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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Die Anfange der holländischen Landschaftsmalerei

landschaft in Goyens Art (Hamburg), Aber einen Eindruck, der seinem Rufe
als Maler und seiner Stellung als Lehrer so manches Landschafters, z. B.
Goyens, entspräche, machen doch auch diese Bilder kaum. Nur ein entschiednes
Figurenstück, wie die Kirchweihe von Ryswyck mit dein vierspännig einfahrenden
Statthalter, seinein Bruder und andern Fürstlichkeiten (1625, Amsterdam, Six),
derselbe Gegenstand also, den einige Jahre vorher van de Venne behandelt
hatte, drückt seine ganze Art eigentümlicher ans. Ihm ist die sachliche Aus¬
prägung eines Borgangs wichtiger als die landschaftliche Umgebung oder die
atmosphärische Stimmung, Ein Blender vollends ist Esaias niemals, und wo
sich immer in den Galerien eins seiner seltnen Bilder zeigt, wird es leicht
von seinen Nachbarn geschlagen.

Noch deutlicher und derber spricht sich diese Weise in dem zehn Jahre
ältern Amsterdamer Averkamp ans, der dann in Kämpen lebte ("der Stumme
von Kämpen") und dort in hohem Alter nach 1663 starb. Ein tüchtiger
Künstler, den seine Zeit in Ehren hielt, dessen Bilder, vorzugsweise Winter¬
landschaften mit gehäuften kräftige", bunten Figuren, heilte uur "och vereinzelt
vorkommen. Als sein Fortsetzer kauu Aruoud van der Neer gelten, aber er
ist mannigfaltiger und vor allein feiner nud geistiger.

Es giebt noch eine andre Quelle, aus der wir schöpfen können und müsse",
wenn wir versteh" wollen, warum man Esains van de Velde gerade als Land¬
schafter so hoch schätzte. Damals in den ersten Jahrzehnten des siebzehnten
Jahrhunderts war in Holland der Sinn erwacht für die äußere Natur, die
Umgebungen der Städte, das flache Land mit seinen Wasserläufen, die Dörfer
und die einzelnen Gehöfte und Schlösser, deren manche im spanische" Kriege
zerstört und dadurch für das Auge des Malers nur noch schöner geworden
waren. Die Verleger in Haarlem und Amsterdam gaben für das große
Publikum Sammlungen von Radierungen und Stichen heraus (M^sg.mes I,ant-
soligMsn oder MrosmWinmö rsAinuLul-is): Kastelle und Schlösser, Monats¬
folgen, Jahres- und Tageszeiteubilder, kurz die holländische Landschaft im
weiteste" Umfange des Worts. Auch Esaias van de Velde zeichnete große
"ut kleine Blätter (einige hat er auch selbst radiert), und aus ihnen sieht man
besser als ans seinen Gemälden, wie viel Sinn er für die reine Landschaft
hatte, und welchen Einfluß er hierin ans seine Zeit ausgeübt hat.

Hier müssen wir nun auch seines jüngern Bruders Jan gedenken, der
als Zeichner, Radierer und Kupferstecher (gemalt hat er wahrscheinlich nicht)
wunderbar betriebsam dieses Gebiet in Arbeit genommen hat. Er trat 1614
in die Haarlemer Gilde ein und veröffentlichte schon 1615 bis 1617 seine ersten
Stichfolgen unter eignem Namen, aber erst 1617 wurde er Meister; wir können
sure Thätigkeit bis in die dreißiger Jahre, sein Leben noch bis 1641 ver¬
folgen, sei" letztes Werk, die "36 Landschaften," gab Klaus Janßz Visscher
heraus, der vor 1652 gestorben ist. Es haben sich von Jan van de Velde
außer dem, was er an Figurenszenen nach Buhtewech, Molyn und andern
Meistern gezeichnet n"d gestochen hat, über 400 Landschaftsblätter erhalten,


Grenzboten III 1901 72
Die Anfange der holländischen Landschaftsmalerei

landschaft in Goyens Art (Hamburg), Aber einen Eindruck, der seinem Rufe
als Maler und seiner Stellung als Lehrer so manches Landschafters, z. B.
Goyens, entspräche, machen doch auch diese Bilder kaum. Nur ein entschiednes
Figurenstück, wie die Kirchweihe von Ryswyck mit dein vierspännig einfahrenden
Statthalter, seinein Bruder und andern Fürstlichkeiten (1625, Amsterdam, Six),
derselbe Gegenstand also, den einige Jahre vorher van de Venne behandelt
hatte, drückt seine ganze Art eigentümlicher ans. Ihm ist die sachliche Aus¬
prägung eines Borgangs wichtiger als die landschaftliche Umgebung oder die
atmosphärische Stimmung, Ein Blender vollends ist Esaias niemals, und wo
sich immer in den Galerien eins seiner seltnen Bilder zeigt, wird es leicht
von seinen Nachbarn geschlagen.

Noch deutlicher und derber spricht sich diese Weise in dem zehn Jahre
ältern Amsterdamer Averkamp ans, der dann in Kämpen lebte („der Stumme
von Kämpen") und dort in hohem Alter nach 1663 starb. Ein tüchtiger
Künstler, den seine Zeit in Ehren hielt, dessen Bilder, vorzugsweise Winter¬
landschaften mit gehäuften kräftige», bunten Figuren, heilte uur «och vereinzelt
vorkommen. Als sein Fortsetzer kauu Aruoud van der Neer gelten, aber er
ist mannigfaltiger und vor allein feiner nud geistiger.

Es giebt noch eine andre Quelle, aus der wir schöpfen können und müsse»,
wenn wir versteh» wollen, warum man Esains van de Velde gerade als Land¬
schafter so hoch schätzte. Damals in den ersten Jahrzehnten des siebzehnten
Jahrhunderts war in Holland der Sinn erwacht für die äußere Natur, die
Umgebungen der Städte, das flache Land mit seinen Wasserläufen, die Dörfer
und die einzelnen Gehöfte und Schlösser, deren manche im spanische» Kriege
zerstört und dadurch für das Auge des Malers nur noch schöner geworden
waren. Die Verleger in Haarlem und Amsterdam gaben für das große
Publikum Sammlungen von Radierungen und Stichen heraus (M^sg.mes I,ant-
soligMsn oder MrosmWinmö rsAinuLul-is): Kastelle und Schlösser, Monats¬
folgen, Jahres- und Tageszeiteubilder, kurz die holländische Landschaft im
weiteste» Umfange des Worts. Auch Esaias van de Velde zeichnete große
»ut kleine Blätter (einige hat er auch selbst radiert), und aus ihnen sieht man
besser als ans seinen Gemälden, wie viel Sinn er für die reine Landschaft
hatte, und welchen Einfluß er hierin ans seine Zeit ausgeübt hat.

Hier müssen wir nun auch seines jüngern Bruders Jan gedenken, der
als Zeichner, Radierer und Kupferstecher (gemalt hat er wahrscheinlich nicht)
wunderbar betriebsam dieses Gebiet in Arbeit genommen hat. Er trat 1614
in die Haarlemer Gilde ein und veröffentlichte schon 1615 bis 1617 seine ersten
Stichfolgen unter eignem Namen, aber erst 1617 wurde er Meister; wir können
sure Thätigkeit bis in die dreißiger Jahre, sein Leben noch bis 1641 ver¬
folgen, sei» letztes Werk, die „36 Landschaften," gab Klaus Janßz Visscher
heraus, der vor 1652 gestorben ist. Es haben sich von Jan van de Velde
außer dem, was er an Figurenszenen nach Buhtewech, Molyn und andern
Meistern gezeichnet n»d gestochen hat, über 400 Landschaftsblätter erhalten,


Grenzboten III 1901 72
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[0577] Die Anfange der holländischen Landschaftsmalerei landschaft in Goyens Art (Hamburg), Aber einen Eindruck, der seinem Rufe als Maler und seiner Stellung als Lehrer so manches Landschafters, z. B. Goyens, entspräche, machen doch auch diese Bilder kaum. Nur ein entschiednes Figurenstück, wie die Kirchweihe von Ryswyck mit dein vierspännig einfahrenden Statthalter, seinein Bruder und andern Fürstlichkeiten (1625, Amsterdam, Six), derselbe Gegenstand also, den einige Jahre vorher van de Venne behandelt hatte, drückt seine ganze Art eigentümlicher ans. Ihm ist die sachliche Aus¬ prägung eines Borgangs wichtiger als die landschaftliche Umgebung oder die atmosphärische Stimmung, Ein Blender vollends ist Esaias niemals, und wo sich immer in den Galerien eins seiner seltnen Bilder zeigt, wird es leicht von seinen Nachbarn geschlagen. Noch deutlicher und derber spricht sich diese Weise in dem zehn Jahre ältern Amsterdamer Averkamp ans, der dann in Kämpen lebte („der Stumme von Kämpen") und dort in hohem Alter nach 1663 starb. Ein tüchtiger Künstler, den seine Zeit in Ehren hielt, dessen Bilder, vorzugsweise Winter¬ landschaften mit gehäuften kräftige», bunten Figuren, heilte uur «och vereinzelt vorkommen. Als sein Fortsetzer kauu Aruoud van der Neer gelten, aber er ist mannigfaltiger und vor allein feiner nud geistiger. Es giebt noch eine andre Quelle, aus der wir schöpfen können und müsse», wenn wir versteh» wollen, warum man Esains van de Velde gerade als Land¬ schafter so hoch schätzte. Damals in den ersten Jahrzehnten des siebzehnten Jahrhunderts war in Holland der Sinn erwacht für die äußere Natur, die Umgebungen der Städte, das flache Land mit seinen Wasserläufen, die Dörfer und die einzelnen Gehöfte und Schlösser, deren manche im spanische» Kriege zerstört und dadurch für das Auge des Malers nur noch schöner geworden waren. Die Verleger in Haarlem und Amsterdam gaben für das große Publikum Sammlungen von Radierungen und Stichen heraus (M^sg.mes I,ant- soligMsn oder MrosmWinmö rsAinuLul-is): Kastelle und Schlösser, Monats¬ folgen, Jahres- und Tageszeiteubilder, kurz die holländische Landschaft im weiteste» Umfange des Worts. Auch Esaias van de Velde zeichnete große »ut kleine Blätter (einige hat er auch selbst radiert), und aus ihnen sieht man besser als ans seinen Gemälden, wie viel Sinn er für die reine Landschaft hatte, und welchen Einfluß er hierin ans seine Zeit ausgeübt hat. Hier müssen wir nun auch seines jüngern Bruders Jan gedenken, der als Zeichner, Radierer und Kupferstecher (gemalt hat er wahrscheinlich nicht) wunderbar betriebsam dieses Gebiet in Arbeit genommen hat. Er trat 1614 in die Haarlemer Gilde ein und veröffentlichte schon 1615 bis 1617 seine ersten Stichfolgen unter eignem Namen, aber erst 1617 wurde er Meister; wir können sure Thätigkeit bis in die dreißiger Jahre, sein Leben noch bis 1641 ver¬ folgen, sei» letztes Werk, die „36 Landschaften," gab Klaus Janßz Visscher heraus, der vor 1652 gestorben ist. Es haben sich von Jan van de Velde außer dem, was er an Figurenszenen nach Buhtewech, Molyn und andern Meistern gezeichnet n»d gestochen hat, über 400 Landschaftsblätter erhalten, Grenzboten III 1901 72

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/577>, abgerufen am 22.07.2024.