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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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stände schlecht besuchtes Konzert, Damals schrieb er von dort ans: "Es ist
alles Prahlerei, was mau von den Reichsstädten macht -- berühmt, bewundert
und beliebt bin ich hier gewiß; übrigens sind die Leute aber hier noch mehr
Pfenning-Fresser als in Wien,"

Als Hegel eine Hauslehrerstelle bei dem Frankfurter Kaufmann Gogel
angeboten war, schrieb ihn: sein Freund Hölderlin am 24, Oktober 1796:
"Du wirst an Herrn und Fran Gogel anspruchslose, unbefangne, vernünftige
Menschen finden, die, so viel sie Beruf zum geselligen Leben haben, durch ihre
Jovialität und ihren Reichthum, doch größtentheils sich selbst leben, weil sie und
besonders die Frau mit den Frankfurter Gesellschaftsmenschen und ihrer
Steifigkeit und Geist- und Herzcnsarmut nicht sich befassen und verunreinigen
und ihre häusliche Freude verderben mögen, Glaube mir, durch das Letztere
ist alles gesagt!" Auch damals scheinen die Frankfurter Hcmtevoleurs den
Beweis dafür erbracht zu haben, daß man steif und dabei unmanierlich, Formen-
mcusch und dabei ohne Formen sein kann. In dieser Stadt hieß es damals
wie heute: Wer Geld hat, der hat Bildung, Ganz kürzlich wurde uns die
Äußerung eines kleinen Mädchens aus einer der vornehmsten Frankfurter
Familien berichtet: "Mit Kindern, die im dritten Stock wohnen, Verkehre ich
nicht." Hölderlin war in seiner Stellung als Hofmeister im Gvntardschen
Hause (1795 bis 1798) genötigt, in den Kreisen zu verkehren, denen dieses
kleine Mädchen angehört; seine hierbei gemachten Erfahrungen teilt er im
April 1798 der Schwester mit: In Frankfurt sehe mau "wenig echte Meuscheu
ausgenommen, lauter ungeheure Karikaturen, Bei den meisten wirkt ihr
Reichthum wie bei den Bauern neuer Wein; dem? gerad so täppisch, schwindlig
grob und übermüthig sind sie," Trotz seiner Freundschaft mit der aus Ham¬
burg stammenden Frau Goulard, seiner Liebe zu den Goutardschen Kindern
und der für ihn beträchtlichen äußern Vorteile vermochte Hölderlin auf die
Dauer die Frankfurter Gesellschaft nicht zu ertragen; als er nach Homburg
vor der Höhe übergesiedelt war, wo er vom Hof und in der Gesellschaft aufs
freundlichste aufgenommen wurde, gab er der Mutter in folgendem den, Grund
seines Weggangs von Frankfurt an: "Der unhöfliche Stolz, die geflissentliche
tägliche Herabwürdigung aller Wissenschaft und aller Bildung, die Äusserungen,
daß die Hofmeister mich Bedienten wären, daß sie nichts besondres für sich
fordern könnten, weil man sie für das bezahlte, was sie thäten usw,, und
manches andre, was man nur, weils eben Ton in Frankfurt ist, so hinwarf."
Besonders schweren Herzens hatte Hölderlin seinen Zögling, den einzigen Sohn
des Gvntardschen Ehepaares, in Frankfurt a, M, zurückgelassen, weshalb er
später, im Jahre 180V, seine Freude darüber aussprach, daß der Knabe el "ein
Erziehungsinstitut in Hanau anvertraut worden war: "Es ist recht gut für
ihn, schrieb Hölderlin damals, daß er ans Frankfurt weg ist, wo jeder Tag
seine wahrhaft edle Natur wo nicht verdarb, doch entstellte,"

Ähnliche Wünsche hegte der berühmte Geograph Karl Ritter, der gleich¬
falls jahrelang in einen: vornehmen Frankfurter Hause, nämlich dem Holt-


stände schlecht besuchtes Konzert, Damals schrieb er von dort ans: „Es ist
alles Prahlerei, was mau von den Reichsstädten macht — berühmt, bewundert
und beliebt bin ich hier gewiß; übrigens sind die Leute aber hier noch mehr
Pfenning-Fresser als in Wien,"

Als Hegel eine Hauslehrerstelle bei dem Frankfurter Kaufmann Gogel
angeboten war, schrieb ihn: sein Freund Hölderlin am 24, Oktober 1796:
„Du wirst an Herrn und Fran Gogel anspruchslose, unbefangne, vernünftige
Menschen finden, die, so viel sie Beruf zum geselligen Leben haben, durch ihre
Jovialität und ihren Reichthum, doch größtentheils sich selbst leben, weil sie und
besonders die Frau mit den Frankfurter Gesellschaftsmenschen und ihrer
Steifigkeit und Geist- und Herzcnsarmut nicht sich befassen und verunreinigen
und ihre häusliche Freude verderben mögen, Glaube mir, durch das Letztere
ist alles gesagt!" Auch damals scheinen die Frankfurter Hcmtevoleurs den
Beweis dafür erbracht zu haben, daß man steif und dabei unmanierlich, Formen-
mcusch und dabei ohne Formen sein kann. In dieser Stadt hieß es damals
wie heute: Wer Geld hat, der hat Bildung, Ganz kürzlich wurde uns die
Äußerung eines kleinen Mädchens aus einer der vornehmsten Frankfurter
Familien berichtet: „Mit Kindern, die im dritten Stock wohnen, Verkehre ich
nicht." Hölderlin war in seiner Stellung als Hofmeister im Gvntardschen
Hause (1795 bis 1798) genötigt, in den Kreisen zu verkehren, denen dieses
kleine Mädchen angehört; seine hierbei gemachten Erfahrungen teilt er im
April 1798 der Schwester mit: In Frankfurt sehe mau „wenig echte Meuscheu
ausgenommen, lauter ungeheure Karikaturen, Bei den meisten wirkt ihr
Reichthum wie bei den Bauern neuer Wein; dem? gerad so täppisch, schwindlig
grob und übermüthig sind sie," Trotz seiner Freundschaft mit der aus Ham¬
burg stammenden Frau Goulard, seiner Liebe zu den Goutardschen Kindern
und der für ihn beträchtlichen äußern Vorteile vermochte Hölderlin auf die
Dauer die Frankfurter Gesellschaft nicht zu ertragen; als er nach Homburg
vor der Höhe übergesiedelt war, wo er vom Hof und in der Gesellschaft aufs
freundlichste aufgenommen wurde, gab er der Mutter in folgendem den, Grund
seines Weggangs von Frankfurt an: „Der unhöfliche Stolz, die geflissentliche
tägliche Herabwürdigung aller Wissenschaft und aller Bildung, die Äusserungen,
daß die Hofmeister mich Bedienten wären, daß sie nichts besondres für sich
fordern könnten, weil man sie für das bezahlte, was sie thäten usw,, und
manches andre, was man nur, weils eben Ton in Frankfurt ist, so hinwarf."
Besonders schweren Herzens hatte Hölderlin seinen Zögling, den einzigen Sohn
des Gvntardschen Ehepaares, in Frankfurt a, M, zurückgelassen, weshalb er
später, im Jahre 180V, seine Freude darüber aussprach, daß der Knabe el »ein
Erziehungsinstitut in Hanau anvertraut worden war: „Es ist recht gut für
ihn, schrieb Hölderlin damals, daß er ans Frankfurt weg ist, wo jeder Tag
seine wahrhaft edle Natur wo nicht verdarb, doch entstellte,"

Ähnliche Wünsche hegte der berühmte Geograph Karl Ritter, der gleich¬
falls jahrelang in einen: vornehmen Frankfurter Hause, nämlich dem Holt-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/472>, abgerufen am 22.07.2024.