Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das englische Königtum

wollte. Man verschleierte die Absetzung mit der Erklärung, daß Jakob, indem
er das Land räumte, abgedankt habe. Thatsächlich war er abgesetzt, so gut
wie Karl der Dicke oder König Wenzel. Einen weitern Stoß erhielt die An¬
nahme eines ordnungsmäßigen Thronwechsels durch die Einsetzung Wilhelms
als wirkliche" Königs neben Jakobs Tochter Maria. Dadurch, daß der junge
Prinz Jakob Stuart für illegitim angesehen wurde, erhielt Wohl das Titnlar-
tvuigtum der Maria einen Schein der Berechtigung, doch ihr Recht konnte
sich nicht auf ihren Gatten übertragen. Daß Wilhelm von Oranien durch
seine Mutter selbst ein Enkel Karls I. war, war dabei von keiner Bedeutung.
Nach legitimistischer Anschauung war seine Thronbesteigung ein Thronranb,
und die begleitenden Umstände beweisen, trotz aller Bemäntelung, den Kern
dieser Anschauung.

Karl II. war ohne Bedingungen auf den Thron zurückgekehrt, der Befreier
Englands von der stuartischeu Tyrannei mußte sich, sehr zu seinem Verdruß,
Beschränkungen gefallen lassen. Das Parlament mußte ihn auf seiue Forderung
als König annehmen, weil ohne seine holländischen Truppen die Vertreibung
Jakobs uicht erfolgt wäre; auf der andern Seite mußte Wilhelm einsehen, daß er
mit seinen paar tausend Holländern nicht als ein zweiter Eroberer zu schalten
vermochte. Auf das göttliche Recht der Könige, wie es Jakob aufgestellt hatte,
konnte er sich nicht stützen; das war gerade durch seine Thronbesteigung in Stücke
gegangen, und an die Stelle des göttlichen Rechts der Könige war das Recht
des Volkes getreten, den König abzusetzen und einen neuen zu berufen. Wilhelm
hatte auch nicht wie der Sieger vou Seulae ein Testament seines Borgängers
zur Unterstützung seiner Ansprüche. So unterschrieb er die Lili ok Ki^de",
das neue Grundgesetz, das dem Könige das Parlament als eine gleiche, im
Grnnde selbst überlegne Macht an die Seite stellte.

Damit fiel das Königtum der Tudors durch die Schuld der Stuarts.
Mit dem Grundsatze der Legitimität war gebrochen. Hinfort stand der König
nicht mehr frei da, sondern beschränkt und gebunden und abhängig.

Es ist sonderbar, wie gerade die Stuarts vou einem romantischen Zauber
verklärt worden sind. Sie vertreten keine fruchtbringende Idee, nichts zeichnet
sie vor andern Geschlechtern ans. Nicht einmal als Kriegsleute können sie sich
im entferntesten mit dem Hause Douglas messen, das seineu Namen ans jedes
Blatt der schottischen Geschichte geschrieben hat, von dem Jahre um, wo es
plötzlich, fertig wie Pallas Athene, vor die Welt tritt. In dem Unabhängigkeits¬
kampfe, den Robert Bruce gegen England führt, hören wir genug von Douglas,
wenig von Stuart. Nur der Umstand, daß Marjory, Roberts Tochter, einen
Stuart heiratet, hebt das Haus Stuart aus seiner bescheidnen Mittelmäßigkeit
heraus auf die Höhe des Throns, die es durch seiue Thätigkeit und seine
Talente nicht verdient hat. In Mittelmäßigkeit schleppt es sich von einem
Jahrhundert ins andre bis zu seinem schmählichen Ende. Seine Mitglieder
sind fast alle schwache Herrscher ohne politische Voraussicht, aber persönlich
von einer gewinnenden Anmut, die alles bezaubert und allein die opferfreudige
Hingebung verständlich macht, die sie so oft gefunden haben, sogar bei den


Das englische Königtum

wollte. Man verschleierte die Absetzung mit der Erklärung, daß Jakob, indem
er das Land räumte, abgedankt habe. Thatsächlich war er abgesetzt, so gut
wie Karl der Dicke oder König Wenzel. Einen weitern Stoß erhielt die An¬
nahme eines ordnungsmäßigen Thronwechsels durch die Einsetzung Wilhelms
als wirkliche» Königs neben Jakobs Tochter Maria. Dadurch, daß der junge
Prinz Jakob Stuart für illegitim angesehen wurde, erhielt Wohl das Titnlar-
tvuigtum der Maria einen Schein der Berechtigung, doch ihr Recht konnte
sich nicht auf ihren Gatten übertragen. Daß Wilhelm von Oranien durch
seine Mutter selbst ein Enkel Karls I. war, war dabei von keiner Bedeutung.
Nach legitimistischer Anschauung war seine Thronbesteigung ein Thronranb,
und die begleitenden Umstände beweisen, trotz aller Bemäntelung, den Kern
dieser Anschauung.

Karl II. war ohne Bedingungen auf den Thron zurückgekehrt, der Befreier
Englands von der stuartischeu Tyrannei mußte sich, sehr zu seinem Verdruß,
Beschränkungen gefallen lassen. Das Parlament mußte ihn auf seiue Forderung
als König annehmen, weil ohne seine holländischen Truppen die Vertreibung
Jakobs uicht erfolgt wäre; auf der andern Seite mußte Wilhelm einsehen, daß er
mit seinen paar tausend Holländern nicht als ein zweiter Eroberer zu schalten
vermochte. Auf das göttliche Recht der Könige, wie es Jakob aufgestellt hatte,
konnte er sich nicht stützen; das war gerade durch seine Thronbesteigung in Stücke
gegangen, und an die Stelle des göttlichen Rechts der Könige war das Recht
des Volkes getreten, den König abzusetzen und einen neuen zu berufen. Wilhelm
hatte auch nicht wie der Sieger vou Seulae ein Testament seines Borgängers
zur Unterstützung seiner Ansprüche. So unterschrieb er die Lili ok Ki^de«,
das neue Grundgesetz, das dem Könige das Parlament als eine gleiche, im
Grnnde selbst überlegne Macht an die Seite stellte.

Damit fiel das Königtum der Tudors durch die Schuld der Stuarts.
Mit dem Grundsatze der Legitimität war gebrochen. Hinfort stand der König
nicht mehr frei da, sondern beschränkt und gebunden und abhängig.

Es ist sonderbar, wie gerade die Stuarts vou einem romantischen Zauber
verklärt worden sind. Sie vertreten keine fruchtbringende Idee, nichts zeichnet
sie vor andern Geschlechtern ans. Nicht einmal als Kriegsleute können sie sich
im entferntesten mit dem Hause Douglas messen, das seineu Namen ans jedes
Blatt der schottischen Geschichte geschrieben hat, von dem Jahre um, wo es
plötzlich, fertig wie Pallas Athene, vor die Welt tritt. In dem Unabhängigkeits¬
kampfe, den Robert Bruce gegen England führt, hören wir genug von Douglas,
wenig von Stuart. Nur der Umstand, daß Marjory, Roberts Tochter, einen
Stuart heiratet, hebt das Haus Stuart aus seiner bescheidnen Mittelmäßigkeit
heraus auf die Höhe des Throns, die es durch seiue Thätigkeit und seine
Talente nicht verdient hat. In Mittelmäßigkeit schleppt es sich von einem
Jahrhundert ins andre bis zu seinem schmählichen Ende. Seine Mitglieder
sind fast alle schwache Herrscher ohne politische Voraussicht, aber persönlich
von einer gewinnenden Anmut, die alles bezaubert und allein die opferfreudige
Hingebung verständlich macht, die sie so oft gefunden haben, sogar bei den


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0472" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236294"/>
          <fw type="header" place="top"> Das englische Königtum</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1789" prev="#ID_1788"> wollte. Man verschleierte die Absetzung mit der Erklärung, daß Jakob, indem<lb/>
er das Land räumte, abgedankt habe. Thatsächlich war er abgesetzt, so gut<lb/>
wie Karl der Dicke oder König Wenzel. Einen weitern Stoß erhielt die An¬<lb/>
nahme eines ordnungsmäßigen Thronwechsels durch die Einsetzung Wilhelms<lb/>
als wirkliche» Königs neben Jakobs Tochter Maria. Dadurch, daß der junge<lb/>
Prinz Jakob Stuart für illegitim angesehen wurde, erhielt Wohl das Titnlar-<lb/>
tvuigtum der Maria einen Schein der Berechtigung, doch ihr Recht konnte<lb/>
sich nicht auf ihren Gatten übertragen. Daß Wilhelm von Oranien durch<lb/>
seine Mutter selbst ein Enkel Karls I. war, war dabei von keiner Bedeutung.<lb/>
Nach legitimistischer Anschauung war seine Thronbesteigung ein Thronranb,<lb/>
und die begleitenden Umstände beweisen, trotz aller Bemäntelung, den Kern<lb/>
dieser Anschauung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1790"> Karl II. war ohne Bedingungen auf den Thron zurückgekehrt, der Befreier<lb/>
Englands von der stuartischeu Tyrannei mußte sich, sehr zu seinem Verdruß,<lb/>
Beschränkungen gefallen lassen. Das Parlament mußte ihn auf seiue Forderung<lb/>
als König annehmen, weil ohne seine holländischen Truppen die Vertreibung<lb/>
Jakobs uicht erfolgt wäre; auf der andern Seite mußte Wilhelm einsehen, daß er<lb/>
mit seinen paar tausend Holländern nicht als ein zweiter Eroberer zu schalten<lb/>
vermochte. Auf das göttliche Recht der Könige, wie es Jakob aufgestellt hatte,<lb/>
konnte er sich nicht stützen; das war gerade durch seine Thronbesteigung in Stücke<lb/>
gegangen, und an die Stelle des göttlichen Rechts der Könige war das Recht<lb/>
des Volkes getreten, den König abzusetzen und einen neuen zu berufen. Wilhelm<lb/>
hatte auch nicht wie der Sieger vou Seulae ein Testament seines Borgängers<lb/>
zur Unterstützung seiner Ansprüche. So unterschrieb er die Lili ok Ki^de«,<lb/>
das neue Grundgesetz, das dem Könige das Parlament als eine gleiche, im<lb/>
Grnnde selbst überlegne Macht an die Seite stellte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1791"> Damit fiel das Königtum der Tudors durch die Schuld der Stuarts.<lb/>
Mit dem Grundsatze der Legitimität war gebrochen. Hinfort stand der König<lb/>
nicht mehr frei da, sondern beschränkt und gebunden und abhängig.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1792" next="#ID_1793"> Es ist sonderbar, wie gerade die Stuarts vou einem romantischen Zauber<lb/>
verklärt worden sind. Sie vertreten keine fruchtbringende Idee, nichts zeichnet<lb/>
sie vor andern Geschlechtern ans. Nicht einmal als Kriegsleute können sie sich<lb/>
im entferntesten mit dem Hause Douglas messen, das seineu Namen ans jedes<lb/>
Blatt der schottischen Geschichte geschrieben hat, von dem Jahre um, wo es<lb/>
plötzlich, fertig wie Pallas Athene, vor die Welt tritt. In dem Unabhängigkeits¬<lb/>
kampfe, den Robert Bruce gegen England führt, hören wir genug von Douglas,<lb/>
wenig von Stuart. Nur der Umstand, daß Marjory, Roberts Tochter, einen<lb/>
Stuart heiratet, hebt das Haus Stuart aus seiner bescheidnen Mittelmäßigkeit<lb/>
heraus auf die Höhe des Throns, die es durch seiue Thätigkeit und seine<lb/>
Talente nicht verdient hat. In Mittelmäßigkeit schleppt es sich von einem<lb/>
Jahrhundert ins andre bis zu seinem schmählichen Ende. Seine Mitglieder<lb/>
sind fast alle schwache Herrscher ohne politische Voraussicht, aber persönlich<lb/>
von einer gewinnenden Anmut, die alles bezaubert und allein die opferfreudige<lb/>
Hingebung verständlich macht, die sie so oft gefunden haben, sogar bei den</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0472] Das englische Königtum wollte. Man verschleierte die Absetzung mit der Erklärung, daß Jakob, indem er das Land räumte, abgedankt habe. Thatsächlich war er abgesetzt, so gut wie Karl der Dicke oder König Wenzel. Einen weitern Stoß erhielt die An¬ nahme eines ordnungsmäßigen Thronwechsels durch die Einsetzung Wilhelms als wirkliche» Königs neben Jakobs Tochter Maria. Dadurch, daß der junge Prinz Jakob Stuart für illegitim angesehen wurde, erhielt Wohl das Titnlar- tvuigtum der Maria einen Schein der Berechtigung, doch ihr Recht konnte sich nicht auf ihren Gatten übertragen. Daß Wilhelm von Oranien durch seine Mutter selbst ein Enkel Karls I. war, war dabei von keiner Bedeutung. Nach legitimistischer Anschauung war seine Thronbesteigung ein Thronranb, und die begleitenden Umstände beweisen, trotz aller Bemäntelung, den Kern dieser Anschauung. Karl II. war ohne Bedingungen auf den Thron zurückgekehrt, der Befreier Englands von der stuartischeu Tyrannei mußte sich, sehr zu seinem Verdruß, Beschränkungen gefallen lassen. Das Parlament mußte ihn auf seiue Forderung als König annehmen, weil ohne seine holländischen Truppen die Vertreibung Jakobs uicht erfolgt wäre; auf der andern Seite mußte Wilhelm einsehen, daß er mit seinen paar tausend Holländern nicht als ein zweiter Eroberer zu schalten vermochte. Auf das göttliche Recht der Könige, wie es Jakob aufgestellt hatte, konnte er sich nicht stützen; das war gerade durch seine Thronbesteigung in Stücke gegangen, und an die Stelle des göttlichen Rechts der Könige war das Recht des Volkes getreten, den König abzusetzen und einen neuen zu berufen. Wilhelm hatte auch nicht wie der Sieger vou Seulae ein Testament seines Borgängers zur Unterstützung seiner Ansprüche. So unterschrieb er die Lili ok Ki^de«, das neue Grundgesetz, das dem Könige das Parlament als eine gleiche, im Grnnde selbst überlegne Macht an die Seite stellte. Damit fiel das Königtum der Tudors durch die Schuld der Stuarts. Mit dem Grundsatze der Legitimität war gebrochen. Hinfort stand der König nicht mehr frei da, sondern beschränkt und gebunden und abhängig. Es ist sonderbar, wie gerade die Stuarts vou einem romantischen Zauber verklärt worden sind. Sie vertreten keine fruchtbringende Idee, nichts zeichnet sie vor andern Geschlechtern ans. Nicht einmal als Kriegsleute können sie sich im entferntesten mit dem Hause Douglas messen, das seineu Namen ans jedes Blatt der schottischen Geschichte geschrieben hat, von dem Jahre um, wo es plötzlich, fertig wie Pallas Athene, vor die Welt tritt. In dem Unabhängigkeits¬ kampfe, den Robert Bruce gegen England führt, hören wir genug von Douglas, wenig von Stuart. Nur der Umstand, daß Marjory, Roberts Tochter, einen Stuart heiratet, hebt das Haus Stuart aus seiner bescheidnen Mittelmäßigkeit heraus auf die Höhe des Throns, die es durch seiue Thätigkeit und seine Talente nicht verdient hat. In Mittelmäßigkeit schleppt es sich von einem Jahrhundert ins andre bis zu seinem schmählichen Ende. Seine Mitglieder sind fast alle schwache Herrscher ohne politische Voraussicht, aber persönlich von einer gewinnenden Anmut, die alles bezaubert und allein die opferfreudige Hingebung verständlich macht, die sie so oft gefunden haben, sogar bei den

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/472
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/472>, abgerufen am 28.07.2024.