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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Zur Umgestaltlmg der General- und der Spezialkommissionen

Thätigkeit und die Erweiterung ihrer Gebiete in der jüngsten Zeit zurückschauen.
Bevor mau also kühn an ihrer Organisation rüttelte, sollte man sich vorerst
mit der Zuordnung von praktischen Landwirten (im Gründe haben sie ja solche
schon in den Landesökonomieräten) als Beiräten begnügen, wie ihnen ja auch
ohne großes Aufsehen die schon genannten bau- und vermessungstechnischen
Mitglieder mit beratender Stimme zugeordnet worden sind. Oder hält man
die Juristen etwa für so verstockt, daß sie auf eine sachlich begründete Einrede
eines beratenden Mitgliedes kein Gewicht legen möchten?

Sollte aber ungeachtet ihres Widerstrebens die Regierung dem Ansturm
der Landesvertretung nicht dauernd widerstehn können, so wäre es doch
mindestens angezeigt, sich nach den Organisationen in den Mittel- und süd¬
deutschen") Staaten einmal näher umzusehen, denn auch der größere Staat kann
vom kleinern lernen. Wir finden z. B. in Hessen-Darmstadt zur Ausführung
des Feldbereinigungsgesetzes vom 28. September 1887 an Stelle der preu¬
ßischen Gencralkommission die Landeskommission mit administrativen und richter¬
lichen Funktionen. Diese besteht aus: a) vier ständigen Mitgliedern: 1. einem
Präsidenten, 2. einem Juristen, 3. einem landwirtschaftlich-technischen, 4. einem
kulturtechnischen Mitglied; b) drei nicht ständigen Mitgliedern. Diese sind
anerkannt tüchtige praktische Landwirte, die von den Provinzialausschüssen ge¬
wählt werden.

Die Spezialkommission der Zukunft denkt man sich nach den Kvm-
missionsverhandlungen zusammengesetzt aus dem Spezialkommissar, der Fachjurist
sein soll, und aus zwei vom Kreistag gewählten praktischen Landwirten. Diese
Kommission soll zusammentreten: bei der Vorlegung der Bouiticrung, bei der
Projektierung des Wege- und Grabennetzes, bei der Planprüfnng, bei der
Planvorlegung, bei der Prüfung der Planbeschwerden und Entscheidung über
diese und bei der Prüfung von Beschwerden über den Ausbau der Wege und
Gräben.

Die Kommission soll über alle Fragen kollegialisch beschließen und in
Streitsachen die Spruchbehörde erster Instanz sein.

Über die Wirkungsweise einer solchen Lvkalbehörde im einzelnen, über
ihre Zuständigkeit für alle Planstreite, ohne Grenze für das Streitobjekt, für
Fragen des öffentlichen Rechts u. dergl., herrschte unter den Abgeordneten
selbst die größte Unklarheit und Meinungsverschiedenheit.

Im allgemeinen geht aus den Kommissionsverhandlnngen hervor, daß
man sich in den Kreisen der Landwirte, die eine Vertretung in der Behörde
mit Stimmrecht für sich in Anspruch nehmen, die Geschäfte der Spezial¬
kommission viel einfacher vorstellt, als sie thatsächlich sind. Insbesondre hat
man nur sehr unklare Vorstellungen davon, wie bei den Zusammenlegungen
das Endprodukt, das Planprojekt eigentlich zustande kommt. Schon die



In Bayern Gesetz vom 29. Mai 18861 in Württemberg Gesetz vom 30, Mnrz 1886;
in Baden Gesetz vom 21. Mai 1886.
Zur Umgestaltlmg der General- und der Spezialkommissionen

Thätigkeit und die Erweiterung ihrer Gebiete in der jüngsten Zeit zurückschauen.
Bevor mau also kühn an ihrer Organisation rüttelte, sollte man sich vorerst
mit der Zuordnung von praktischen Landwirten (im Gründe haben sie ja solche
schon in den Landesökonomieräten) als Beiräten begnügen, wie ihnen ja auch
ohne großes Aufsehen die schon genannten bau- und vermessungstechnischen
Mitglieder mit beratender Stimme zugeordnet worden sind. Oder hält man
die Juristen etwa für so verstockt, daß sie auf eine sachlich begründete Einrede
eines beratenden Mitgliedes kein Gewicht legen möchten?

Sollte aber ungeachtet ihres Widerstrebens die Regierung dem Ansturm
der Landesvertretung nicht dauernd widerstehn können, so wäre es doch
mindestens angezeigt, sich nach den Organisationen in den Mittel- und süd¬
deutschen") Staaten einmal näher umzusehen, denn auch der größere Staat kann
vom kleinern lernen. Wir finden z. B. in Hessen-Darmstadt zur Ausführung
des Feldbereinigungsgesetzes vom 28. September 1887 an Stelle der preu¬
ßischen Gencralkommission die Landeskommission mit administrativen und richter¬
lichen Funktionen. Diese besteht aus: a) vier ständigen Mitgliedern: 1. einem
Präsidenten, 2. einem Juristen, 3. einem landwirtschaftlich-technischen, 4. einem
kulturtechnischen Mitglied; b) drei nicht ständigen Mitgliedern. Diese sind
anerkannt tüchtige praktische Landwirte, die von den Provinzialausschüssen ge¬
wählt werden.

Die Spezialkommission der Zukunft denkt man sich nach den Kvm-
missionsverhandlungen zusammengesetzt aus dem Spezialkommissar, der Fachjurist
sein soll, und aus zwei vom Kreistag gewählten praktischen Landwirten. Diese
Kommission soll zusammentreten: bei der Vorlegung der Bouiticrung, bei der
Projektierung des Wege- und Grabennetzes, bei der Planprüfnng, bei der
Planvorlegung, bei der Prüfung der Planbeschwerden und Entscheidung über
diese und bei der Prüfung von Beschwerden über den Ausbau der Wege und
Gräben.

Die Kommission soll über alle Fragen kollegialisch beschließen und in
Streitsachen die Spruchbehörde erster Instanz sein.

Über die Wirkungsweise einer solchen Lvkalbehörde im einzelnen, über
ihre Zuständigkeit für alle Planstreite, ohne Grenze für das Streitobjekt, für
Fragen des öffentlichen Rechts u. dergl., herrschte unter den Abgeordneten
selbst die größte Unklarheit und Meinungsverschiedenheit.

Im allgemeinen geht aus den Kommissionsverhandlnngen hervor, daß
man sich in den Kreisen der Landwirte, die eine Vertretung in der Behörde
mit Stimmrecht für sich in Anspruch nehmen, die Geschäfte der Spezial¬
kommission viel einfacher vorstellt, als sie thatsächlich sind. Insbesondre hat
man nur sehr unklare Vorstellungen davon, wie bei den Zusammenlegungen
das Endprodukt, das Planprojekt eigentlich zustande kommt. Schon die



In Bayern Gesetz vom 29. Mai 18861 in Württemberg Gesetz vom 30, Mnrz 1886;
in Baden Gesetz vom 21. Mai 1886.
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[0350] Zur Umgestaltlmg der General- und der Spezialkommissionen Thätigkeit und die Erweiterung ihrer Gebiete in der jüngsten Zeit zurückschauen. Bevor mau also kühn an ihrer Organisation rüttelte, sollte man sich vorerst mit der Zuordnung von praktischen Landwirten (im Gründe haben sie ja solche schon in den Landesökonomieräten) als Beiräten begnügen, wie ihnen ja auch ohne großes Aufsehen die schon genannten bau- und vermessungstechnischen Mitglieder mit beratender Stimme zugeordnet worden sind. Oder hält man die Juristen etwa für so verstockt, daß sie auf eine sachlich begründete Einrede eines beratenden Mitgliedes kein Gewicht legen möchten? Sollte aber ungeachtet ihres Widerstrebens die Regierung dem Ansturm der Landesvertretung nicht dauernd widerstehn können, so wäre es doch mindestens angezeigt, sich nach den Organisationen in den Mittel- und süd¬ deutschen") Staaten einmal näher umzusehen, denn auch der größere Staat kann vom kleinern lernen. Wir finden z. B. in Hessen-Darmstadt zur Ausführung des Feldbereinigungsgesetzes vom 28. September 1887 an Stelle der preu¬ ßischen Gencralkommission die Landeskommission mit administrativen und richter¬ lichen Funktionen. Diese besteht aus: a) vier ständigen Mitgliedern: 1. einem Präsidenten, 2. einem Juristen, 3. einem landwirtschaftlich-technischen, 4. einem kulturtechnischen Mitglied; b) drei nicht ständigen Mitgliedern. Diese sind anerkannt tüchtige praktische Landwirte, die von den Provinzialausschüssen ge¬ wählt werden. Die Spezialkommission der Zukunft denkt man sich nach den Kvm- missionsverhandlungen zusammengesetzt aus dem Spezialkommissar, der Fachjurist sein soll, und aus zwei vom Kreistag gewählten praktischen Landwirten. Diese Kommission soll zusammentreten: bei der Vorlegung der Bouiticrung, bei der Projektierung des Wege- und Grabennetzes, bei der Planprüfnng, bei der Planvorlegung, bei der Prüfung der Planbeschwerden und Entscheidung über diese und bei der Prüfung von Beschwerden über den Ausbau der Wege und Gräben. Die Kommission soll über alle Fragen kollegialisch beschließen und in Streitsachen die Spruchbehörde erster Instanz sein. Über die Wirkungsweise einer solchen Lvkalbehörde im einzelnen, über ihre Zuständigkeit für alle Planstreite, ohne Grenze für das Streitobjekt, für Fragen des öffentlichen Rechts u. dergl., herrschte unter den Abgeordneten selbst die größte Unklarheit und Meinungsverschiedenheit. Im allgemeinen geht aus den Kommissionsverhandlnngen hervor, daß man sich in den Kreisen der Landwirte, die eine Vertretung in der Behörde mit Stimmrecht für sich in Anspruch nehmen, die Geschäfte der Spezial¬ kommission viel einfacher vorstellt, als sie thatsächlich sind. Insbesondre hat man nur sehr unklare Vorstellungen davon, wie bei den Zusammenlegungen das Endprodukt, das Planprojekt eigentlich zustande kommt. Schon die In Bayern Gesetz vom 29. Mai 18861 in Württemberg Gesetz vom 30, Mnrz 1886; in Baden Gesetz vom 21. Mai 1886.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/350>, abgerufen am 22.07.2024.