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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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bringen, den Erlaß eines Spezialgcsetzes zu erwirken, hat ans das Betreiben
"nichtiger Aktiengesellschaften eine Einschränkung erfahren. Die Eindringling
so einer Bill verursacht nämlich Kosten. Als nun die Stadtverwaltungen an¬
fingen, sich durch Local Bills die Ermächtigung zur Anlage von Wasser- und
Gaswerken zu verschaffen, erzielte eine Aktiengesellschaft in einem einzelnen,
Sheffield betreffenden Falle eine richterliche Entscheidung, wonach den Boroughs
das Recht, auf Kosten der Steuerzahler Bills einzubringen, rund abgesprochen
wurde. Das erregte eine" Sturm der Entrüstung, der die Gesetzgebung ein¬
zuschreiten zwang. Diese erließ 1872, stark beeinflußt vom kapitalistischen
Interesse, die heute noch geltende Borough Furth Act, in der ein Kompromiß
versucht wurde. Das Recht der Kommunen, auf Kosten der Steuerzahler
Local Bills einzubringen, wird darin anerkannt, aber seine Ausübung durch
eine Menge lästiger Formalitäten erschwert, und außerdem wird ausdrücklich
verboten, solche Bills einzubringen, die sich auf die Errichtung von Kon¬
kurrenzunternehmungen gegen schou bestehende Gas- und Wasserwerke beziehen.
Doch hat nach Redlich diese gesetzliche Fessel den Fortschritt der Kommunali¬
sierung aller gemeinnützigen Unternehmungen nicht aufzuhalten vermocht. Eine
andre Fessel wurde von den Alkoholinteressenten geschmiedet, denen die Mäßig-
keitsbewcgung lästig und nachteilig ist. Im Jahre 1897 setzten sie eine Ent¬
scheidung des oberste" Gerichtshofs durch, daß die Stadtgemeinden nicht
befugt seien, gegen unordentliche Schankwirte Strafprozesse anzustrengen und
bei deu Friedensrichtern gegen die Erneurung ihrer Licenzen zu protestieren.
Die Städte appellierten an das Oberhaus, aber die Lords, die bekanntlich
als echte Kavaliere in solchen Sachen immer liberal sind, erklärten es für
ungesetzlich, die Kosten ans der Gemeindekasse zu bezahlen, die aus einem dem
>I<Z3ä Oonst-Mo erteilten Auftrage, gegen Schauklicenzen vor Gericht zu oppo¬
nieren, erwüchse". Zur Begründung wird angeführt, die Stndtgemeiudc dürfe
Geld ausgeben nur zur Förderung oder zum Schutz der Interessen der Ein¬
wohner; die Bekämpfung der Trunksucht rechnen also die Lords nicht zu den
allgemeinen Interessen-

Auch der Grundsatz, daß sich die Städte ganz autonom ohne Bevor¬
mundung dnrch die Regierung verwalten, hat einige kleine Einschränkungen
erfahren. Das Local Governmentboard übt, allerdings in sehr milder Form,
eine Finanztontrolle und stellt als Erbe des frühern Gesundheitsamts die
Sanitätsbeamten an, auch nachdem die ursprünglich als besondre Behörde cin-
llesetzten Lokalgesundheitsämter im Stndtrat aufgegangen sind. Zudem hat es
gesetzlich das Recht, die Abstellung von Gesundheitsschädlichkeiten und die Ein¬
führung von Verbesserungen zu erzwinge", aber dieses Recht ist heilte praktisch
bedeutungslos, weil es sich nur auf ein gewisses Minimum bezieht, über das
die Städte aus eignem Antriebe längst hinausgegangen sind.

Für die Bestreitung der Kosten ihrer Verwaltung ist die Stadt zunächst
auf den Ertrag des Gemeiudevermögens angewiesen. In dessen Vermehrung
wird sie dadurch beschränkt, daß sie als Korporation dem Gesetz der Toten


bringen, den Erlaß eines Spezialgcsetzes zu erwirken, hat ans das Betreiben
»nichtiger Aktiengesellschaften eine Einschränkung erfahren. Die Eindringling
so einer Bill verursacht nämlich Kosten. Als nun die Stadtverwaltungen an¬
fingen, sich durch Local Bills die Ermächtigung zur Anlage von Wasser- und
Gaswerken zu verschaffen, erzielte eine Aktiengesellschaft in einem einzelnen,
Sheffield betreffenden Falle eine richterliche Entscheidung, wonach den Boroughs
das Recht, auf Kosten der Steuerzahler Bills einzubringen, rund abgesprochen
wurde. Das erregte eine» Sturm der Entrüstung, der die Gesetzgebung ein¬
zuschreiten zwang. Diese erließ 1872, stark beeinflußt vom kapitalistischen
Interesse, die heute noch geltende Borough Furth Act, in der ein Kompromiß
versucht wurde. Das Recht der Kommunen, auf Kosten der Steuerzahler
Local Bills einzubringen, wird darin anerkannt, aber seine Ausübung durch
eine Menge lästiger Formalitäten erschwert, und außerdem wird ausdrücklich
verboten, solche Bills einzubringen, die sich auf die Errichtung von Kon¬
kurrenzunternehmungen gegen schou bestehende Gas- und Wasserwerke beziehen.
Doch hat nach Redlich diese gesetzliche Fessel den Fortschritt der Kommunali¬
sierung aller gemeinnützigen Unternehmungen nicht aufzuhalten vermocht. Eine
andre Fessel wurde von den Alkoholinteressenten geschmiedet, denen die Mäßig-
keitsbewcgung lästig und nachteilig ist. Im Jahre 1897 setzten sie eine Ent¬
scheidung des oberste» Gerichtshofs durch, daß die Stadtgemeinden nicht
befugt seien, gegen unordentliche Schankwirte Strafprozesse anzustrengen und
bei deu Friedensrichtern gegen die Erneurung ihrer Licenzen zu protestieren.
Die Städte appellierten an das Oberhaus, aber die Lords, die bekanntlich
als echte Kavaliere in solchen Sachen immer liberal sind, erklärten es für
ungesetzlich, die Kosten ans der Gemeindekasse zu bezahlen, die aus einem dem
>I<Z3ä Oonst-Mo erteilten Auftrage, gegen Schauklicenzen vor Gericht zu oppo¬
nieren, erwüchse». Zur Begründung wird angeführt, die Stndtgemeiudc dürfe
Geld ausgeben nur zur Förderung oder zum Schutz der Interessen der Ein¬
wohner; die Bekämpfung der Trunksucht rechnen also die Lords nicht zu den
allgemeinen Interessen-

Auch der Grundsatz, daß sich die Städte ganz autonom ohne Bevor¬
mundung dnrch die Regierung verwalten, hat einige kleine Einschränkungen
erfahren. Das Local Governmentboard übt, allerdings in sehr milder Form,
eine Finanztontrolle und stellt als Erbe des frühern Gesundheitsamts die
Sanitätsbeamten an, auch nachdem die ursprünglich als besondre Behörde cin-
llesetzten Lokalgesundheitsämter im Stndtrat aufgegangen sind. Zudem hat es
gesetzlich das Recht, die Abstellung von Gesundheitsschädlichkeiten und die Ein¬
führung von Verbesserungen zu erzwinge», aber dieses Recht ist heilte praktisch
bedeutungslos, weil es sich nur auf ein gewisses Minimum bezieht, über das
die Städte aus eignem Antriebe längst hinausgegangen sind.

Für die Bestreitung der Kosten ihrer Verwaltung ist die Stadt zunächst
auf den Ertrag des Gemeiudevermögens angewiesen. In dessen Vermehrung
wird sie dadurch beschränkt, daß sie als Korporation dem Gesetz der Toten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/501>, abgerufen am 22.07.2024.