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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Di": Ivohnimgs- und Lcidenpolitik in Großbtrlin

Benutzung des Bodens zur Benutzung als Bauland für einstöckige Eigenhäuser.
Es bedürfe namentlich auch nicht der auf begrifflichen Mißverständnissen be¬
ruhenden Theorie vom sogenannten "Bodenmonopol." Nach verbreiteter Auf¬
fassung liege schon in der Thatsache des Privatbesitzes an Grund und Boden
eine Monopolisierung. Das sei ein Irrtum. Unter Monopol habe man von
jeher die Vereinigung von Gütern bestimmter Art in einer Hand verstanden
zum Zweck der Beseitigung der Konkurrenz und zur Ermöglichung einer ein¬
seitigen Bestimmung des Preises. Danach würde also jedenfalls erst dann,
wenn von einzelnen Spekulanten große Bangelände aufgekauft würden, von
einer Monopolisierung gesprochen werden können, aber auch nur von einem
Anfang einer solchen. Denn niemals sei es zu einer völligen Beseitigung
der Konkurrenz gekommen, und selten sei ein Baulustiger auf eine bestimmte
Gegend angewiesen.

Der Verfasser würde sich ein Verdienst erwerben, wenn er die von Paul
Voigt begonnenen bodenstatistischen Studien ganz besonders mich in Rücksicht
auf die Beantwortung der Frage ergänzen wollte, wie weit es der Spekulation
zeitweise gelungen ist, zum Zweck der Monopolisierung das Bauland wirksam
mit Beschlag zu belegen. Nach unsrer Kenntnis der Lage bestehn darüber
gerade für Berlin vielfach ganz ungeheuer übertriebne Vorstellungen. Sogar
Ernst Engel hat sich vor achtundzwanzig Jahren durch die Ausschreitungen
der Spekulation zu Anfang der siebziger Jahre einmal zu der irrigen An¬
nahme verleiten lassen, bis zwei Meilen im Umkreis von Berlin sei damals
schon alles Land von Spekulanten aufgekauft und so thatsächlich monopolisiert
gewesen, und doch ist noch jetzt, fast dreißig Jahre später, davon gar keine
Rede, am allerwenigsten in den Vorortsgemarkungen, die für Arbeiter¬
wohnungen hauptsächlich in Betracht kommen. Nach allem, was darüber ge¬
schrieben ist, möchte man eher darüber erstaunen, wieviel Grundstücke hier selbst
an festgelegten und schon in Bebauung genommnen Straßen erkennbar noch
in der Hand der alten Besitzer oder ihrer Erben sind, die das Land schon vor
1870 landwirtschaftlich oder gärtnerisch benutzt haben.

Natürlich erkennt auch Andreas Voigt an, daß durch die Spekulation
eine Preissteigerung des Bodens herbeigeführt werden kann in Zeiten, wo aus
irgend welchen Gründen "eine übertriebne Meinung vom Bevölkerungszuwachs"
gehegt und dadurch das spekulative Kapital zu einer für den Augenblick weit¬
gehenden Nachfrage nach Bangrundstückcn veranlaßt werde. So sei nament¬
lich in Berlin in den siebziger Jahren der Bodenpreis auf eine "durch die
objektiven Verhältnisse, d. h. den Bedarf an Bauland und seine wirkliche
Rentabilität nicht gerechtfertigte Höhe" gestiegen. Man habe damals vor
allem das Tempo der Entwicklung, worauf es wegen der Zinsverluste des
unbebaut liegenden Landes besonders ankomme, bei weitem überschätzt. Die
Folge sei aber auch gewesen, daß diese Preise bald wieder gesunken wären,
sogar unter den normalen Stand, und erst in jahrzehntelanger Entwicklung
wieder allmählich ans die ehemalige Höhe emporgestiegen seien. Darin dürfe


Di«: Ivohnimgs- und Lcidenpolitik in Großbtrlin

Benutzung des Bodens zur Benutzung als Bauland für einstöckige Eigenhäuser.
Es bedürfe namentlich auch nicht der auf begrifflichen Mißverständnissen be¬
ruhenden Theorie vom sogenannten „Bodenmonopol." Nach verbreiteter Auf¬
fassung liege schon in der Thatsache des Privatbesitzes an Grund und Boden
eine Monopolisierung. Das sei ein Irrtum. Unter Monopol habe man von
jeher die Vereinigung von Gütern bestimmter Art in einer Hand verstanden
zum Zweck der Beseitigung der Konkurrenz und zur Ermöglichung einer ein¬
seitigen Bestimmung des Preises. Danach würde also jedenfalls erst dann,
wenn von einzelnen Spekulanten große Bangelände aufgekauft würden, von
einer Monopolisierung gesprochen werden können, aber auch nur von einem
Anfang einer solchen. Denn niemals sei es zu einer völligen Beseitigung
der Konkurrenz gekommen, und selten sei ein Baulustiger auf eine bestimmte
Gegend angewiesen.

Der Verfasser würde sich ein Verdienst erwerben, wenn er die von Paul
Voigt begonnenen bodenstatistischen Studien ganz besonders mich in Rücksicht
auf die Beantwortung der Frage ergänzen wollte, wie weit es der Spekulation
zeitweise gelungen ist, zum Zweck der Monopolisierung das Bauland wirksam
mit Beschlag zu belegen. Nach unsrer Kenntnis der Lage bestehn darüber
gerade für Berlin vielfach ganz ungeheuer übertriebne Vorstellungen. Sogar
Ernst Engel hat sich vor achtundzwanzig Jahren durch die Ausschreitungen
der Spekulation zu Anfang der siebziger Jahre einmal zu der irrigen An¬
nahme verleiten lassen, bis zwei Meilen im Umkreis von Berlin sei damals
schon alles Land von Spekulanten aufgekauft und so thatsächlich monopolisiert
gewesen, und doch ist noch jetzt, fast dreißig Jahre später, davon gar keine
Rede, am allerwenigsten in den Vorortsgemarkungen, die für Arbeiter¬
wohnungen hauptsächlich in Betracht kommen. Nach allem, was darüber ge¬
schrieben ist, möchte man eher darüber erstaunen, wieviel Grundstücke hier selbst
an festgelegten und schon in Bebauung genommnen Straßen erkennbar noch
in der Hand der alten Besitzer oder ihrer Erben sind, die das Land schon vor
1870 landwirtschaftlich oder gärtnerisch benutzt haben.

Natürlich erkennt auch Andreas Voigt an, daß durch die Spekulation
eine Preissteigerung des Bodens herbeigeführt werden kann in Zeiten, wo aus
irgend welchen Gründen „eine übertriebne Meinung vom Bevölkerungszuwachs"
gehegt und dadurch das spekulative Kapital zu einer für den Augenblick weit¬
gehenden Nachfrage nach Bangrundstückcn veranlaßt werde. So sei nament¬
lich in Berlin in den siebziger Jahren der Bodenpreis auf eine „durch die
objektiven Verhältnisse, d. h. den Bedarf an Bauland und seine wirkliche
Rentabilität nicht gerechtfertigte Höhe" gestiegen. Man habe damals vor
allem das Tempo der Entwicklung, worauf es wegen der Zinsverluste des
unbebaut liegenden Landes besonders ankomme, bei weitem überschätzt. Die
Folge sei aber auch gewesen, daß diese Preise bald wieder gesunken wären,
sogar unter den normalen Stand, und erst in jahrzehntelanger Entwicklung
wieder allmählich ans die ehemalige Höhe emporgestiegen seien. Darin dürfe


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[0455] Di«: Ivohnimgs- und Lcidenpolitik in Großbtrlin Benutzung des Bodens zur Benutzung als Bauland für einstöckige Eigenhäuser. Es bedürfe namentlich auch nicht der auf begrifflichen Mißverständnissen be¬ ruhenden Theorie vom sogenannten „Bodenmonopol." Nach verbreiteter Auf¬ fassung liege schon in der Thatsache des Privatbesitzes an Grund und Boden eine Monopolisierung. Das sei ein Irrtum. Unter Monopol habe man von jeher die Vereinigung von Gütern bestimmter Art in einer Hand verstanden zum Zweck der Beseitigung der Konkurrenz und zur Ermöglichung einer ein¬ seitigen Bestimmung des Preises. Danach würde also jedenfalls erst dann, wenn von einzelnen Spekulanten große Bangelände aufgekauft würden, von einer Monopolisierung gesprochen werden können, aber auch nur von einem Anfang einer solchen. Denn niemals sei es zu einer völligen Beseitigung der Konkurrenz gekommen, und selten sei ein Baulustiger auf eine bestimmte Gegend angewiesen. Der Verfasser würde sich ein Verdienst erwerben, wenn er die von Paul Voigt begonnenen bodenstatistischen Studien ganz besonders mich in Rücksicht auf die Beantwortung der Frage ergänzen wollte, wie weit es der Spekulation zeitweise gelungen ist, zum Zweck der Monopolisierung das Bauland wirksam mit Beschlag zu belegen. Nach unsrer Kenntnis der Lage bestehn darüber gerade für Berlin vielfach ganz ungeheuer übertriebne Vorstellungen. Sogar Ernst Engel hat sich vor achtundzwanzig Jahren durch die Ausschreitungen der Spekulation zu Anfang der siebziger Jahre einmal zu der irrigen An¬ nahme verleiten lassen, bis zwei Meilen im Umkreis von Berlin sei damals schon alles Land von Spekulanten aufgekauft und so thatsächlich monopolisiert gewesen, und doch ist noch jetzt, fast dreißig Jahre später, davon gar keine Rede, am allerwenigsten in den Vorortsgemarkungen, die für Arbeiter¬ wohnungen hauptsächlich in Betracht kommen. Nach allem, was darüber ge¬ schrieben ist, möchte man eher darüber erstaunen, wieviel Grundstücke hier selbst an festgelegten und schon in Bebauung genommnen Straßen erkennbar noch in der Hand der alten Besitzer oder ihrer Erben sind, die das Land schon vor 1870 landwirtschaftlich oder gärtnerisch benutzt haben. Natürlich erkennt auch Andreas Voigt an, daß durch die Spekulation eine Preissteigerung des Bodens herbeigeführt werden kann in Zeiten, wo aus irgend welchen Gründen „eine übertriebne Meinung vom Bevölkerungszuwachs" gehegt und dadurch das spekulative Kapital zu einer für den Augenblick weit¬ gehenden Nachfrage nach Bangrundstückcn veranlaßt werde. So sei nament¬ lich in Berlin in den siebziger Jahren der Bodenpreis auf eine „durch die objektiven Verhältnisse, d. h. den Bedarf an Bauland und seine wirkliche Rentabilität nicht gerechtfertigte Höhe" gestiegen. Man habe damals vor allem das Tempo der Entwicklung, worauf es wegen der Zinsverluste des unbebaut liegenden Landes besonders ankomme, bei weitem überschätzt. Die Folge sei aber auch gewesen, daß diese Preise bald wieder gesunken wären, sogar unter den normalen Stand, und erst in jahrzehntelanger Entwicklung wieder allmählich ans die ehemalige Höhe emporgestiegen seien. Darin dürfe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/455>, abgerufen am 22.07.2024.