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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Thomas Babington Macaulay

der Darstellung finden wir auch bei Maenulah selbst. Wenn Thukudides den
Hauptpersonen seiner Geschichte Reden in den Mund legt, um ihre Gesinnungen
und die Triebfeder ihres Handelns anschaulich zu machen, so verfährt der eng¬
lische Historiker in ähnlicher Weise; nur die Form ist eigentlich anders und
zeigt die wesentlichen Zuge der politischen Debatte. Statt der Reden finden
wir lauge, eifernde und lebhafte Erörterungen, in denen Macaulay die ver-
schiednen Parteien ihren Standpunkt einer Streitfrage gegenüber vertreten läßt;
und er thut das fast nie, ohne nicht auch seine eigne Ansicht zu begründen.
Ein sehr bezeichnendes Beispiel dafür ist die Auseinandersetzung in Kapitel 14
seiner Geschichte über die Spaltung in der hochkirchlichen Partei, die über die
Frage entstanden war, ob Wilhelm III. der Treueid zu leisten sei oder nicht.

Macaulay blieb aber nicht einfaches Mitglied des Unterhauses, er hatte
1839 bis 1841 Sitz und Stimme im Kabinett, und 1846 bis 1847 war er
?g>?mastör General ok tue ^rin?. Diese Zeit war nicht verloren für den
Historiker. So manches Wort seiner Mög^s und seiner Historzf wäre nicht
oder wäre anders geschrieben worden, wäre er nicht auch einmal einer der
Machthaber gewesen. Ich rechne dazu z. B. die feine Auseinandersetzung
darüber, welche Gründe wohl Bude, den Minister und Liebling Georgs III.,
im Jahre 1763 bestimmt haben, von seinem Amt zurückzutreten. Dieser Rück¬
tritt war allen überraschend gekommen, und zwanzig verschiedne Erklärungen
für diesen seltsamen Schritt wurden angegeben. Maeaulah äußert sich so
darüber: "Die Wahrscheinlichkeit ist, daß Bildes Verhalten bei dieser Gelegen¬
heit wie das der meisten Menschen in den meisten Fällen von verschieden¬
artigen Beweggründen zugleich bestimmt wurde. Wir vermuten, daß er seines
Amts überdrüssig war; denn dies ist ein Gefühl, das bei Ministern weit
häufiger ist als Leute, die die Amtswelt nur von weitem sehen, zu glauben
geneigt sind; und nichts konnte natürlicher sein, als daß sich dieses Gefühl
Butes bemächtigte." Er setzt dann auseinander, wie der Staatsmann im all¬
gemeinen den Ministerposten allmählich erklimmt, und zu der Zeit, wo der
höchste Punkt erreicht wird, hat er sich an Mühen und Schmähungen längst
gewöhnt. Er bleibt bei seinein Beruf als Staatsmann trotz aller Unannehm¬
lichkeiten, anfangs wegen der Hoffnung auf die Erhöhung und schließlich aus
Gewohnheit. Es war anders mit Bude. An dem Tage, an dein er Politiker
wurde, wurde er auch Minister und einige Monate später sogar Premier¬
minister. "Kein Trugbild blieb, das ihn weiterlocken konnte. Er hatte sich
übersättigt mit den Freuden, die der Ehrgeiz gewährt, bevor er reif geworden
war für die Schmerzen, die er bringt. Er hatte sein achtundvierzigstes Jahr
in würdevoller Behaglichkeit erreicht, ohne ans persönlicher Erfahrung zu
wissen, was es heißt, verhöhnt und verlästert zu werden." (Karl ok eimtlmm,
1188^8 5, 209 ff.)

Nicht zum wenigsten aber hat diese Thätigkeit im Parlament, im indischen
Staatsrat und im Kabinett dazu beigetragen, die Anschauungen des Politikers
Macaulay zu festige", zu klären und seinen Gesichtskreis zu erweitern. Ver-


Thomas Babington Macaulay

der Darstellung finden wir auch bei Maenulah selbst. Wenn Thukudides den
Hauptpersonen seiner Geschichte Reden in den Mund legt, um ihre Gesinnungen
und die Triebfeder ihres Handelns anschaulich zu machen, so verfährt der eng¬
lische Historiker in ähnlicher Weise; nur die Form ist eigentlich anders und
zeigt die wesentlichen Zuge der politischen Debatte. Statt der Reden finden
wir lauge, eifernde und lebhafte Erörterungen, in denen Macaulay die ver-
schiednen Parteien ihren Standpunkt einer Streitfrage gegenüber vertreten läßt;
und er thut das fast nie, ohne nicht auch seine eigne Ansicht zu begründen.
Ein sehr bezeichnendes Beispiel dafür ist die Auseinandersetzung in Kapitel 14
seiner Geschichte über die Spaltung in der hochkirchlichen Partei, die über die
Frage entstanden war, ob Wilhelm III. der Treueid zu leisten sei oder nicht.

Macaulay blieb aber nicht einfaches Mitglied des Unterhauses, er hatte
1839 bis 1841 Sitz und Stimme im Kabinett, und 1846 bis 1847 war er
?g>?mastör General ok tue ^rin?. Diese Zeit war nicht verloren für den
Historiker. So manches Wort seiner Mög^s und seiner Historzf wäre nicht
oder wäre anders geschrieben worden, wäre er nicht auch einmal einer der
Machthaber gewesen. Ich rechne dazu z. B. die feine Auseinandersetzung
darüber, welche Gründe wohl Bude, den Minister und Liebling Georgs III.,
im Jahre 1763 bestimmt haben, von seinem Amt zurückzutreten. Dieser Rück¬
tritt war allen überraschend gekommen, und zwanzig verschiedne Erklärungen
für diesen seltsamen Schritt wurden angegeben. Maeaulah äußert sich so
darüber: „Die Wahrscheinlichkeit ist, daß Bildes Verhalten bei dieser Gelegen¬
heit wie das der meisten Menschen in den meisten Fällen von verschieden¬
artigen Beweggründen zugleich bestimmt wurde. Wir vermuten, daß er seines
Amts überdrüssig war; denn dies ist ein Gefühl, das bei Ministern weit
häufiger ist als Leute, die die Amtswelt nur von weitem sehen, zu glauben
geneigt sind; und nichts konnte natürlicher sein, als daß sich dieses Gefühl
Butes bemächtigte." Er setzt dann auseinander, wie der Staatsmann im all¬
gemeinen den Ministerposten allmählich erklimmt, und zu der Zeit, wo der
höchste Punkt erreicht wird, hat er sich an Mühen und Schmähungen längst
gewöhnt. Er bleibt bei seinein Beruf als Staatsmann trotz aller Unannehm¬
lichkeiten, anfangs wegen der Hoffnung auf die Erhöhung und schließlich aus
Gewohnheit. Es war anders mit Bude. An dem Tage, an dein er Politiker
wurde, wurde er auch Minister und einige Monate später sogar Premier¬
minister. „Kein Trugbild blieb, das ihn weiterlocken konnte. Er hatte sich
übersättigt mit den Freuden, die der Ehrgeiz gewährt, bevor er reif geworden
war für die Schmerzen, die er bringt. Er hatte sein achtundvierzigstes Jahr
in würdevoller Behaglichkeit erreicht, ohne ans persönlicher Erfahrung zu
wissen, was es heißt, verhöhnt und verlästert zu werden." (Karl ok eimtlmm,
1188^8 5, 209 ff.)

Nicht zum wenigsten aber hat diese Thätigkeit im Parlament, im indischen
Staatsrat und im Kabinett dazu beigetragen, die Anschauungen des Politikers
Macaulay zu festige», zu klären und seinen Gesichtskreis zu erweitern. Ver-


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[0091] Thomas Babington Macaulay der Darstellung finden wir auch bei Maenulah selbst. Wenn Thukudides den Hauptpersonen seiner Geschichte Reden in den Mund legt, um ihre Gesinnungen und die Triebfeder ihres Handelns anschaulich zu machen, so verfährt der eng¬ lische Historiker in ähnlicher Weise; nur die Form ist eigentlich anders und zeigt die wesentlichen Zuge der politischen Debatte. Statt der Reden finden wir lauge, eifernde und lebhafte Erörterungen, in denen Macaulay die ver- schiednen Parteien ihren Standpunkt einer Streitfrage gegenüber vertreten läßt; und er thut das fast nie, ohne nicht auch seine eigne Ansicht zu begründen. Ein sehr bezeichnendes Beispiel dafür ist die Auseinandersetzung in Kapitel 14 seiner Geschichte über die Spaltung in der hochkirchlichen Partei, die über die Frage entstanden war, ob Wilhelm III. der Treueid zu leisten sei oder nicht. Macaulay blieb aber nicht einfaches Mitglied des Unterhauses, er hatte 1839 bis 1841 Sitz und Stimme im Kabinett, und 1846 bis 1847 war er ?g>?mastör General ok tue ^rin?. Diese Zeit war nicht verloren für den Historiker. So manches Wort seiner Mög^s und seiner Historzf wäre nicht oder wäre anders geschrieben worden, wäre er nicht auch einmal einer der Machthaber gewesen. Ich rechne dazu z. B. die feine Auseinandersetzung darüber, welche Gründe wohl Bude, den Minister und Liebling Georgs III., im Jahre 1763 bestimmt haben, von seinem Amt zurückzutreten. Dieser Rück¬ tritt war allen überraschend gekommen, und zwanzig verschiedne Erklärungen für diesen seltsamen Schritt wurden angegeben. Maeaulah äußert sich so darüber: „Die Wahrscheinlichkeit ist, daß Bildes Verhalten bei dieser Gelegen¬ heit wie das der meisten Menschen in den meisten Fällen von verschieden¬ artigen Beweggründen zugleich bestimmt wurde. Wir vermuten, daß er seines Amts überdrüssig war; denn dies ist ein Gefühl, das bei Ministern weit häufiger ist als Leute, die die Amtswelt nur von weitem sehen, zu glauben geneigt sind; und nichts konnte natürlicher sein, als daß sich dieses Gefühl Butes bemächtigte." Er setzt dann auseinander, wie der Staatsmann im all¬ gemeinen den Ministerposten allmählich erklimmt, und zu der Zeit, wo der höchste Punkt erreicht wird, hat er sich an Mühen und Schmähungen längst gewöhnt. Er bleibt bei seinein Beruf als Staatsmann trotz aller Unannehm¬ lichkeiten, anfangs wegen der Hoffnung auf die Erhöhung und schließlich aus Gewohnheit. Es war anders mit Bude. An dem Tage, an dein er Politiker wurde, wurde er auch Minister und einige Monate später sogar Premier¬ minister. „Kein Trugbild blieb, das ihn weiterlocken konnte. Er hatte sich übersättigt mit den Freuden, die der Ehrgeiz gewährt, bevor er reif geworden war für die Schmerzen, die er bringt. Er hatte sein achtundvierzigstes Jahr in würdevoller Behaglichkeit erreicht, ohne ans persönlicher Erfahrung zu wissen, was es heißt, verhöhnt und verlästert zu werden." (Karl ok eimtlmm, 1188^8 5, 209 ff.) Nicht zum wenigsten aber hat diese Thätigkeit im Parlament, im indischen Staatsrat und im Kabinett dazu beigetragen, die Anschauungen des Politikers Macaulay zu festige», zu klären und seinen Gesichtskreis zu erweitern. Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/91>, abgerufen am 02.07.2024.