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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Meliorierung kleiner Gebiete, die die Grenzen einer Gemarkung nicht über¬
schreiten. Der Gesetzgeber hat sich jedenfalls nicht genügend klar gemacht,
welchen Apparat er mit diesem Gesetz in Bewegung setzt, um z. B, eine kleine
Drainage von wenig Hektaren gegen den Widerspruch eines Einzelnen durch¬
zusetzen! Es ist doch für den Praktiker, also den Nichtjuristeu nicht recht
verständlich, daß deswegen eine landesherrliche Verordnung herbeigeführt werden
muß (vergl. §§ 57 und 65). Noch wunderlicher wird die Sache dadurch, daß
eine spätere Abänderung des Statuts nur durch eine zweite landesherrliche
Verordnung in Kraft treten kann. Infolge dieser Sachlage sind nur sehr
wenig kleinere Unternehmungen (von etwa 10 bis 30 Hektaren), die in den
westlichen Provinzen die Regel sind, auf Grund dieses Gesetzes zustande ge¬
kommen.

Sollte es denn nicht genügen, wenn der Oberpräsident (Generalkonunission)
das Statut kleiner Unternehmungen (etwa bis zu 50 Hektaren) bestätigte, und
bei größern der Minister für Landwirtschaft? Warum läßt nun nicht den
Nachweis eines öffentlichen oder gemcinwirtschaftlichen Nutzens als Vor¬
bedingung für das Zustandekommen einer Genossenschaft fallen (§ 45)? An¬
statt von dem Antragsteller die Beschaffung der zu der Begründung des Antrags
nötigen Unterlagen zu verlangen G 75), oder ihm die auf die Vorarbeiten
verwandten baren Auslagen aufzuerlegen (ZZ 84 und 85), sollte der Staat
diese Kosten ohne weiteres übernehmen.

In dem Gesetz fehlt jegliche Bestimmung, die die Ausführung einer
Melioration nach deu amtlich geprüften Plänen regelte. Die Thätigkeit des
beamteten Technikers hört somit ans, sobald das Statut bestätigt ist, die
Genossenschaft also formell besteht. Daß hierdurch nicht der wirtschaftliche
Erfolg der Anlage gewährleistet ist, leuchtet wohl ohne weiteres ein.

Ein sehr großer Fehler des Gesetzes liegt ferner darin, daß es in keinerlei
Verbindung mit den Zusammenlegungen gebracht ist. Diese sind noch immer das
eigentliche Arbeitsfeld der meisten Generalkommissionen. Da aber Meliorationen
nach den bestehenden Zusammenlegungsgesetzen an sich nicht zum Hauptver-
fahrcn gehören (ausgenommen im Regierungsbezirk Wiesbaden nach dem Gesetz
vom 21. März 1887), andrerseits aber anerkannt ist, daß gerade Zusammen¬
legungen ohne die jetzt bestehenden gesetzlichen Hindernisse die geeignete Ge¬
legenheit zur Projektierung und Durchführung von Meliorationen bieten
würden, so hätte sich die Behandlung dieses Falles im Genossenschaftsgesctz
Wohl der Mühe verlohnt. Dieser Mangel einer gesetzlichen Grundlage für
Drainagen, Ent- und Bewässerungen bei den Zusammenlegungen hat schon zu
den größten Verwirrungen Anlaß gegeben. Die Bildung einer Genossenschaft
sei z. B. auf Grund des obigen Gesetzes vom 1. April 1879 mit vielen Um¬
stünden in die Wege geleitet, das Statut aber noch nicht bestätigt worden,
wegen der fehlenden landesherrlichen Verordnung. Inzwischen haben die
Beteiligten ans Ausführung der Anlagen gedrängt, und diese ist auch unter
Aufsicht der Spezialtommission erfolgt. Bei der Prüfung der Liquidationen


Meliorierung kleiner Gebiete, die die Grenzen einer Gemarkung nicht über¬
schreiten. Der Gesetzgeber hat sich jedenfalls nicht genügend klar gemacht,
welchen Apparat er mit diesem Gesetz in Bewegung setzt, um z. B, eine kleine
Drainage von wenig Hektaren gegen den Widerspruch eines Einzelnen durch¬
zusetzen! Es ist doch für den Praktiker, also den Nichtjuristeu nicht recht
verständlich, daß deswegen eine landesherrliche Verordnung herbeigeführt werden
muß (vergl. §§ 57 und 65). Noch wunderlicher wird die Sache dadurch, daß
eine spätere Abänderung des Statuts nur durch eine zweite landesherrliche
Verordnung in Kraft treten kann. Infolge dieser Sachlage sind nur sehr
wenig kleinere Unternehmungen (von etwa 10 bis 30 Hektaren), die in den
westlichen Provinzen die Regel sind, auf Grund dieses Gesetzes zustande ge¬
kommen.

Sollte es denn nicht genügen, wenn der Oberpräsident (Generalkonunission)
das Statut kleiner Unternehmungen (etwa bis zu 50 Hektaren) bestätigte, und
bei größern der Minister für Landwirtschaft? Warum läßt nun nicht den
Nachweis eines öffentlichen oder gemcinwirtschaftlichen Nutzens als Vor¬
bedingung für das Zustandekommen einer Genossenschaft fallen (§ 45)? An¬
statt von dem Antragsteller die Beschaffung der zu der Begründung des Antrags
nötigen Unterlagen zu verlangen G 75), oder ihm die auf die Vorarbeiten
verwandten baren Auslagen aufzuerlegen (ZZ 84 und 85), sollte der Staat
diese Kosten ohne weiteres übernehmen.

In dem Gesetz fehlt jegliche Bestimmung, die die Ausführung einer
Melioration nach deu amtlich geprüften Plänen regelte. Die Thätigkeit des
beamteten Technikers hört somit ans, sobald das Statut bestätigt ist, die
Genossenschaft also formell besteht. Daß hierdurch nicht der wirtschaftliche
Erfolg der Anlage gewährleistet ist, leuchtet wohl ohne weiteres ein.

Ein sehr großer Fehler des Gesetzes liegt ferner darin, daß es in keinerlei
Verbindung mit den Zusammenlegungen gebracht ist. Diese sind noch immer das
eigentliche Arbeitsfeld der meisten Generalkommissionen. Da aber Meliorationen
nach den bestehenden Zusammenlegungsgesetzen an sich nicht zum Hauptver-
fahrcn gehören (ausgenommen im Regierungsbezirk Wiesbaden nach dem Gesetz
vom 21. März 1887), andrerseits aber anerkannt ist, daß gerade Zusammen¬
legungen ohne die jetzt bestehenden gesetzlichen Hindernisse die geeignete Ge¬
legenheit zur Projektierung und Durchführung von Meliorationen bieten
würden, so hätte sich die Behandlung dieses Falles im Genossenschaftsgesctz
Wohl der Mühe verlohnt. Dieser Mangel einer gesetzlichen Grundlage für
Drainagen, Ent- und Bewässerungen bei den Zusammenlegungen hat schon zu
den größten Verwirrungen Anlaß gegeben. Die Bildung einer Genossenschaft
sei z. B. auf Grund des obigen Gesetzes vom 1. April 1879 mit vielen Um¬
stünden in die Wege geleitet, das Statut aber noch nicht bestätigt worden,
wegen der fehlenden landesherrlichen Verordnung. Inzwischen haben die
Beteiligten ans Ausführung der Anlagen gedrängt, und diese ist auch unter
Aufsicht der Spezialtommission erfolgt. Bei der Prüfung der Liquidationen


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[0347] Meliorierung kleiner Gebiete, die die Grenzen einer Gemarkung nicht über¬ schreiten. Der Gesetzgeber hat sich jedenfalls nicht genügend klar gemacht, welchen Apparat er mit diesem Gesetz in Bewegung setzt, um z. B, eine kleine Drainage von wenig Hektaren gegen den Widerspruch eines Einzelnen durch¬ zusetzen! Es ist doch für den Praktiker, also den Nichtjuristeu nicht recht verständlich, daß deswegen eine landesherrliche Verordnung herbeigeführt werden muß (vergl. §§ 57 und 65). Noch wunderlicher wird die Sache dadurch, daß eine spätere Abänderung des Statuts nur durch eine zweite landesherrliche Verordnung in Kraft treten kann. Infolge dieser Sachlage sind nur sehr wenig kleinere Unternehmungen (von etwa 10 bis 30 Hektaren), die in den westlichen Provinzen die Regel sind, auf Grund dieses Gesetzes zustande ge¬ kommen. Sollte es denn nicht genügen, wenn der Oberpräsident (Generalkonunission) das Statut kleiner Unternehmungen (etwa bis zu 50 Hektaren) bestätigte, und bei größern der Minister für Landwirtschaft? Warum läßt nun nicht den Nachweis eines öffentlichen oder gemcinwirtschaftlichen Nutzens als Vor¬ bedingung für das Zustandekommen einer Genossenschaft fallen (§ 45)? An¬ statt von dem Antragsteller die Beschaffung der zu der Begründung des Antrags nötigen Unterlagen zu verlangen G 75), oder ihm die auf die Vorarbeiten verwandten baren Auslagen aufzuerlegen (ZZ 84 und 85), sollte der Staat diese Kosten ohne weiteres übernehmen. In dem Gesetz fehlt jegliche Bestimmung, die die Ausführung einer Melioration nach deu amtlich geprüften Plänen regelte. Die Thätigkeit des beamteten Technikers hört somit ans, sobald das Statut bestätigt ist, die Genossenschaft also formell besteht. Daß hierdurch nicht der wirtschaftliche Erfolg der Anlage gewährleistet ist, leuchtet wohl ohne weiteres ein. Ein sehr großer Fehler des Gesetzes liegt ferner darin, daß es in keinerlei Verbindung mit den Zusammenlegungen gebracht ist. Diese sind noch immer das eigentliche Arbeitsfeld der meisten Generalkommissionen. Da aber Meliorationen nach den bestehenden Zusammenlegungsgesetzen an sich nicht zum Hauptver- fahrcn gehören (ausgenommen im Regierungsbezirk Wiesbaden nach dem Gesetz vom 21. März 1887), andrerseits aber anerkannt ist, daß gerade Zusammen¬ legungen ohne die jetzt bestehenden gesetzlichen Hindernisse die geeignete Ge¬ legenheit zur Projektierung und Durchführung von Meliorationen bieten würden, so hätte sich die Behandlung dieses Falles im Genossenschaftsgesctz Wohl der Mühe verlohnt. Dieser Mangel einer gesetzlichen Grundlage für Drainagen, Ent- und Bewässerungen bei den Zusammenlegungen hat schon zu den größten Verwirrungen Anlaß gegeben. Die Bildung einer Genossenschaft sei z. B. auf Grund des obigen Gesetzes vom 1. April 1879 mit vielen Um¬ stünden in die Wege geleitet, das Statut aber noch nicht bestätigt worden, wegen der fehlenden landesherrlichen Verordnung. Inzwischen haben die Beteiligten ans Ausführung der Anlagen gedrängt, und diese ist auch unter Aufsicht der Spezialtommission erfolgt. Bei der Prüfung der Liquidationen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/347>, abgerufen am 22.07.2024.