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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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vom Weltschöpfer selbst bestellte Leiter der Volkswirtschaft. > , . Es giebt keine ge¬
sunde nationale Wirtschaftspolitik, wenn darunter die Ergreifung von Maßnahmen
verstanden wird, die die inländische Arbeit gegenüber der mitwerbenden ausländischen
schlitzen oder begünstigen soll. Die Volkswirtschaft ist von Natur nicht national,
sondern international." Der Verfasser hat den Mut der Folgerichtigkeit; er ver¬
wirft nicht allein jede Art von Sozialismus, nicht allein die Schutzzölle, den Arbciter-
schutz und die Zwangsvcrsichernng der Arbeiter, sondern -- in milderer Form --
auch den Schulzwang und die Regelung des Schulwesens durch den Staat. Um
die Schrift zu kritisieren, müßten wir den Hauptinhalt der großen Bibliothek wieder¬
geben, in der die Ansichten der Smithinner und ihrer Gegner niedergelegt sind.
Wir erlauben uns nur die Frage: Aus welchem Grunde werden denn Schutzzölle
gefordert? Doch Wohl aus Eigennutz. Und wenn der Verfasser nur den indivi¬
duellen, aber nicht den kollektiven Eigennutz gelten lassen will -- ist es nicht natürlich,
daß sich Personen, die dasselbe Ziel verfolgen, mit einander Verbunden, und wäre
es nicht unnatürlich, sie daran hindern z" wollen? Ist der Staat etwas andres
als das Organ, das sich die Selbstsucht eiues ganzen Volkes zur Erreichung seiner
Zwecke geschaffen hat? Ganz konsequent, d. h. Anarchist, ist der Verfasser doch nicht;
er gesteht dem Staate das Recht zu, die "Wirtschnftsverhältnisse so weit durch Vor¬
schriften zu regeln, als die mit dieser Regelung verbundne Beeinträchtigung der
Einzelmenschen notwendig ist, um diese vor einer ihr sonst drohenden stärkern Be¬
einträchtigung zu bewahren." Ja, wie soll aber der Staat herauskriegen, was
notwendig ist und was nicht, wenn alle Gruppen der Bevölkerung ohne Ausnahme
unaufhörlich schreien: Mein Schutz ist notwendig, und schützt du mich nicht, so gehst
du selbst zu Grunde? Es bleibt ihm eben nichts übrig, als hier ein Maul und
dort ein Maul zu stopfen und in Ruhe abzuwarten, ob die Kollektivselbstsucht, der
er nachgegeben hat, das Richtige getroffen haben wird.

Wenn alle Menschen absolut vernünftig und dabei allwissend wären, so würde
ja jeder ungezwungen so handeln, wie es für ihn und für die Gesamtheit am besten
wäre, und so weit werde" wir nächstens sein, wenn wir Arnold Fischer glauben,
der in einer Zeit, die von manchen für die Zeit der reinen Unvernunft gehalten
wird, die tröstliche Botschaft verkündigt, daß nur im Begriff stehn, ins Zeitalter
der reinen Vernunft einzutreten. Sem 781 kleiugedruckte Seiten starkes Buch:
Die Entstehung des sozialen Problems (Rostock, C. I. E. Volckmann, 1897)
enthält so viel schätzbares Material aus allen Zweigen der Wissenschaft, daß man
es als Encyklopädie gebrauchen könnte, wenn der Stoff alphabetisch geordnet wäre.
Leider aber wird er sehr unordentlich unter einander geworfen und zu dem aus¬
sichtslosen Zweck vergeudet, die Leser zu überzeugen, daß sich alle Erscheinungen
des Menschenlebens ans einem einzigen Naturgesetz erklären lassen, das man so
formulieren kann: Die Lebenskraft unsers Planeten nimmt beständig ab; diese Ab¬
nahme zeigt sich im Übergange der Pflanzenwelt zur Tierwelt und der ältern zu
den jüngern Tiergeschlechtern, und sie wiederholt sich im Leben jedes Individuums.
Die abnehmende Lebenskraft wird durch zunehmende Vervollkommnung des Orga¬
nismus ausgeglichen. Im Menschen stellt sich dieser Prozeß dar als Übergang
vom Gefühlsleben zum Verstandesleben und von der Natur zur Kultur; in der
Kultur erreicht der Mensch durch Benutzung der Außenwelt die Sicherung des Daseins,
die ihm die eigne verminderte Lebenskraft nicht mehr zu gewähren vermag. Ein
geistreicher Gedanke, der anch ebenso geistreich wie mühsam durchgeführt wird, aber
aus einem einzigen noch so geistreichen Gedanken kann man eben die ganze Wirk¬
lichkeit nicht ableiten, ohne ihr Gewalt anzuthun. Die großartige Schlußkette läuft
denn auch zuletzt in die höhere Komik aus, indem unsre heutige Wirtschaft als die
Wirtschaft der reinen Vernunft, und der zuletzt in die Erscheinung getretne Stand,


vom Weltschöpfer selbst bestellte Leiter der Volkswirtschaft. > , . Es giebt keine ge¬
sunde nationale Wirtschaftspolitik, wenn darunter die Ergreifung von Maßnahmen
verstanden wird, die die inländische Arbeit gegenüber der mitwerbenden ausländischen
schlitzen oder begünstigen soll. Die Volkswirtschaft ist von Natur nicht national,
sondern international." Der Verfasser hat den Mut der Folgerichtigkeit; er ver¬
wirft nicht allein jede Art von Sozialismus, nicht allein die Schutzzölle, den Arbciter-
schutz und die Zwangsvcrsichernng der Arbeiter, sondern — in milderer Form —
auch den Schulzwang und die Regelung des Schulwesens durch den Staat. Um
die Schrift zu kritisieren, müßten wir den Hauptinhalt der großen Bibliothek wieder¬
geben, in der die Ansichten der Smithinner und ihrer Gegner niedergelegt sind.
Wir erlauben uns nur die Frage: Aus welchem Grunde werden denn Schutzzölle
gefordert? Doch Wohl aus Eigennutz. Und wenn der Verfasser nur den indivi¬
duellen, aber nicht den kollektiven Eigennutz gelten lassen will — ist es nicht natürlich,
daß sich Personen, die dasselbe Ziel verfolgen, mit einander Verbunden, und wäre
es nicht unnatürlich, sie daran hindern z» wollen? Ist der Staat etwas andres
als das Organ, das sich die Selbstsucht eiues ganzen Volkes zur Erreichung seiner
Zwecke geschaffen hat? Ganz konsequent, d. h. Anarchist, ist der Verfasser doch nicht;
er gesteht dem Staate das Recht zu, die „Wirtschnftsverhältnisse so weit durch Vor¬
schriften zu regeln, als die mit dieser Regelung verbundne Beeinträchtigung der
Einzelmenschen notwendig ist, um diese vor einer ihr sonst drohenden stärkern Be¬
einträchtigung zu bewahren." Ja, wie soll aber der Staat herauskriegen, was
notwendig ist und was nicht, wenn alle Gruppen der Bevölkerung ohne Ausnahme
unaufhörlich schreien: Mein Schutz ist notwendig, und schützt du mich nicht, so gehst
du selbst zu Grunde? Es bleibt ihm eben nichts übrig, als hier ein Maul und
dort ein Maul zu stopfen und in Ruhe abzuwarten, ob die Kollektivselbstsucht, der
er nachgegeben hat, das Richtige getroffen haben wird.

Wenn alle Menschen absolut vernünftig und dabei allwissend wären, so würde
ja jeder ungezwungen so handeln, wie es für ihn und für die Gesamtheit am besten
wäre, und so weit werde» wir nächstens sein, wenn wir Arnold Fischer glauben,
der in einer Zeit, die von manchen für die Zeit der reinen Unvernunft gehalten
wird, die tröstliche Botschaft verkündigt, daß nur im Begriff stehn, ins Zeitalter
der reinen Vernunft einzutreten. Sem 781 kleiugedruckte Seiten starkes Buch:
Die Entstehung des sozialen Problems (Rostock, C. I. E. Volckmann, 1897)
enthält so viel schätzbares Material aus allen Zweigen der Wissenschaft, daß man
es als Encyklopädie gebrauchen könnte, wenn der Stoff alphabetisch geordnet wäre.
Leider aber wird er sehr unordentlich unter einander geworfen und zu dem aus¬
sichtslosen Zweck vergeudet, die Leser zu überzeugen, daß sich alle Erscheinungen
des Menschenlebens ans einem einzigen Naturgesetz erklären lassen, das man so
formulieren kann: Die Lebenskraft unsers Planeten nimmt beständig ab; diese Ab¬
nahme zeigt sich im Übergange der Pflanzenwelt zur Tierwelt und der ältern zu
den jüngern Tiergeschlechtern, und sie wiederholt sich im Leben jedes Individuums.
Die abnehmende Lebenskraft wird durch zunehmende Vervollkommnung des Orga¬
nismus ausgeglichen. Im Menschen stellt sich dieser Prozeß dar als Übergang
vom Gefühlsleben zum Verstandesleben und von der Natur zur Kultur; in der
Kultur erreicht der Mensch durch Benutzung der Außenwelt die Sicherung des Daseins,
die ihm die eigne verminderte Lebenskraft nicht mehr zu gewähren vermag. Ein
geistreicher Gedanke, der anch ebenso geistreich wie mühsam durchgeführt wird, aber
aus einem einzigen noch so geistreichen Gedanken kann man eben die ganze Wirk¬
lichkeit nicht ableiten, ohne ihr Gewalt anzuthun. Die großartige Schlußkette läuft
denn auch zuletzt in die höhere Komik aus, indem unsre heutige Wirtschaft als die
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[0098] vom Weltschöpfer selbst bestellte Leiter der Volkswirtschaft. > , . Es giebt keine ge¬ sunde nationale Wirtschaftspolitik, wenn darunter die Ergreifung von Maßnahmen verstanden wird, die die inländische Arbeit gegenüber der mitwerbenden ausländischen schlitzen oder begünstigen soll. Die Volkswirtschaft ist von Natur nicht national, sondern international." Der Verfasser hat den Mut der Folgerichtigkeit; er ver¬ wirft nicht allein jede Art von Sozialismus, nicht allein die Schutzzölle, den Arbciter- schutz und die Zwangsvcrsichernng der Arbeiter, sondern — in milderer Form — auch den Schulzwang und die Regelung des Schulwesens durch den Staat. Um die Schrift zu kritisieren, müßten wir den Hauptinhalt der großen Bibliothek wieder¬ geben, in der die Ansichten der Smithinner und ihrer Gegner niedergelegt sind. Wir erlauben uns nur die Frage: Aus welchem Grunde werden denn Schutzzölle gefordert? Doch Wohl aus Eigennutz. Und wenn der Verfasser nur den indivi¬ duellen, aber nicht den kollektiven Eigennutz gelten lassen will — ist es nicht natürlich, daß sich Personen, die dasselbe Ziel verfolgen, mit einander Verbunden, und wäre es nicht unnatürlich, sie daran hindern z» wollen? Ist der Staat etwas andres als das Organ, das sich die Selbstsucht eiues ganzen Volkes zur Erreichung seiner Zwecke geschaffen hat? Ganz konsequent, d. h. Anarchist, ist der Verfasser doch nicht; er gesteht dem Staate das Recht zu, die „Wirtschnftsverhältnisse so weit durch Vor¬ schriften zu regeln, als die mit dieser Regelung verbundne Beeinträchtigung der Einzelmenschen notwendig ist, um diese vor einer ihr sonst drohenden stärkern Be¬ einträchtigung zu bewahren." Ja, wie soll aber der Staat herauskriegen, was notwendig ist und was nicht, wenn alle Gruppen der Bevölkerung ohne Ausnahme unaufhörlich schreien: Mein Schutz ist notwendig, und schützt du mich nicht, so gehst du selbst zu Grunde? Es bleibt ihm eben nichts übrig, als hier ein Maul und dort ein Maul zu stopfen und in Ruhe abzuwarten, ob die Kollektivselbstsucht, der er nachgegeben hat, das Richtige getroffen haben wird. Wenn alle Menschen absolut vernünftig und dabei allwissend wären, so würde ja jeder ungezwungen so handeln, wie es für ihn und für die Gesamtheit am besten wäre, und so weit werde» wir nächstens sein, wenn wir Arnold Fischer glauben, der in einer Zeit, die von manchen für die Zeit der reinen Unvernunft gehalten wird, die tröstliche Botschaft verkündigt, daß nur im Begriff stehn, ins Zeitalter der reinen Vernunft einzutreten. Sem 781 kleiugedruckte Seiten starkes Buch: Die Entstehung des sozialen Problems (Rostock, C. I. E. Volckmann, 1897) enthält so viel schätzbares Material aus allen Zweigen der Wissenschaft, daß man es als Encyklopädie gebrauchen könnte, wenn der Stoff alphabetisch geordnet wäre. Leider aber wird er sehr unordentlich unter einander geworfen und zu dem aus¬ sichtslosen Zweck vergeudet, die Leser zu überzeugen, daß sich alle Erscheinungen des Menschenlebens ans einem einzigen Naturgesetz erklären lassen, das man so formulieren kann: Die Lebenskraft unsers Planeten nimmt beständig ab; diese Ab¬ nahme zeigt sich im Übergange der Pflanzenwelt zur Tierwelt und der ältern zu den jüngern Tiergeschlechtern, und sie wiederholt sich im Leben jedes Individuums. Die abnehmende Lebenskraft wird durch zunehmende Vervollkommnung des Orga¬ nismus ausgeglichen. Im Menschen stellt sich dieser Prozeß dar als Übergang vom Gefühlsleben zum Verstandesleben und von der Natur zur Kultur; in der Kultur erreicht der Mensch durch Benutzung der Außenwelt die Sicherung des Daseins, die ihm die eigne verminderte Lebenskraft nicht mehr zu gewähren vermag. Ein geistreicher Gedanke, der anch ebenso geistreich wie mühsam durchgeführt wird, aber aus einem einzigen noch so geistreichen Gedanken kann man eben die ganze Wirk¬ lichkeit nicht ableiten, ohne ihr Gewalt anzuthun. Die großartige Schlußkette läuft denn auch zuletzt in die höhere Komik aus, indem unsre heutige Wirtschaft als die Wirtschaft der reinen Vernunft, und der zuletzt in die Erscheinung getretne Stand,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/98>, abgerufen am 02.07.2024.