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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Ungarische Wahlen

Die von dem Nachfolger Kvlomnn Tiszas, von Graf Julius Szapärh
geleiteten Wahlen des Jahres 1892 waren, wenn nicht besser, so doch auch
nicht schlechter als die drei oder vier vorangegangnen. Aber Baron Desidcr
Bänsfy übertraf im Jahre 1896 alles bis dahin dagewesene an gewaltthätiger
Willkür und offen betriebner Wählerbestechung, Es galt ihm, die Bolkspartei
nicht emporkommen zu lassen und die ihr gesinnungsverwandte Ugrongruppe
der Unabhängigkeitspartci zu zertrümmern. Ein Anhänger der Regierungs¬
partei bekannte in offner Parlamentssitzung ohne Widerspruch zu erfahren,
daß der sich seiner eisernen Hand rühmende Ministerpräsident einen Wahlfonds
von vier Millionen Gulden zur Verfügung gehabt habe. Der mit den unerhörtesten
Mitteln errungne Wahlsieg, der dem Abgeordnetenhaus? eine blind gehorchende
Mehrheit geben sollte und auch gab, veranlaßte aber, daß die Oppositions¬
parteien die absolute Unmöglichkeit erkannten, in dem angeblich parlamenta¬
rischen Staate Ungarn irgend ein Ministerium auf gesetzmäßige Weise bei den
Wahlen zu stürzen. Und darum wurde bei der ersten sich darbietenden Ge¬
legenheit, bei der Verhandlung über den zwischen den beiden Staaten der
Monarchie zu erneuernden Ausgleich, die in Osterreich beim Kampfe gegen
die Sprachcnverordnungen als wirksam bewährte Waffe der Obstruktion er¬
griffen. Die gröblicher Vcrfassungsverletzuugen Bänffys drängten schließlich
auch die bessern Elemente der Regierungspartei zum Austritt, und so gelang
es schließlich, den Verächter von Recht, Gesetz und politischem Ausland zu
stürzen.

Der Hauptinhalt des Paktes, durch den die Obstruktion beseitigt und
Koloman Szell an die Spitze der Regierung gebracht wurde, bestand in der
Zusicherung von Garantien für die Freiheit und die Reinheit der Wahlen,
Der neue Ministerpräsident verkündete Recht, Gesetz und Gerechtigkeit als seine
leitenden Regierungsgrundsütze und hat sich nun schon im dritten Jahre im
großen und ganzen an sie gehalten, insbesondre bei den zahlreichen Nach¬
wahlen der Opposition keinen Grund zur Klage über ungehörigen Regierungs-
einfluß gegeben. Die bisher von Ausschüssen des Abgeordnetenhauses meist
auf das parteiischste ausgeübte Entscheidung über die Giltigkeit augefochtncr
Abgeordnetcnwahlen wurde dem obersten Gerichtshofe durch ein Gesetz über¬
tragen, das auch sonst wichtige Abänderungen des Wahlverfahrens verfügt,
leider aber auch die Gewährung von Fnhrlöhnen an die Wähler erlaubt und
dadurch der bisher zwar praktisch geübten aber doch gesetzlich verbotnen und
strafbaren Bestechung Thür und Thor geöffnet hat, strenger gefaßt ist das
nur nach hartem Kampfe gegen die offnen und die geheimen Anhänger Tiszas
und Bänffys im Abgeordnetenhause dnrchgebrachte Gesetz über die Unverein¬
barkeit des Maubads mit Stellungen, die eine Abhängigkeit des Abgeordneten
von der Regierung zur Folge haben. Durch die Verleihung oder Zuwendung
einträglicher Sinekuren war eben die politische Korruption großgezogen worden,
die das Ansehen der Volksvertretung auf das tiefste geschädigt hatte und die
Erwerbung eines Maubads zu einem Geschäft machte.


Ungarische Wahlen

Die von dem Nachfolger Kvlomnn Tiszas, von Graf Julius Szapärh
geleiteten Wahlen des Jahres 1892 waren, wenn nicht besser, so doch auch
nicht schlechter als die drei oder vier vorangegangnen. Aber Baron Desidcr
Bänsfy übertraf im Jahre 1896 alles bis dahin dagewesene an gewaltthätiger
Willkür und offen betriebner Wählerbestechung, Es galt ihm, die Bolkspartei
nicht emporkommen zu lassen und die ihr gesinnungsverwandte Ugrongruppe
der Unabhängigkeitspartci zu zertrümmern. Ein Anhänger der Regierungs¬
partei bekannte in offner Parlamentssitzung ohne Widerspruch zu erfahren,
daß der sich seiner eisernen Hand rühmende Ministerpräsident einen Wahlfonds
von vier Millionen Gulden zur Verfügung gehabt habe. Der mit den unerhörtesten
Mitteln errungne Wahlsieg, der dem Abgeordnetenhaus? eine blind gehorchende
Mehrheit geben sollte und auch gab, veranlaßte aber, daß die Oppositions¬
parteien die absolute Unmöglichkeit erkannten, in dem angeblich parlamenta¬
rischen Staate Ungarn irgend ein Ministerium auf gesetzmäßige Weise bei den
Wahlen zu stürzen. Und darum wurde bei der ersten sich darbietenden Ge¬
legenheit, bei der Verhandlung über den zwischen den beiden Staaten der
Monarchie zu erneuernden Ausgleich, die in Osterreich beim Kampfe gegen
die Sprachcnverordnungen als wirksam bewährte Waffe der Obstruktion er¬
griffen. Die gröblicher Vcrfassungsverletzuugen Bänffys drängten schließlich
auch die bessern Elemente der Regierungspartei zum Austritt, und so gelang
es schließlich, den Verächter von Recht, Gesetz und politischem Ausland zu
stürzen.

Der Hauptinhalt des Paktes, durch den die Obstruktion beseitigt und
Koloman Szell an die Spitze der Regierung gebracht wurde, bestand in der
Zusicherung von Garantien für die Freiheit und die Reinheit der Wahlen,
Der neue Ministerpräsident verkündete Recht, Gesetz und Gerechtigkeit als seine
leitenden Regierungsgrundsütze und hat sich nun schon im dritten Jahre im
großen und ganzen an sie gehalten, insbesondre bei den zahlreichen Nach¬
wahlen der Opposition keinen Grund zur Klage über ungehörigen Regierungs-
einfluß gegeben. Die bisher von Ausschüssen des Abgeordnetenhauses meist
auf das parteiischste ausgeübte Entscheidung über die Giltigkeit augefochtncr
Abgeordnetcnwahlen wurde dem obersten Gerichtshofe durch ein Gesetz über¬
tragen, das auch sonst wichtige Abänderungen des Wahlverfahrens verfügt,
leider aber auch die Gewährung von Fnhrlöhnen an die Wähler erlaubt und
dadurch der bisher zwar praktisch geübten aber doch gesetzlich verbotnen und
strafbaren Bestechung Thür und Thor geöffnet hat, strenger gefaßt ist das
nur nach hartem Kampfe gegen die offnen und die geheimen Anhänger Tiszas
und Bänffys im Abgeordnetenhause dnrchgebrachte Gesetz über die Unverein¬
barkeit des Maubads mit Stellungen, die eine Abhängigkeit des Abgeordneten
von der Regierung zur Folge haben. Durch die Verleihung oder Zuwendung
einträglicher Sinekuren war eben die politische Korruption großgezogen worden,
die das Ansehen der Volksvertretung auf das tiefste geschädigt hatte und die
Erwerbung eines Maubads zu einem Geschäft machte.


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[0491] Ungarische Wahlen Die von dem Nachfolger Kvlomnn Tiszas, von Graf Julius Szapärh geleiteten Wahlen des Jahres 1892 waren, wenn nicht besser, so doch auch nicht schlechter als die drei oder vier vorangegangnen. Aber Baron Desidcr Bänsfy übertraf im Jahre 1896 alles bis dahin dagewesene an gewaltthätiger Willkür und offen betriebner Wählerbestechung, Es galt ihm, die Bolkspartei nicht emporkommen zu lassen und die ihr gesinnungsverwandte Ugrongruppe der Unabhängigkeitspartci zu zertrümmern. Ein Anhänger der Regierungs¬ partei bekannte in offner Parlamentssitzung ohne Widerspruch zu erfahren, daß der sich seiner eisernen Hand rühmende Ministerpräsident einen Wahlfonds von vier Millionen Gulden zur Verfügung gehabt habe. Der mit den unerhörtesten Mitteln errungne Wahlsieg, der dem Abgeordnetenhaus? eine blind gehorchende Mehrheit geben sollte und auch gab, veranlaßte aber, daß die Oppositions¬ parteien die absolute Unmöglichkeit erkannten, in dem angeblich parlamenta¬ rischen Staate Ungarn irgend ein Ministerium auf gesetzmäßige Weise bei den Wahlen zu stürzen. Und darum wurde bei der ersten sich darbietenden Ge¬ legenheit, bei der Verhandlung über den zwischen den beiden Staaten der Monarchie zu erneuernden Ausgleich, die in Osterreich beim Kampfe gegen die Sprachcnverordnungen als wirksam bewährte Waffe der Obstruktion er¬ griffen. Die gröblicher Vcrfassungsverletzuugen Bänffys drängten schließlich auch die bessern Elemente der Regierungspartei zum Austritt, und so gelang es schließlich, den Verächter von Recht, Gesetz und politischem Ausland zu stürzen. Der Hauptinhalt des Paktes, durch den die Obstruktion beseitigt und Koloman Szell an die Spitze der Regierung gebracht wurde, bestand in der Zusicherung von Garantien für die Freiheit und die Reinheit der Wahlen, Der neue Ministerpräsident verkündete Recht, Gesetz und Gerechtigkeit als seine leitenden Regierungsgrundsütze und hat sich nun schon im dritten Jahre im großen und ganzen an sie gehalten, insbesondre bei den zahlreichen Nach¬ wahlen der Opposition keinen Grund zur Klage über ungehörigen Regierungs- einfluß gegeben. Die bisher von Ausschüssen des Abgeordnetenhauses meist auf das parteiischste ausgeübte Entscheidung über die Giltigkeit augefochtncr Abgeordnetcnwahlen wurde dem obersten Gerichtshofe durch ein Gesetz über¬ tragen, das auch sonst wichtige Abänderungen des Wahlverfahrens verfügt, leider aber auch die Gewährung von Fnhrlöhnen an die Wähler erlaubt und dadurch der bisher zwar praktisch geübten aber doch gesetzlich verbotnen und strafbaren Bestechung Thür und Thor geöffnet hat, strenger gefaßt ist das nur nach hartem Kampfe gegen die offnen und die geheimen Anhänger Tiszas und Bänffys im Abgeordnetenhause dnrchgebrachte Gesetz über die Unverein¬ barkeit des Maubads mit Stellungen, die eine Abhängigkeit des Abgeordneten von der Regierung zur Folge haben. Durch die Verleihung oder Zuwendung einträglicher Sinekuren war eben die politische Korruption großgezogen worden, die das Ansehen der Volksvertretung auf das tiefste geschädigt hatte und die Erwerbung eines Maubads zu einem Geschäft machte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/491>, abgerufen am 22.07.2024.