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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Zur Umgestaltung der General- und der Spezialkommissionen

der Beamten aber stellt sich heraus, daß die Kosten für die ausgeübte Bau¬
aufsicht nicht auf die Staatskasse angewiesen werden können, weil das Gesetz
vom 1. April 1879 nur die Bildung der Genossenschaft regelt.

Es ist aber auch nicht von den Beamten zu verlangen, daß sie sich
aus Interesse für die Sache Kosten auferlegen; sie werden also wohl eine
Genossenschaft bilden, d. h. auf dem Papier, ob sie aber jemals in Wirk¬
samkeit tritt, dafür zu sorgen sind sie nach Lage der Gesetzgebung nicht
ohne weiteres berufen. Meliorationen als Nebengeschäft bei einer Zusammen¬
legung durchzuführen hat aber erst recht seine Bedenken, weil es eben ohne
gesetzliche Zwangsmittel gegen die Minderheit, ohne Zusammenschließung der
an der Melioration beteiligten Interessenten, ohne Wahl einer Vertretung
und ohne Bildung einer Meliorationskassc nicht möglich ist, dauernd wirksame
Einrichtungen zu schaffen. Daran können auch ein sehr schön ausgearbeitetes
Jnterimistikum des Kommissars und papierne Paragraphen im Nezcsse nichts
ändern.

Sehr häufig wird bei den Zusammenlegungen ein bedeutender Arbeits¬
aufwand für Melivrationsprojekte gemacht, die aus formalen Bedenken später
wieder aus dem Auseinandcrsetzungsplan verschwinden.

Es ist allenfalls möglich, eine Vewässerungsanlage, die schon vor der Um-
legung bestanden hat, zu erhalten, wenn die Boniteure den Boden so hoch ein¬
geschätzt haben, daß er ohne die Wäsfereinrichtung nicht zu dem eingeschätzten
Werte genutzt werden kann. In diesem besondern Falle gehören also die Be¬
wässerungsgräben zu den in den Gesetzen als nötig bezeichneten und müssen
von der Gesamtheit der Interessenten aufgebracht werden.*) Ist dagegen nur
die Möglichkeit vorhanden, durch Anlegung einer Drainage, Entwässerung
durch offne Gräben oder Bewässerung eine Bodenverbesserung zu erzielen,
so weigern sich meist die Boniteure, und zwar nicht mit Unrecht, die zu er¬
wartende Wertsteigerung bei der Einschätzung zu berücksichtigen, weil sie noch
nicht einmal wissen, in welcher Weise und in welchen: Umfang eine etwaige
Melioration projektiert und durchgeführt wird, ganz abgesehen davon, daß es
eine etwas heikle Sache ist, diese Wertsteigerung pro tnwro zu ermitteln.
Das Resultat ist also in der Regel, daß zusammenhängende, Meliorationen bei
den Zusammenlegungen überhaupt nicht ausgeführt werden.

Die Ernennung meliorationstechnisch geschulter Beamten und praktischer
Landwirte zu stimmberechtigten Mitgliedern der Generalkommissionen wird
also noch keineswegs einen Aufschwung in der Landeskultur bedeuten, sondern
zunächst müssen die dieser angelegten Fesseln fallen, und der Staat muß
durch Errichtung von Kreditanstalten die Beschaffung von Kapital für solche
Unternehmungen erleichtern. Diese letzte Forderung kann auch unbedenklich



") In den Erkenntnissen der Generalkommissionen begegnet man nicht selten der Ansicht,
daß Entwässerungsgräben keine Wcrtsteigerungen zur Folge hätten und darum ohne weiteres
zünden Folgeeinrichtungen gehörten, Bewässerungsgräben dagegen nicht.
Zur Umgestaltung der General- und der Spezialkommissionen

der Beamten aber stellt sich heraus, daß die Kosten für die ausgeübte Bau¬
aufsicht nicht auf die Staatskasse angewiesen werden können, weil das Gesetz
vom 1. April 1879 nur die Bildung der Genossenschaft regelt.

Es ist aber auch nicht von den Beamten zu verlangen, daß sie sich
aus Interesse für die Sache Kosten auferlegen; sie werden also wohl eine
Genossenschaft bilden, d. h. auf dem Papier, ob sie aber jemals in Wirk¬
samkeit tritt, dafür zu sorgen sind sie nach Lage der Gesetzgebung nicht
ohne weiteres berufen. Meliorationen als Nebengeschäft bei einer Zusammen¬
legung durchzuführen hat aber erst recht seine Bedenken, weil es eben ohne
gesetzliche Zwangsmittel gegen die Minderheit, ohne Zusammenschließung der
an der Melioration beteiligten Interessenten, ohne Wahl einer Vertretung
und ohne Bildung einer Meliorationskassc nicht möglich ist, dauernd wirksame
Einrichtungen zu schaffen. Daran können auch ein sehr schön ausgearbeitetes
Jnterimistikum des Kommissars und papierne Paragraphen im Nezcsse nichts
ändern.

Sehr häufig wird bei den Zusammenlegungen ein bedeutender Arbeits¬
aufwand für Melivrationsprojekte gemacht, die aus formalen Bedenken später
wieder aus dem Auseinandcrsetzungsplan verschwinden.

Es ist allenfalls möglich, eine Vewässerungsanlage, die schon vor der Um-
legung bestanden hat, zu erhalten, wenn die Boniteure den Boden so hoch ein¬
geschätzt haben, daß er ohne die Wäsfereinrichtung nicht zu dem eingeschätzten
Werte genutzt werden kann. In diesem besondern Falle gehören also die Be¬
wässerungsgräben zu den in den Gesetzen als nötig bezeichneten und müssen
von der Gesamtheit der Interessenten aufgebracht werden.*) Ist dagegen nur
die Möglichkeit vorhanden, durch Anlegung einer Drainage, Entwässerung
durch offne Gräben oder Bewässerung eine Bodenverbesserung zu erzielen,
so weigern sich meist die Boniteure, und zwar nicht mit Unrecht, die zu er¬
wartende Wertsteigerung bei der Einschätzung zu berücksichtigen, weil sie noch
nicht einmal wissen, in welcher Weise und in welchen: Umfang eine etwaige
Melioration projektiert und durchgeführt wird, ganz abgesehen davon, daß es
eine etwas heikle Sache ist, diese Wertsteigerung pro tnwro zu ermitteln.
Das Resultat ist also in der Regel, daß zusammenhängende, Meliorationen bei
den Zusammenlegungen überhaupt nicht ausgeführt werden.

Die Ernennung meliorationstechnisch geschulter Beamten und praktischer
Landwirte zu stimmberechtigten Mitgliedern der Generalkommissionen wird
also noch keineswegs einen Aufschwung in der Landeskultur bedeuten, sondern
zunächst müssen die dieser angelegten Fesseln fallen, und der Staat muß
durch Errichtung von Kreditanstalten die Beschaffung von Kapital für solche
Unternehmungen erleichtern. Diese letzte Forderung kann auch unbedenklich



") In den Erkenntnissen der Generalkommissionen begegnet man nicht selten der Ansicht,
daß Entwässerungsgräben keine Wcrtsteigerungen zur Folge hätten und darum ohne weiteres
zünden Folgeeinrichtungen gehörten, Bewässerungsgräben dagegen nicht.
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[0348] Zur Umgestaltung der General- und der Spezialkommissionen der Beamten aber stellt sich heraus, daß die Kosten für die ausgeübte Bau¬ aufsicht nicht auf die Staatskasse angewiesen werden können, weil das Gesetz vom 1. April 1879 nur die Bildung der Genossenschaft regelt. Es ist aber auch nicht von den Beamten zu verlangen, daß sie sich aus Interesse für die Sache Kosten auferlegen; sie werden also wohl eine Genossenschaft bilden, d. h. auf dem Papier, ob sie aber jemals in Wirk¬ samkeit tritt, dafür zu sorgen sind sie nach Lage der Gesetzgebung nicht ohne weiteres berufen. Meliorationen als Nebengeschäft bei einer Zusammen¬ legung durchzuführen hat aber erst recht seine Bedenken, weil es eben ohne gesetzliche Zwangsmittel gegen die Minderheit, ohne Zusammenschließung der an der Melioration beteiligten Interessenten, ohne Wahl einer Vertretung und ohne Bildung einer Meliorationskassc nicht möglich ist, dauernd wirksame Einrichtungen zu schaffen. Daran können auch ein sehr schön ausgearbeitetes Jnterimistikum des Kommissars und papierne Paragraphen im Nezcsse nichts ändern. Sehr häufig wird bei den Zusammenlegungen ein bedeutender Arbeits¬ aufwand für Melivrationsprojekte gemacht, die aus formalen Bedenken später wieder aus dem Auseinandcrsetzungsplan verschwinden. Es ist allenfalls möglich, eine Vewässerungsanlage, die schon vor der Um- legung bestanden hat, zu erhalten, wenn die Boniteure den Boden so hoch ein¬ geschätzt haben, daß er ohne die Wäsfereinrichtung nicht zu dem eingeschätzten Werte genutzt werden kann. In diesem besondern Falle gehören also die Be¬ wässerungsgräben zu den in den Gesetzen als nötig bezeichneten und müssen von der Gesamtheit der Interessenten aufgebracht werden.*) Ist dagegen nur die Möglichkeit vorhanden, durch Anlegung einer Drainage, Entwässerung durch offne Gräben oder Bewässerung eine Bodenverbesserung zu erzielen, so weigern sich meist die Boniteure, und zwar nicht mit Unrecht, die zu er¬ wartende Wertsteigerung bei der Einschätzung zu berücksichtigen, weil sie noch nicht einmal wissen, in welcher Weise und in welchen: Umfang eine etwaige Melioration projektiert und durchgeführt wird, ganz abgesehen davon, daß es eine etwas heikle Sache ist, diese Wertsteigerung pro tnwro zu ermitteln. Das Resultat ist also in der Regel, daß zusammenhängende, Meliorationen bei den Zusammenlegungen überhaupt nicht ausgeführt werden. Die Ernennung meliorationstechnisch geschulter Beamten und praktischer Landwirte zu stimmberechtigten Mitgliedern der Generalkommissionen wird also noch keineswegs einen Aufschwung in der Landeskultur bedeuten, sondern zunächst müssen die dieser angelegten Fesseln fallen, und der Staat muß durch Errichtung von Kreditanstalten die Beschaffung von Kapital für solche Unternehmungen erleichtern. Diese letzte Forderung kann auch unbedenklich ") In den Erkenntnissen der Generalkommissionen begegnet man nicht selten der Ansicht, daß Entwässerungsgräben keine Wcrtsteigerungen zur Folge hätten und darum ohne weiteres zünden Folgeeinrichtungen gehörten, Bewässerungsgräben dagegen nicht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/348>, abgerufen am 22.07.2024.