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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Das englische Uönigtnm

Douglasien. ihren Nebenbuhlern, Als Jakob I. von Schottland von den
Mördern gesucht wurde, war es Katharina Douglas, die ihren Arm als Riegel
vor die Thür schob und den Eintritt wehrte, bis vor dem Drucke von anßen
ihre Knochen zerbrachen. Als William Douglas, später der achte Carl of
Morton, Marin Stuart auf Schloß Lochleveu gefangen hielt, war es sein junger
Bruder Georg, der sie befreite, und als Karl I. mit dem Parlament in Fehde
lag, veräußerte der neunte Carl of Morton den besten Teil seiner Güter, um
dem König Geld in den Vertel thun zu können. Wenn ein aller Weichheit
und Sentimentalität abholdes Geschlecht wie dieses dem Zauber der Stuarts
zugänglich war, daneben wir uns nicht zu wundern, daß andre ihm unter¬
lagen und freudig Gut und Leben Hingaben.

Sogar heute noch giebt es eine, freilich ungefährliche jakobitische Partei,
der die Prinzessin Ludwig von Bayern als Maria IV. für die rechtmäßige
Königin von England gilt, und die neben der Bildsäule des Märtyrers Karls I.
auch die seines verblendeten Sohnes Jakob mit Blumen bekränzt. Gewiß erregt
das Unglück Teilnahme, umso mehr, je tiefer der Fall war, und die Stuarts
sind ohne Zweifel vom Schicksal schwer geschlagen worden ; doch die Geschichte
muß sagen, daß sie ihr Schicksal verdient haben.

Noch einmal zieht ein Stuart, der junge Karl Edward, wie ein leuchtendes
Meteor über die Weltbühne, noch einmal sieht die Welt ein Schauspiel von
schottischer Treue und Hingebung, noch einmal tritt ein heldenmütiges Mädchen,
Flora Mnedvnald, für einen verfolgten Stuart ein, dann sinkt der Vorhang
für immer, und der romantische Held von 1745 endet sein Leben in Ver¬
kommenheit. Große Charaktere werden durch das Unglück gestählt, ohne den
Purpurmnntcl sind die Stuarts nnr kleine Menschen.

Friedrich der Große hatte die Nichtigkeit der Stuarts gründlich erkannt.
Aus seinem politischen Briefwechsel Nüssen nur, wie weit er sich mit ihnen ein¬
ließ, nämlich nicht weiter, als für seine Absicht, einen Druck auf England
auszuüben, nötig war. Ihnen zur Wiedererlangung des Thrones behilflich
zu sein, daran hat er nie gedacht.

Der Stuarts hatte England sich entledigt. Aber die Welsen haben ihm
auch keinen großen Segen gebracht. Wie so manche andre Fürstengeschlechter
hatten die Welsen einst einen große" Anlnnf genommen und anscheinend damit
ihre Kraft erschöpft. Seit Heinrich dem Löwen und Kaiser Otto IV. giebt es
in der ganzen langen Reihe welfischer Fürsten wenige, von denen man an¬
nehmen kann, daß sie sich, wenn sie in bescheidnen Verhältnissen auf die Welt
gekommen wären, zu einer höhern Stufe der gesellschaftlichen Leiter empor¬
gearbeitet haben würden. niedergedrückt durch den tiefen Fall, der ihnen zwei
große Herzogtümer entriß, versanken sie in der Masse des deutschen Klein¬
fürstentums und schwachem den Rest ihrer Macht noch kurzsichtig durch Tei¬
lungen. Heinrich der Löwe hatte sich der nationalen Aufgabe der Germanisierung
der baltischen Lande zugewandt, keiner seiner Nachkommen hat sie wieder auf¬
genommen. Von der staatenbildenden, ans Meer strebenden Kraft der Hohen-


GrenzboK'n IV 1U01 -
Das englische Uönigtnm

Douglasien. ihren Nebenbuhlern, Als Jakob I. von Schottland von den
Mördern gesucht wurde, war es Katharina Douglas, die ihren Arm als Riegel
vor die Thür schob und den Eintritt wehrte, bis vor dem Drucke von anßen
ihre Knochen zerbrachen. Als William Douglas, später der achte Carl of
Morton, Marin Stuart auf Schloß Lochleveu gefangen hielt, war es sein junger
Bruder Georg, der sie befreite, und als Karl I. mit dem Parlament in Fehde
lag, veräußerte der neunte Carl of Morton den besten Teil seiner Güter, um
dem König Geld in den Vertel thun zu können. Wenn ein aller Weichheit
und Sentimentalität abholdes Geschlecht wie dieses dem Zauber der Stuarts
zugänglich war, daneben wir uns nicht zu wundern, daß andre ihm unter¬
lagen und freudig Gut und Leben Hingaben.

Sogar heute noch giebt es eine, freilich ungefährliche jakobitische Partei,
der die Prinzessin Ludwig von Bayern als Maria IV. für die rechtmäßige
Königin von England gilt, und die neben der Bildsäule des Märtyrers Karls I.
auch die seines verblendeten Sohnes Jakob mit Blumen bekränzt. Gewiß erregt
das Unglück Teilnahme, umso mehr, je tiefer der Fall war, und die Stuarts
sind ohne Zweifel vom Schicksal schwer geschlagen worden ; doch die Geschichte
muß sagen, daß sie ihr Schicksal verdient haben.

Noch einmal zieht ein Stuart, der junge Karl Edward, wie ein leuchtendes
Meteor über die Weltbühne, noch einmal sieht die Welt ein Schauspiel von
schottischer Treue und Hingebung, noch einmal tritt ein heldenmütiges Mädchen,
Flora Mnedvnald, für einen verfolgten Stuart ein, dann sinkt der Vorhang
für immer, und der romantische Held von 1745 endet sein Leben in Ver¬
kommenheit. Große Charaktere werden durch das Unglück gestählt, ohne den
Purpurmnntcl sind die Stuarts nnr kleine Menschen.

Friedrich der Große hatte die Nichtigkeit der Stuarts gründlich erkannt.
Aus seinem politischen Briefwechsel Nüssen nur, wie weit er sich mit ihnen ein¬
ließ, nämlich nicht weiter, als für seine Absicht, einen Druck auf England
auszuüben, nötig war. Ihnen zur Wiedererlangung des Thrones behilflich
zu sein, daran hat er nie gedacht.

Der Stuarts hatte England sich entledigt. Aber die Welsen haben ihm
auch keinen großen Segen gebracht. Wie so manche andre Fürstengeschlechter
hatten die Welsen einst einen große» Anlnnf genommen und anscheinend damit
ihre Kraft erschöpft. Seit Heinrich dem Löwen und Kaiser Otto IV. giebt es
in der ganzen langen Reihe welfischer Fürsten wenige, von denen man an¬
nehmen kann, daß sie sich, wenn sie in bescheidnen Verhältnissen auf die Welt
gekommen wären, zu einer höhern Stufe der gesellschaftlichen Leiter empor¬
gearbeitet haben würden. niedergedrückt durch den tiefen Fall, der ihnen zwei
große Herzogtümer entriß, versanken sie in der Masse des deutschen Klein¬
fürstentums und schwachem den Rest ihrer Macht noch kurzsichtig durch Tei¬
lungen. Heinrich der Löwe hatte sich der nationalen Aufgabe der Germanisierung
der baltischen Lande zugewandt, keiner seiner Nachkommen hat sie wieder auf¬
genommen. Von der staatenbildenden, ans Meer strebenden Kraft der Hohen-


GrenzboK'n IV 1U01 -
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[0473] Das englische Uönigtnm Douglasien. ihren Nebenbuhlern, Als Jakob I. von Schottland von den Mördern gesucht wurde, war es Katharina Douglas, die ihren Arm als Riegel vor die Thür schob und den Eintritt wehrte, bis vor dem Drucke von anßen ihre Knochen zerbrachen. Als William Douglas, später der achte Carl of Morton, Marin Stuart auf Schloß Lochleveu gefangen hielt, war es sein junger Bruder Georg, der sie befreite, und als Karl I. mit dem Parlament in Fehde lag, veräußerte der neunte Carl of Morton den besten Teil seiner Güter, um dem König Geld in den Vertel thun zu können. Wenn ein aller Weichheit und Sentimentalität abholdes Geschlecht wie dieses dem Zauber der Stuarts zugänglich war, daneben wir uns nicht zu wundern, daß andre ihm unter¬ lagen und freudig Gut und Leben Hingaben. Sogar heute noch giebt es eine, freilich ungefährliche jakobitische Partei, der die Prinzessin Ludwig von Bayern als Maria IV. für die rechtmäßige Königin von England gilt, und die neben der Bildsäule des Märtyrers Karls I. auch die seines verblendeten Sohnes Jakob mit Blumen bekränzt. Gewiß erregt das Unglück Teilnahme, umso mehr, je tiefer der Fall war, und die Stuarts sind ohne Zweifel vom Schicksal schwer geschlagen worden ; doch die Geschichte muß sagen, daß sie ihr Schicksal verdient haben. Noch einmal zieht ein Stuart, der junge Karl Edward, wie ein leuchtendes Meteor über die Weltbühne, noch einmal sieht die Welt ein Schauspiel von schottischer Treue und Hingebung, noch einmal tritt ein heldenmütiges Mädchen, Flora Mnedvnald, für einen verfolgten Stuart ein, dann sinkt der Vorhang für immer, und der romantische Held von 1745 endet sein Leben in Ver¬ kommenheit. Große Charaktere werden durch das Unglück gestählt, ohne den Purpurmnntcl sind die Stuarts nnr kleine Menschen. Friedrich der Große hatte die Nichtigkeit der Stuarts gründlich erkannt. Aus seinem politischen Briefwechsel Nüssen nur, wie weit er sich mit ihnen ein¬ ließ, nämlich nicht weiter, als für seine Absicht, einen Druck auf England auszuüben, nötig war. Ihnen zur Wiedererlangung des Thrones behilflich zu sein, daran hat er nie gedacht. Der Stuarts hatte England sich entledigt. Aber die Welsen haben ihm auch keinen großen Segen gebracht. Wie so manche andre Fürstengeschlechter hatten die Welsen einst einen große» Anlnnf genommen und anscheinend damit ihre Kraft erschöpft. Seit Heinrich dem Löwen und Kaiser Otto IV. giebt es in der ganzen langen Reihe welfischer Fürsten wenige, von denen man an¬ nehmen kann, daß sie sich, wenn sie in bescheidnen Verhältnissen auf die Welt gekommen wären, zu einer höhern Stufe der gesellschaftlichen Leiter empor¬ gearbeitet haben würden. niedergedrückt durch den tiefen Fall, der ihnen zwei große Herzogtümer entriß, versanken sie in der Masse des deutschen Klein¬ fürstentums und schwachem den Rest ihrer Macht noch kurzsichtig durch Tei¬ lungen. Heinrich der Löwe hatte sich der nationalen Aufgabe der Germanisierung der baltischen Lande zugewandt, keiner seiner Nachkommen hat sie wieder auf¬ genommen. Von der staatenbildenden, ans Meer strebenden Kraft der Hohen- GrenzboK'n IV 1U01 -

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/473>, abgerufen am 28.07.2024.