Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.dürften. Die so ermittelten Sätze seien in einen "Minimältarif" einzustellen, Zum bessern Verständnis des Maßstabs, nach dein die Zollsätze des Die ungleichen Produktionsbedingungen zwischen In- und Ausland sollen dürften. Die so ermittelten Sätze seien in einen „Minimältarif" einzustellen, Zum bessern Verständnis des Maßstabs, nach dein die Zollsätze des Die ungleichen Produktionsbedingungen zwischen In- und Ausland sollen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0116" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/235938"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_424" prev="#ID_423"> dürften. Die so ermittelten Sätze seien in einen „Minimältarif" einzustellen,<lb/> und jede vertragsmäßige „Herabsetzung oder Bindung — was wohl zu beachten<lb/> ist — vorweg" auszuschließen. Sodann müsse ein „Generaltarif" aufgestellt<lb/> werden, der für die wichtigsten Handelsartikel „erhöhte" Zollsätze enthalte.<lb/> Ans der Grundlage dieses Generaltarifs könnten Vertragsverhandlungen mit<lb/> andern Ländern eröffnet und Zollermäßigungen bis hinab zu den Sätzen des<lb/> Minimaltarifs, unter Voraussetzung angemessener Gegenleistungen und Garantien,<lb/> gewährt werden. Die bestehenden Meistbegünstigimgsvertrnge müßten rechtzeitig<lb/> gekündigt werden. Gegenüber den Ländern, mit denen keine neuen Verträge<lb/> abgeschlossen würden, wäre der Generaltarif anzuwenden. Der außerdem noch<lb/> von Graf Kanitz beantragte Satz, daß die neuen Verträge auf unbeschränkte<lb/> Zeitdauer, unter Vorbehalt des Kundiguugsrechts mit einjähriger Frist ab¬<lb/> geschlossen werden sollte», wurde nicht angenommen, was schließlich der An¬<lb/> tragsteller, da er den Ausschluß nicht nur jeder vertragsmäßigen Herabsetzung,<lb/> sondern auch jeder Bindung durchgesetzt hatte, recht wohl verschmerzen konnte.<lb/> Ausdrücklich fügte er hinzu: „Ich weiß recht wohl, daß allerlei Einwendungen<lb/> gegen einen solchen inoäus xroesäaruli erhoben werden können; aber wenn ich<lb/> mir die Handelspolitik aller andern Länder vergegenwärtige, so meine ich, daß<lb/> sich bis heute kein System so gut bewährt habe wie das französische. In<lb/> Frankreich selbst ist mau zufrieden und wünscht auch keine Änderung. Ich<lb/> meine, daß man ein System, mit dem man praktisch die besten Erfahrungen<lb/> gemacht hat, auch für uns als Vorbild unsrer zukünftigen Handelspolitik auf¬<lb/> stellen könne."</p><lb/> <p xml:id="ID_425"> Zum bessern Verständnis des Maßstabs, nach dein die Zollsätze des<lb/> „autonomen," d. h. des Minimaltarifs oder die eigentlichen „Schutzzölle,"<lb/> fixiert werden sollten, bemerkte Graf Kanitz noch, daß sie nach der gegen¬<lb/> wärtigen Lage des Weltmarkts bemessen und abgestuft werden sollten, und<lb/> erläuterte das „Wesen des Schutzzolls" — was zur Erklärung der die Vor¬<lb/> arbeiten beherrschenden Anschauungen gar nicht genng beachtet werden kann —<lb/> in folgender Weise:</p><lb/> <p xml:id="ID_426"> Die ungleichen Produktionsbedingungen zwischen In- und Ausland sollen<lb/> durch den Zoll ausgeglichen werden; wenn irgend eine Ware bei uns im deutschen<lb/> Vaterlande nur uuter größern Kosten hergestellt werden kann als im Ausland, so<lb/> soll dieser Kostenuuterschied durch den Schutzzoll ausgeglichen werden. Daraus<lb/> folgt aber, daß dieser Schutzzoll ein beweglicher sein, daß er sich dem jedesmaligen<lb/> und wechselnden Schntzbedürfnis leicht anpassen muß. Gerade in der heutigen Zeit,<lb/> in dem Zeitalter der Erfindungen, der Neuerungen müssen wir an der Beweglich¬<lb/> keit des Schutzzolls festhalten; ein Schutzzoll, der heute für ausreichend erachtet<lb/> wird, ist es nach zehn Jahren vielleicht nicht mehr: neue Erfindungen, neue Ma¬<lb/> schinen, neue Verkehrswege — alle diese Dinge können die Produktionsbedingungen<lb/> ändern und auf den Kopf stellen, sodaß ein auf eine lange Reihe von Jahren fest¬<lb/> gelegter Schutzzoll sich in der Praxis meistens nicht bewähren wird. Aus diesem<lb/> Grunde ist das System der langdauernden Tarifverträge entschieden zu verwerfen.<lb/> Und damit verwerfen wir zugleich das ganze bisherige System der deutschen<lb/> Handelsverträge.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0116]
dürften. Die so ermittelten Sätze seien in einen „Minimältarif" einzustellen,
und jede vertragsmäßige „Herabsetzung oder Bindung — was wohl zu beachten
ist — vorweg" auszuschließen. Sodann müsse ein „Generaltarif" aufgestellt
werden, der für die wichtigsten Handelsartikel „erhöhte" Zollsätze enthalte.
Ans der Grundlage dieses Generaltarifs könnten Vertragsverhandlungen mit
andern Ländern eröffnet und Zollermäßigungen bis hinab zu den Sätzen des
Minimaltarifs, unter Voraussetzung angemessener Gegenleistungen und Garantien,
gewährt werden. Die bestehenden Meistbegünstigimgsvertrnge müßten rechtzeitig
gekündigt werden. Gegenüber den Ländern, mit denen keine neuen Verträge
abgeschlossen würden, wäre der Generaltarif anzuwenden. Der außerdem noch
von Graf Kanitz beantragte Satz, daß die neuen Verträge auf unbeschränkte
Zeitdauer, unter Vorbehalt des Kundiguugsrechts mit einjähriger Frist ab¬
geschlossen werden sollte», wurde nicht angenommen, was schließlich der An¬
tragsteller, da er den Ausschluß nicht nur jeder vertragsmäßigen Herabsetzung,
sondern auch jeder Bindung durchgesetzt hatte, recht wohl verschmerzen konnte.
Ausdrücklich fügte er hinzu: „Ich weiß recht wohl, daß allerlei Einwendungen
gegen einen solchen inoäus xroesäaruli erhoben werden können; aber wenn ich
mir die Handelspolitik aller andern Länder vergegenwärtige, so meine ich, daß
sich bis heute kein System so gut bewährt habe wie das französische. In
Frankreich selbst ist mau zufrieden und wünscht auch keine Änderung. Ich
meine, daß man ein System, mit dem man praktisch die besten Erfahrungen
gemacht hat, auch für uns als Vorbild unsrer zukünftigen Handelspolitik auf¬
stellen könne."
Zum bessern Verständnis des Maßstabs, nach dein die Zollsätze des
„autonomen," d. h. des Minimaltarifs oder die eigentlichen „Schutzzölle,"
fixiert werden sollten, bemerkte Graf Kanitz noch, daß sie nach der gegen¬
wärtigen Lage des Weltmarkts bemessen und abgestuft werden sollten, und
erläuterte das „Wesen des Schutzzolls" — was zur Erklärung der die Vor¬
arbeiten beherrschenden Anschauungen gar nicht genng beachtet werden kann —
in folgender Weise:
Die ungleichen Produktionsbedingungen zwischen In- und Ausland sollen
durch den Zoll ausgeglichen werden; wenn irgend eine Ware bei uns im deutschen
Vaterlande nur uuter größern Kosten hergestellt werden kann als im Ausland, so
soll dieser Kostenuuterschied durch den Schutzzoll ausgeglichen werden. Daraus
folgt aber, daß dieser Schutzzoll ein beweglicher sein, daß er sich dem jedesmaligen
und wechselnden Schntzbedürfnis leicht anpassen muß. Gerade in der heutigen Zeit,
in dem Zeitalter der Erfindungen, der Neuerungen müssen wir an der Beweglich¬
keit des Schutzzolls festhalten; ein Schutzzoll, der heute für ausreichend erachtet
wird, ist es nach zehn Jahren vielleicht nicht mehr: neue Erfindungen, neue Ma¬
schinen, neue Verkehrswege — alle diese Dinge können die Produktionsbedingungen
ändern und auf den Kopf stellen, sodaß ein auf eine lange Reihe von Jahren fest¬
gelegter Schutzzoll sich in der Praxis meistens nicht bewähren wird. Aus diesem
Grunde ist das System der langdauernden Tarifverträge entschieden zu verwerfen.
Und damit verwerfen wir zugleich das ganze bisherige System der deutschen
Handelsverträge.
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