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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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aufgestellt werden, das vermag weder die Staatsaufsicht noch ein Gesetz zu
verhindern, auch wenn der Strafrichter dagegen einschreitet. Derartige Ver¬
gehungen sind auch bei den Spielhagenbankeu vorgekommen. Es sind deshalb
die Leiter in Haft genommen. Diese Gesetzesverletzungen oder Vergehen sollten
hier nicht weiter erörtert werden, sondern nur die Gesetzesumgehungen, d. h. die
Maßnahmen, die man zwar mit dem Buchstaben des Gesetzes noch vereinbaren
kann, die aber seinein Geiste schnurstracks entgegenlaufen.

Die verhafteten Leiter der Spielhagenbankeu mögen sich zunächst mit den
Gesetzesumgehungen begnügt haben, d. h. damit, dem Gesetze ein Schnippchen
zu schlagen, sie sind jedoch dabei nicht stehn geblieben, sondern aus der ab¬
schüssigen Bahn weiter hinabgeglitten n"d haben sich schließlich durch die Macht
der Verhältnisse fortreißen lassen, Verbrecher zu werden, falsche Buchungen
vorzunehmen, unrichtige Bilanzen aufzustellen und Gewinne herauszurechnen,
wo Verluste waren. Ein Keil treibt eben deu andern. Wer von dem rechten
Wege abweicht, wird beim ersten Schritte nicht stehn bleiben, oft auch nicht
stehn bleiben können. Derartigem Versuchungen werden die Hypothekenbanken
immer ausgesetzt sein, die sich nicht mit dem soliden oder wohlfundierten
Hypothekenbank- oder Pfandbriefgeschäft allein begnügen, sondern auch Bau¬
stellen beleihen, Baugelder hergeben und Gewinn noch auf andre Weise an
der Börse suchen. Man beseitige diese Versuchungen, erlaube diese Geschäfte
nicht mehr den Hypothekenbanken, und sie werden gesünder werden.


Georg Baumert


Wohnungs- und Bodenpolitik
(Schluß)

eher Stadt und Land im neunzehnten Jahrhundert sagt Schmolk er
in seinem im vorigen Jahr erschienenen Grundriß der allge¬
meinen Volkswirtschaftslehre, die neuere Zeit habe, wie für die
städtische Entwicklung, so für das ganze Siedlungswesen andre
Bedingungen geschaffen. Zunächst Hütten sich die Verkehrsmittel
ausgebildet wie niemals früher: die Post im sechzehnten und siebzehnten Jahr¬
hundert, die Kanäle im achtzehnten, die Chausseen und Vizinalwege in der
ersten .Hälfte, die Eisenbahnen und Telegraphen in der zweiten Hälfte des
neunzehnten Jahrhunderts; dazu sei die Entwicklung der modernen Technik
gekommen, die zunächst gewisse gewerbtreibende Städte außerordentlich rasch
gehoben habe. Ebenso einflußreich seien die allenthalben erfolgende Aufrich¬
tung festerer staatlicher Gewalten auf viel größern Gebieten, einer geordneten
Polizei, eines freien Verkehrs innerhalb der Staaten gewesen. Im neunzehnten


rvohnungs. und Bodenpolitik

aufgestellt werden, das vermag weder die Staatsaufsicht noch ein Gesetz zu
verhindern, auch wenn der Strafrichter dagegen einschreitet. Derartige Ver¬
gehungen sind auch bei den Spielhagenbankeu vorgekommen. Es sind deshalb
die Leiter in Haft genommen. Diese Gesetzesverletzungen oder Vergehen sollten
hier nicht weiter erörtert werden, sondern nur die Gesetzesumgehungen, d. h. die
Maßnahmen, die man zwar mit dem Buchstaben des Gesetzes noch vereinbaren
kann, die aber seinein Geiste schnurstracks entgegenlaufen.

Die verhafteten Leiter der Spielhagenbankeu mögen sich zunächst mit den
Gesetzesumgehungen begnügt haben, d. h. damit, dem Gesetze ein Schnippchen
zu schlagen, sie sind jedoch dabei nicht stehn geblieben, sondern aus der ab¬
schüssigen Bahn weiter hinabgeglitten n»d haben sich schließlich durch die Macht
der Verhältnisse fortreißen lassen, Verbrecher zu werden, falsche Buchungen
vorzunehmen, unrichtige Bilanzen aufzustellen und Gewinne herauszurechnen,
wo Verluste waren. Ein Keil treibt eben deu andern. Wer von dem rechten
Wege abweicht, wird beim ersten Schritte nicht stehn bleiben, oft auch nicht
stehn bleiben können. Derartigem Versuchungen werden die Hypothekenbanken
immer ausgesetzt sein, die sich nicht mit dem soliden oder wohlfundierten
Hypothekenbank- oder Pfandbriefgeschäft allein begnügen, sondern auch Bau¬
stellen beleihen, Baugelder hergeben und Gewinn noch auf andre Weise an
der Börse suchen. Man beseitige diese Versuchungen, erlaube diese Geschäfte
nicht mehr den Hypothekenbanken, und sie werden gesünder werden.


Georg Baumert


Wohnungs- und Bodenpolitik
(Schluß)

eher Stadt und Land im neunzehnten Jahrhundert sagt Schmolk er
in seinem im vorigen Jahr erschienenen Grundriß der allge¬
meinen Volkswirtschaftslehre, die neuere Zeit habe, wie für die
städtische Entwicklung, so für das ganze Siedlungswesen andre
Bedingungen geschaffen. Zunächst Hütten sich die Verkehrsmittel
ausgebildet wie niemals früher: die Post im sechzehnten und siebzehnten Jahr¬
hundert, die Kanäle im achtzehnten, die Chausseen und Vizinalwege in der
ersten .Hälfte, die Eisenbahnen und Telegraphen in der zweiten Hälfte des
neunzehnten Jahrhunderts; dazu sei die Entwicklung der modernen Technik
gekommen, die zunächst gewisse gewerbtreibende Städte außerordentlich rasch
gehoben habe. Ebenso einflußreich seien die allenthalben erfolgende Aufrich¬
tung festerer staatlicher Gewalten auf viel größern Gebieten, einer geordneten
Polizei, eines freien Verkehrs innerhalb der Staaten gewesen. Im neunzehnten


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[0591] rvohnungs. und Bodenpolitik aufgestellt werden, das vermag weder die Staatsaufsicht noch ein Gesetz zu verhindern, auch wenn der Strafrichter dagegen einschreitet. Derartige Ver¬ gehungen sind auch bei den Spielhagenbankeu vorgekommen. Es sind deshalb die Leiter in Haft genommen. Diese Gesetzesverletzungen oder Vergehen sollten hier nicht weiter erörtert werden, sondern nur die Gesetzesumgehungen, d. h. die Maßnahmen, die man zwar mit dem Buchstaben des Gesetzes noch vereinbaren kann, die aber seinein Geiste schnurstracks entgegenlaufen. Die verhafteten Leiter der Spielhagenbankeu mögen sich zunächst mit den Gesetzesumgehungen begnügt haben, d. h. damit, dem Gesetze ein Schnippchen zu schlagen, sie sind jedoch dabei nicht stehn geblieben, sondern aus der ab¬ schüssigen Bahn weiter hinabgeglitten n»d haben sich schließlich durch die Macht der Verhältnisse fortreißen lassen, Verbrecher zu werden, falsche Buchungen vorzunehmen, unrichtige Bilanzen aufzustellen und Gewinne herauszurechnen, wo Verluste waren. Ein Keil treibt eben deu andern. Wer von dem rechten Wege abweicht, wird beim ersten Schritte nicht stehn bleiben, oft auch nicht stehn bleiben können. Derartigem Versuchungen werden die Hypothekenbanken immer ausgesetzt sein, die sich nicht mit dem soliden oder wohlfundierten Hypothekenbank- oder Pfandbriefgeschäft allein begnügen, sondern auch Bau¬ stellen beleihen, Baugelder hergeben und Gewinn noch auf andre Weise an der Börse suchen. Man beseitige diese Versuchungen, erlaube diese Geschäfte nicht mehr den Hypothekenbanken, und sie werden gesünder werden. Georg Baumert Wohnungs- und Bodenpolitik (Schluß) eher Stadt und Land im neunzehnten Jahrhundert sagt Schmolk er in seinem im vorigen Jahr erschienenen Grundriß der allge¬ meinen Volkswirtschaftslehre, die neuere Zeit habe, wie für die städtische Entwicklung, so für das ganze Siedlungswesen andre Bedingungen geschaffen. Zunächst Hütten sich die Verkehrsmittel ausgebildet wie niemals früher: die Post im sechzehnten und siebzehnten Jahr¬ hundert, die Kanäle im achtzehnten, die Chausseen und Vizinalwege in der ersten .Hälfte, die Eisenbahnen und Telegraphen in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts; dazu sei die Entwicklung der modernen Technik gekommen, die zunächst gewisse gewerbtreibende Städte außerordentlich rasch gehoben habe. Ebenso einflußreich seien die allenthalben erfolgende Aufrich¬ tung festerer staatlicher Gewalten auf viel größern Gebieten, einer geordneten Polizei, eines freien Verkehrs innerhalb der Staaten gewesen. Im neunzehnten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/591>, abgerufen am 22.07.2024.