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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Die Spiclhageul'arten und ihre Gesetzesuingcliuiigcn

bringen jedoch keine Ertrüge, und auch leerstehende Häuser nicht. Die Tochter¬
gesellschaft lieh sich deshalb Geld von der Muttergesellschaft, der Preußischen
Hypvthekenaktienbank, um an diese die Zinsen zu zahlen. Natürlich brauchte
man nicht deshalb das Geld als Darlehn hinzutragen und als Zinsen wieder
abzuholen, sondern man nahm einfach die nötigen Buchungen vor, und damit
waren die Zinsen berichtigt. So zahlte die Preußische Hypothckenaktienbank
in Wirklichkeit die Zinsen an sich selbst, oder noch zutreffender, die Hypotheken¬
bank besaß in Wirklichkeit die Terrains selbst und mußte, da diese keine Er¬
träge abwarfen, die Zinsen für die Pfandbriefe in irgend einer andern Weise
decken. Dies konnte eben nur so lange gehn, wie die Mittel der Hypotheken¬
bank ausreichten; aber diese reichten nicht mehr im Herbst des vorigen Jahres,
als der Reichsbankdistont ein Jahr lang 5 Prozent betragen hatte, das Geld
infolge der auswärtigen Kriegsunruhen lange Zeit knapp geworden, und der
Geschäftsmarkt durch Aufsätze in der Frankfurter Zeitung auf diese Schiebungen
aufmerksam gemacht worden war. Sie waren übrigens in Börsenpreisen von
jeher bekannt.

Jetzt fand man, daß die Hypothekenbank durch die Gründung der Tochter¬
gesellschaften eigentlich die Zinsen der Hypotheken an sich selbst gezahlt hatte.
Man hätte aber mich einen Schritt weiter gehn und finden können, daß die
Hypothekenaktienbank eigentlich die Besitzerin auch der Grundstücke war, da ja
die Tochtergesellschaft mit ihr ziemlich identisch war. Dies alles war nur da¬
durch möglich, daß die Hypothekenbank gegen den Geist des Handelsgesetzbuchs
die Aktien der Tochtergesellschaft behielt, und die Tochtergesellschaft sogar Aktien
der Muttergesellschaft erwarb, und daß die Hypothekenbank gegen die Absicht
der Normativbestimmnngen und des Neichshypvthekenbankgesetzes Grundstücke
zwar durch die Tochtergesellschaft erwerben ließ, soweit sie jedoch mit dieser
identisch war, eigentlich sie in tranäsni leZis selbst erwarb. Sollte es nicht
möglich gewesen sein, dies dnrch Staatsaufsicht zu verbieten? An sich würde
die Machtbefugnis dazu zweifellos vorhanden gewesen sein. Aber von Anfang
an erscheinen derartige verschleierte Gesetzesumgehungen vielleicht sogar nicht
einmal dem geschäftsgeübten Auge so klar, als sie sich nachher entpuppen. Um
wieviel weniger ist eine Behörde imstande, derartiges im voraus mit Sicherheit
zu vermuten, der womöglich noch unwahre oder doch den wahren Sachverhalt
verschleiernde Auskünfte und Berichte gegeben werden! Man wird deshalb
unter Berücksichtigung der von vornherein nicht so klar liegenden Verhältnisse
auf die preußische Regierung als die Aufsichtsbehörde kaum einen Stein
werfen können. Jede Aufsicht und jede Revision ist eben ein unvollkommner
Rechtsbehelf, sie vermögen in der Regel erst dann einzugreifen, wenn es meist
zu spät ist, wenn nämlich die Schäden schon entstanden sind. Voraussehen
lassen sich diese selten mit Sicherheit.

Man wird nun fragen, wie derartiges für die Zukunft vermieden werden
könne. Reicht die Staatsaufsicht nicht aus, so bleibt mir übrig, die GeseKe
dementsprechend abzufassen. In der That würde, wenn durch Gesetz einer


Die Spiclhageul'arten und ihre Gesetzesuingcliuiigcn

bringen jedoch keine Ertrüge, und auch leerstehende Häuser nicht. Die Tochter¬
gesellschaft lieh sich deshalb Geld von der Muttergesellschaft, der Preußischen
Hypvthekenaktienbank, um an diese die Zinsen zu zahlen. Natürlich brauchte
man nicht deshalb das Geld als Darlehn hinzutragen und als Zinsen wieder
abzuholen, sondern man nahm einfach die nötigen Buchungen vor, und damit
waren die Zinsen berichtigt. So zahlte die Preußische Hypothckenaktienbank
in Wirklichkeit die Zinsen an sich selbst, oder noch zutreffender, die Hypotheken¬
bank besaß in Wirklichkeit die Terrains selbst und mußte, da diese keine Er¬
träge abwarfen, die Zinsen für die Pfandbriefe in irgend einer andern Weise
decken. Dies konnte eben nur so lange gehn, wie die Mittel der Hypotheken¬
bank ausreichten; aber diese reichten nicht mehr im Herbst des vorigen Jahres,
als der Reichsbankdistont ein Jahr lang 5 Prozent betragen hatte, das Geld
infolge der auswärtigen Kriegsunruhen lange Zeit knapp geworden, und der
Geschäftsmarkt durch Aufsätze in der Frankfurter Zeitung auf diese Schiebungen
aufmerksam gemacht worden war. Sie waren übrigens in Börsenpreisen von
jeher bekannt.

Jetzt fand man, daß die Hypothekenbank durch die Gründung der Tochter¬
gesellschaften eigentlich die Zinsen der Hypotheken an sich selbst gezahlt hatte.
Man hätte aber mich einen Schritt weiter gehn und finden können, daß die
Hypothekenaktienbank eigentlich die Besitzerin auch der Grundstücke war, da ja
die Tochtergesellschaft mit ihr ziemlich identisch war. Dies alles war nur da¬
durch möglich, daß die Hypothekenbank gegen den Geist des Handelsgesetzbuchs
die Aktien der Tochtergesellschaft behielt, und die Tochtergesellschaft sogar Aktien
der Muttergesellschaft erwarb, und daß die Hypothekenbank gegen die Absicht
der Normativbestimmnngen und des Neichshypvthekenbankgesetzes Grundstücke
zwar durch die Tochtergesellschaft erwerben ließ, soweit sie jedoch mit dieser
identisch war, eigentlich sie in tranäsni leZis selbst erwarb. Sollte es nicht
möglich gewesen sein, dies dnrch Staatsaufsicht zu verbieten? An sich würde
die Machtbefugnis dazu zweifellos vorhanden gewesen sein. Aber von Anfang
an erscheinen derartige verschleierte Gesetzesumgehungen vielleicht sogar nicht
einmal dem geschäftsgeübten Auge so klar, als sie sich nachher entpuppen. Um
wieviel weniger ist eine Behörde imstande, derartiges im voraus mit Sicherheit
zu vermuten, der womöglich noch unwahre oder doch den wahren Sachverhalt
verschleiernde Auskünfte und Berichte gegeben werden! Man wird deshalb
unter Berücksichtigung der von vornherein nicht so klar liegenden Verhältnisse
auf die preußische Regierung als die Aufsichtsbehörde kaum einen Stein
werfen können. Jede Aufsicht und jede Revision ist eben ein unvollkommner
Rechtsbehelf, sie vermögen in der Regel erst dann einzugreifen, wenn es meist
zu spät ist, wenn nämlich die Schäden schon entstanden sind. Voraussehen
lassen sich diese selten mit Sicherheit.

Man wird nun fragen, wie derartiges für die Zukunft vermieden werden
könne. Reicht die Staatsaufsicht nicht aus, so bleibt mir übrig, die GeseKe
dementsprechend abzufassen. In der That würde, wenn durch Gesetz einer


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[0589] Die Spiclhageul'arten und ihre Gesetzesuingcliuiigcn bringen jedoch keine Ertrüge, und auch leerstehende Häuser nicht. Die Tochter¬ gesellschaft lieh sich deshalb Geld von der Muttergesellschaft, der Preußischen Hypvthekenaktienbank, um an diese die Zinsen zu zahlen. Natürlich brauchte man nicht deshalb das Geld als Darlehn hinzutragen und als Zinsen wieder abzuholen, sondern man nahm einfach die nötigen Buchungen vor, und damit waren die Zinsen berichtigt. So zahlte die Preußische Hypothckenaktienbank in Wirklichkeit die Zinsen an sich selbst, oder noch zutreffender, die Hypotheken¬ bank besaß in Wirklichkeit die Terrains selbst und mußte, da diese keine Er¬ träge abwarfen, die Zinsen für die Pfandbriefe in irgend einer andern Weise decken. Dies konnte eben nur so lange gehn, wie die Mittel der Hypotheken¬ bank ausreichten; aber diese reichten nicht mehr im Herbst des vorigen Jahres, als der Reichsbankdistont ein Jahr lang 5 Prozent betragen hatte, das Geld infolge der auswärtigen Kriegsunruhen lange Zeit knapp geworden, und der Geschäftsmarkt durch Aufsätze in der Frankfurter Zeitung auf diese Schiebungen aufmerksam gemacht worden war. Sie waren übrigens in Börsenpreisen von jeher bekannt. Jetzt fand man, daß die Hypothekenbank durch die Gründung der Tochter¬ gesellschaften eigentlich die Zinsen der Hypotheken an sich selbst gezahlt hatte. Man hätte aber mich einen Schritt weiter gehn und finden können, daß die Hypothekenaktienbank eigentlich die Besitzerin auch der Grundstücke war, da ja die Tochtergesellschaft mit ihr ziemlich identisch war. Dies alles war nur da¬ durch möglich, daß die Hypothekenbank gegen den Geist des Handelsgesetzbuchs die Aktien der Tochtergesellschaft behielt, und die Tochtergesellschaft sogar Aktien der Muttergesellschaft erwarb, und daß die Hypothekenbank gegen die Absicht der Normativbestimmnngen und des Neichshypvthekenbankgesetzes Grundstücke zwar durch die Tochtergesellschaft erwerben ließ, soweit sie jedoch mit dieser identisch war, eigentlich sie in tranäsni leZis selbst erwarb. Sollte es nicht möglich gewesen sein, dies dnrch Staatsaufsicht zu verbieten? An sich würde die Machtbefugnis dazu zweifellos vorhanden gewesen sein. Aber von Anfang an erscheinen derartige verschleierte Gesetzesumgehungen vielleicht sogar nicht einmal dem geschäftsgeübten Auge so klar, als sie sich nachher entpuppen. Um wieviel weniger ist eine Behörde imstande, derartiges im voraus mit Sicherheit zu vermuten, der womöglich noch unwahre oder doch den wahren Sachverhalt verschleiernde Auskünfte und Berichte gegeben werden! Man wird deshalb unter Berücksichtigung der von vornherein nicht so klar liegenden Verhältnisse auf die preußische Regierung als die Aufsichtsbehörde kaum einen Stein werfen können. Jede Aufsicht und jede Revision ist eben ein unvollkommner Rechtsbehelf, sie vermögen in der Regel erst dann einzugreifen, wenn es meist zu spät ist, wenn nämlich die Schäden schon entstanden sind. Voraussehen lassen sich diese selten mit Sicherheit. Man wird nun fragen, wie derartiges für die Zukunft vermieden werden könne. Reicht die Staatsaufsicht nicht aus, so bleibt mir übrig, die GeseKe dementsprechend abzufassen. In der That würde, wenn durch Gesetz einer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/589>, abgerufen am 22.07.2024.