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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Der Uamxf i"n den Zolltarif

Schließlich bemerkte er noch: wem? er sage, daß wir einen autonomen
Tarif mit entsprechenden Zollsätzen aufstellen müßten, so mache allerdings ein
Artikel eine Ansncchme, das Getreide. Er halte es für sehr schwierig, einen
Zollsatz auch nur für mehrere Jahre für einen Artikel festzulegen, der so großen
Preisschwankungen unterworfen sei wie das Getreide. "Die Preise, die das
Getreide auf dem deutschen Markte haben muß, um die Produktionskosten zu
decken," sollten in andrer Weise festgestellt werden. Wie, halte er zur Zeit
darzulegen nicht für seine Aufgabe.

Entsprechend deu vom deutschen Landwirtschnftsrnt angenommnen An¬
schauungen des Grafen Kanitz haben sich dann auch im Frühjahr 1900 die
Vorstände der preußischen Landlvirtschaftskammern grundsätzlich für eine Zoll-
tarifgesetzgebung erklärt, bei der "wie in Frankreich" keine längere Bindung
an bestimmte Zollsätze stattfindet, sondern dem Staate die vollste Zollautonomie
gewahrt bleibt. Wenn aber die Industrie so großen Wert auf Bindung ein¬
zelner Zollfätze für längere Zeit zu legen scheine, könne diesem Verlangen nur
unter der Voraussetzung zugestimmt werde", daß erstens -- was ganz richtig
aber hier unwichtig ist -- zugleich keinesfalls ein Abschluß von Mcist-
begünstignngsverträgen von neuem erfolge, ohne daß auch die gegenlon-
tmhierenden Staaten in entsprechendem Grade ihre Zollantonomic zu Gunsten
Deutschlands aufgaben; daß aber auch zweitens der Abschluß von Handels¬
verträgen nur an der Hand eines Gencraltariss und eines bei allen Vertrags¬
konzessionen unbedingt einzuhaltenden Minimaltarifs erfolge, und vor allem
drittens, "daß in diesem Minimaltarif die Zollsätze für alle Erzeugnisse der
Landwirtschaft so hoch bemessen werden, daß während der Vertrngsdaner auch
bei veränderter Lage des Geldmarkts und noch weiter verschärfter Konkurrenz
des Auslands die Existenzbedingungen der deutsche" Landwirtschaft nicht ge¬
fährdet werden." Wenn das einen Sinn hat, so kann es mir der sein, daß
schon die Minimalzölle sehr hoch gegriffen werden sollten, sodnß auch bei den
stärksten für die deutsche Landwirtschaft ungünstigen Schwankungen der Pro¬
duktionskosten im Inlande wie im Auslande die Differenz den deutscheu Land¬
wirten annähernd dnrch den Zoll vergütet würde. Das ist der "ausreichende"
Zollschntz, uns dem die Agrarier jetzt besteh", und von dem sie behaupten, der
Reichskanzler habe ihn "unbedingt" und "absolut" versprochen, mögen da¬
durch Handelsverträge, wie sie Industrie und Handel brauchen, unmöglich
werden oder nicht.

Es ist hier anch noch daran zu erinnern, daß in der Plenarversammlung
des deutschen Landwirtschaftsrats vom Februar 1898 die Frage nach der Mög¬
lichkeit, die Produktionskosten des Getreides festzustellen, sehr eingehend debattiert
und dabei fast von allen Vertretern der Landwirtschaft sehr stark angezweifelt
und vielfach entschieden bestritten worden ist. Nur weil vom Neichsamt des Innern
und vom wirtschaftlichen Ausschuß die Ermittlung der Produktionskosten nun
einmal schon in die Wege geleitet war, hielt man es für nicht rätlich, einen
Beschluß zu fasse", der die Mitwirkung der landwirtschaftlichen Vereine dabei


Der Uamxf i»n den Zolltarif

Schließlich bemerkte er noch: wem? er sage, daß wir einen autonomen
Tarif mit entsprechenden Zollsätzen aufstellen müßten, so mache allerdings ein
Artikel eine Ansncchme, das Getreide. Er halte es für sehr schwierig, einen
Zollsatz auch nur für mehrere Jahre für einen Artikel festzulegen, der so großen
Preisschwankungen unterworfen sei wie das Getreide. „Die Preise, die das
Getreide auf dem deutschen Markte haben muß, um die Produktionskosten zu
decken," sollten in andrer Weise festgestellt werden. Wie, halte er zur Zeit
darzulegen nicht für seine Aufgabe.

Entsprechend deu vom deutschen Landwirtschnftsrnt angenommnen An¬
schauungen des Grafen Kanitz haben sich dann auch im Frühjahr 1900 die
Vorstände der preußischen Landlvirtschaftskammern grundsätzlich für eine Zoll-
tarifgesetzgebung erklärt, bei der „wie in Frankreich" keine längere Bindung
an bestimmte Zollsätze stattfindet, sondern dem Staate die vollste Zollautonomie
gewahrt bleibt. Wenn aber die Industrie so großen Wert auf Bindung ein¬
zelner Zollfätze für längere Zeit zu legen scheine, könne diesem Verlangen nur
unter der Voraussetzung zugestimmt werde», daß erstens — was ganz richtig
aber hier unwichtig ist — zugleich keinesfalls ein Abschluß von Mcist-
begünstignngsverträgen von neuem erfolge, ohne daß auch die gegenlon-
tmhierenden Staaten in entsprechendem Grade ihre Zollantonomic zu Gunsten
Deutschlands aufgaben; daß aber auch zweitens der Abschluß von Handels¬
verträgen nur an der Hand eines Gencraltariss und eines bei allen Vertrags¬
konzessionen unbedingt einzuhaltenden Minimaltarifs erfolge, und vor allem
drittens, „daß in diesem Minimaltarif die Zollsätze für alle Erzeugnisse der
Landwirtschaft so hoch bemessen werden, daß während der Vertrngsdaner auch
bei veränderter Lage des Geldmarkts und noch weiter verschärfter Konkurrenz
des Auslands die Existenzbedingungen der deutsche» Landwirtschaft nicht ge¬
fährdet werden." Wenn das einen Sinn hat, so kann es mir der sein, daß
schon die Minimalzölle sehr hoch gegriffen werden sollten, sodnß auch bei den
stärksten für die deutsche Landwirtschaft ungünstigen Schwankungen der Pro¬
duktionskosten im Inlande wie im Auslande die Differenz den deutscheu Land¬
wirten annähernd dnrch den Zoll vergütet würde. Das ist der „ausreichende"
Zollschntz, uns dem die Agrarier jetzt besteh», und von dem sie behaupten, der
Reichskanzler habe ihn „unbedingt" und „absolut" versprochen, mögen da¬
durch Handelsverträge, wie sie Industrie und Handel brauchen, unmöglich
werden oder nicht.

Es ist hier anch noch daran zu erinnern, daß in der Plenarversammlung
des deutschen Landwirtschaftsrats vom Februar 1898 die Frage nach der Mög¬
lichkeit, die Produktionskosten des Getreides festzustellen, sehr eingehend debattiert
und dabei fast von allen Vertretern der Landwirtschaft sehr stark angezweifelt
und vielfach entschieden bestritten worden ist. Nur weil vom Neichsamt des Innern
und vom wirtschaftlichen Ausschuß die Ermittlung der Produktionskosten nun
einmal schon in die Wege geleitet war, hielt man es für nicht rätlich, einen
Beschluß zu fasse», der die Mitwirkung der landwirtschaftlichen Vereine dabei


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[0117] Der Uamxf i»n den Zolltarif Schließlich bemerkte er noch: wem? er sage, daß wir einen autonomen Tarif mit entsprechenden Zollsätzen aufstellen müßten, so mache allerdings ein Artikel eine Ansncchme, das Getreide. Er halte es für sehr schwierig, einen Zollsatz auch nur für mehrere Jahre für einen Artikel festzulegen, der so großen Preisschwankungen unterworfen sei wie das Getreide. „Die Preise, die das Getreide auf dem deutschen Markte haben muß, um die Produktionskosten zu decken," sollten in andrer Weise festgestellt werden. Wie, halte er zur Zeit darzulegen nicht für seine Aufgabe. Entsprechend deu vom deutschen Landwirtschnftsrnt angenommnen An¬ schauungen des Grafen Kanitz haben sich dann auch im Frühjahr 1900 die Vorstände der preußischen Landlvirtschaftskammern grundsätzlich für eine Zoll- tarifgesetzgebung erklärt, bei der „wie in Frankreich" keine längere Bindung an bestimmte Zollsätze stattfindet, sondern dem Staate die vollste Zollautonomie gewahrt bleibt. Wenn aber die Industrie so großen Wert auf Bindung ein¬ zelner Zollfätze für längere Zeit zu legen scheine, könne diesem Verlangen nur unter der Voraussetzung zugestimmt werde», daß erstens — was ganz richtig aber hier unwichtig ist — zugleich keinesfalls ein Abschluß von Mcist- begünstignngsverträgen von neuem erfolge, ohne daß auch die gegenlon- tmhierenden Staaten in entsprechendem Grade ihre Zollantonomic zu Gunsten Deutschlands aufgaben; daß aber auch zweitens der Abschluß von Handels¬ verträgen nur an der Hand eines Gencraltariss und eines bei allen Vertrags¬ konzessionen unbedingt einzuhaltenden Minimaltarifs erfolge, und vor allem drittens, „daß in diesem Minimaltarif die Zollsätze für alle Erzeugnisse der Landwirtschaft so hoch bemessen werden, daß während der Vertrngsdaner auch bei veränderter Lage des Geldmarkts und noch weiter verschärfter Konkurrenz des Auslands die Existenzbedingungen der deutsche» Landwirtschaft nicht ge¬ fährdet werden." Wenn das einen Sinn hat, so kann es mir der sein, daß schon die Minimalzölle sehr hoch gegriffen werden sollten, sodnß auch bei den stärksten für die deutsche Landwirtschaft ungünstigen Schwankungen der Pro¬ duktionskosten im Inlande wie im Auslande die Differenz den deutscheu Land¬ wirten annähernd dnrch den Zoll vergütet würde. Das ist der „ausreichende" Zollschntz, uns dem die Agrarier jetzt besteh», und von dem sie behaupten, der Reichskanzler habe ihn „unbedingt" und „absolut" versprochen, mögen da¬ durch Handelsverträge, wie sie Industrie und Handel brauchen, unmöglich werden oder nicht. Es ist hier anch noch daran zu erinnern, daß in der Plenarversammlung des deutschen Landwirtschaftsrats vom Februar 1898 die Frage nach der Mög¬ lichkeit, die Produktionskosten des Getreides festzustellen, sehr eingehend debattiert und dabei fast von allen Vertretern der Landwirtschaft sehr stark angezweifelt und vielfach entschieden bestritten worden ist. Nur weil vom Neichsamt des Innern und vom wirtschaftlichen Ausschuß die Ermittlung der Produktionskosten nun einmal schon in die Wege geleitet war, hielt man es für nicht rätlich, einen Beschluß zu fasse», der die Mitwirkung der landwirtschaftlichen Vereine dabei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/117>, abgerufen am 28.07.2024.