durchprügeln, und dem Obersten stunde kein Mittel zur Verfügung, den
Gemeinen zu bestrafen, als ihn vor einem Polizeigerichtshofe wegen thätlicher
Beleidigung seiner privaten Persönlichkeit zu verklagen. Wahrscheinlich wäre
ein solcher Fall freilich nur in einer Lage, die einen Bürgerkrieg unvermeidlich
machen würde.

Das preußische Heer ist eine Schöpfung der preußischen Könige. Die
preußischen Herrscher sind vor allem Soldaten. Von den englischen Königen
aus dem Welfenstammc kann man nur sagen, daß sie erst zu allerletzt Sol¬
daten waren. Georg II. ist der einzige, der noch selbst zu Felde gezogen ist.
Die kriegerische Thätigkeit Georgs IV. beschränkte sich darauf, daß er behauptete,
in hervorragender Weise an der Schlacht von Waterloo beteiligt gewesen zu
sein. Von einem persönlichen Einfluß der Könige auf das Heer ist dagegen
nichts zu spüren. Die Fürsorge für das Heer, die erste Befugnis eines ger¬
manischen Königtums, haben sie andern überlassen und sich mit der Verteilung
von Orden und Kriegsdenkmünzen begnügt.

Die Flotte hat den Welsen noch weniger Teilnahme abgenötigt. Mit
einer Unterbrechung von anderthalb Jahren (1827/28), wo der Herzog von
Clarence, der spätere Wilhelm IV., die Würde eines Großadmirals bekleidete,
haben alle Flottenangelegenheiten seit 1708 in den Händen eines besondern
Ausschusses, der Lords der Admiralität gelegen.

Das Heer dagegen hat immer eine persönliche Spitze gehabt in einem
Oberbefehlshaber, der bis 1861 nur dem König verantwortlich war. Drei
Prinzen des Welfenhauses, die Herzöge von Cumberland, Jork und Cambridge,
haben deu Posten bekleidet, und aller Wahrscheinlichkeit nach wird der Nach¬
folger des Carl Roberts wieder ein Prinz sein, der Herzog von Conncmght.
Wenn sich also den Königen kein großer militärischer Eifer nachrühmen läßt,
so hat wenigstens das königliche Haus enge Fühlung mit dem Heere behalten.

Die Abhängigkeit des Heeres vom Parlament läßt sich nicht wegleugnen.
Aber es ist doch der einzige Zweig des Staatslebens, wo das Königswort
noch etwas ohne das parlamentarische Ja und Amen auszurichten vermag.
Der Einfluß, den das Parlament ans die innere Verwaltung des Heeres ausübt,
stammt erst von der Zeit des Krimkriegs her. Bei aller sonstigen Nachlässig¬
keit und Nachgiebigkeit, die dein Parlament die ausführende Gewalt in die
Hände spielte, hatten die Welsen doch das Heerwesen festgehalten. Seine Ver¬
waltung wurde von einem Kriegssekretär, «verstarb g,t og.r, geleitet, der wie
der Oberbefehlshaber nur unter dem Könige stand. An diesen Verhältnissen
ernstlich zu rütteln fiel niemand ein, da sie sich bewährt hatten. Jedermann
war fest überzeugt, daß nur Wellingtons Siege in Spanien Napoleons Macht
gebrochen, daß ^ Wellington allein Waterloo gewonnen Hütte. Folglich war
alles vortrefflich. Der Krimfeldzug legte aber Schäden bloß, die nicht einfach
mit einem Ausschußbericht abgethan werden konnten. Ein König hätte vielleicht
Persönlich eingegriffen und für die Erhaltung kriegerischer Tüchtigkeit gesorgt,
vielleicht auch nicht. Sogar das preußische Heer ist einst auf den Lorbeeren
des großen Friedrich eingeschlafen. Was auch ein König vielleicht Hütte thun


Gronzboten IV 1901 67
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[0537] Das englische Königtum Front durchprügeln, und dem Obersten stunde kein Mittel zur Verfügung, den Gemeinen zu bestrafen, als ihn vor einem Polizeigerichtshofe wegen thätlicher Beleidigung seiner privaten Persönlichkeit zu verklagen. Wahrscheinlich wäre ein solcher Fall freilich nur in einer Lage, die einen Bürgerkrieg unvermeidlich machen würde. Das preußische Heer ist eine Schöpfung der preußischen Könige. Die preußischen Herrscher sind vor allem Soldaten. Von den englischen Königen aus dem Welfenstammc kann man nur sagen, daß sie erst zu allerletzt Sol¬ daten waren. Georg II. ist der einzige, der noch selbst zu Felde gezogen ist. Die kriegerische Thätigkeit Georgs IV. beschränkte sich darauf, daß er behauptete, in hervorragender Weise an der Schlacht von Waterloo beteiligt gewesen zu sein. Von einem persönlichen Einfluß der Könige auf das Heer ist dagegen nichts zu spüren. Die Fürsorge für das Heer, die erste Befugnis eines ger¬ manischen Königtums, haben sie andern überlassen und sich mit der Verteilung von Orden und Kriegsdenkmünzen begnügt. Die Flotte hat den Welsen noch weniger Teilnahme abgenötigt. Mit einer Unterbrechung von anderthalb Jahren (1827/28), wo der Herzog von Clarence, der spätere Wilhelm IV., die Würde eines Großadmirals bekleidete, haben alle Flottenangelegenheiten seit 1708 in den Händen eines besondern Ausschusses, der Lords der Admiralität gelegen. Das Heer dagegen hat immer eine persönliche Spitze gehabt in einem Oberbefehlshaber, der bis 1861 nur dem König verantwortlich war. Drei Prinzen des Welfenhauses, die Herzöge von Cumberland, Jork und Cambridge, haben deu Posten bekleidet, und aller Wahrscheinlichkeit nach wird der Nach¬ folger des Carl Roberts wieder ein Prinz sein, der Herzog von Conncmght. Wenn sich also den Königen kein großer militärischer Eifer nachrühmen läßt, so hat wenigstens das königliche Haus enge Fühlung mit dem Heere behalten. Die Abhängigkeit des Heeres vom Parlament läßt sich nicht wegleugnen. Aber es ist doch der einzige Zweig des Staatslebens, wo das Königswort noch etwas ohne das parlamentarische Ja und Amen auszurichten vermag. Der Einfluß, den das Parlament ans die innere Verwaltung des Heeres ausübt, stammt erst von der Zeit des Krimkriegs her. Bei aller sonstigen Nachlässig¬ keit und Nachgiebigkeit, die dein Parlament die ausführende Gewalt in die Hände spielte, hatten die Welsen doch das Heerwesen festgehalten. Seine Ver¬ waltung wurde von einem Kriegssekretär, «verstarb g,t og.r, geleitet, der wie der Oberbefehlshaber nur unter dem Könige stand. An diesen Verhältnissen ernstlich zu rütteln fiel niemand ein, da sie sich bewährt hatten. Jedermann war fest überzeugt, daß nur Wellingtons Siege in Spanien Napoleons Macht gebrochen, daß ^ Wellington allein Waterloo gewonnen Hütte. Folglich war alles vortrefflich. Der Krimfeldzug legte aber Schäden bloß, die nicht einfach mit einem Ausschußbericht abgethan werden konnten. Ein König hätte vielleicht Persönlich eingegriffen und für die Erhaltung kriegerischer Tüchtigkeit gesorgt, vielleicht auch nicht. Sogar das preußische Heer ist einst auf den Lorbeeren des großen Friedrich eingeschlafen. Was auch ein König vielleicht Hütte thun Gronzboten IV 1901 67

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/537>, abgerufen am 01.09.2024.