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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Danach steht der Westen immer noch sehr viel günstiger da als der Osten,
was man anch von agrarischer Seite seit Jahren zu bestreiten oder doch zu ver¬
tuschen sich bemüht, um nur ja die Solidarität der ganzen Landwirtschaft mit
den Interessen des ostelbischen Großbetriebs aufrecht zu erhalten. Jedenfalls ist
es sehr erfreulich, daß auch im Osten die Zahl der Versteigerungen eine so starke
Abnahme und nur in einer Provinz eine Zunahme um zwei Fälle erfahren hat.
Im Weste" weist mir Sachsen, das doch halb und halb noch zum Osten gehört,
eine Zunahme, und zwar nur um einen Fall auf.

So wenig die Herabsetzung der Getreidezölle durch die Caprivischen Handels¬
verträge den Bankrott der Landwirte beschleunigt hat, so wenig würde ihn, wem,
er drohte, eine Erhöhung dieser Zölle in dem Maße, wie sie überhaupt denkbar
ist, ohne das Gesmntwvhl unerträglich im Sonderinteresse der Landwirtschaft zu
beeinträchtigen, jetzt abwenden können. Es ist reine Illusion, den Zöllen diese
Wirksamkeit zuzuschreiben, zumal in Bezug auf die Masse der Bauernbetriebe. Wohl
aber wird immer ein rapider Preisfall Einfluß auf die Subhaflationszahl haben
können, wie dies vielleicht auch 1892 der Fall gewesen ist, wo der Zoll für die
Tonne um 15 Mark herabgesetzt wurde, der Preis aber um 90 Mark (Weizen
wie Roggen) abfiel. Sehr stark, ja vielfach ausschlaggebend hat damals übrigens
die Futteruot mitgewirkt, die in weiten Teilen Deutschlands gerade die Bauern¬
wirtschaften außerordentlich schwer traf.

Leider wird das Jahr 1901 ein neues, noch ärgeres Notjahr werden infolge
der Vernichtung namentlich des Winterweizens und des Winterroggeus im größten
Teil des Reichs dnrch Frost. Hier stehn wir vor einem Notstand schlimmster Art,
dessen ruinösen Wirkungen vorzubeugen eine dringende Aufgabe der Regierungen ist.
In ganz Deutschland haben nach den kürzlich vom Kaiserlichen Statistischen Amt aus¬
gegebnen Nachrichten über den Saatenstand um die Mitte des Monats Mai 190l
38,1 Prozent der mit Winterweizen und 9,0 Prozent der rin Winterroggen bebauten
Fläche umgepflügt werden müssen. Um eine Vorstellung des Schadens zu geben, sei
daran erinnert, daß 1900 an Winterweizen 3153566 Tonnen und an Wiuterroggen
8745051 Tonnen geerntet wurden. Der Winterspelz kommt nur in Süddeutsch-
land in Betracht. Von ihm wurden 1900 im ganzen 476095 Tonnen geerntet,
wovon auf Hohenzollern 17666, auf Bayern 125498, auf Württemberg 210572,
auf Baden 102336 und auf Hessen 6329 Tonnen kamen. Davon sind 1901
überhaupt nnr 0,9 Prozent ausgewintert, und zwar in Bayern 0,4, in Württem¬
berg 1,1, in Baden 1,0 und in Hessen 1,7. Beim Spelz ist also von einem Not¬
jahr nicht zu reden. Erwähnt sei hier anch gleich, daß vom Klee im Reich 10,8
und von der Luzerne 9,4 Prozent haben umgepflügt werdeu müssen, Prozentsätze,
die z. B. im Regierungsbezirk Marienwerder mit 52,5 und 42,6, in Bromberg
mit 45,1 und 34,0 und noch in zahlreichen andern Gebietsteilen arge Fntternot
bedeuten. Im ganzen sind 726400 Hektar Winterweizen, 5244000 Winterroggen,
196100 Klee, 21500 Luzerne und 2800 Winterspelz umgepflügt worden. Was
vom Wintergetreide stehn geblieben ist, ist meist dürftig und verspricht gerade in
den am meisten von der Auswinterung betroffnen Bezirken eine schlechte Ernte.
Das Sommergetreide vermag für die umgepflügte Winterung nur in sehr bescheidnen
Maße Ersatz zu leisten. Es kommt in Deutschland überhaupt uur wenig in Betracht,
zumal was das Brotkorn betrifft. Im Jahre 1900 wurden im Reich im ganzen nur
236480 Tonnen an Sommerweizen und 147403 an Sommerroggen geerntet.

In Preußen stellt sich die umgepflügte Fläche beim Winterweizen auf 46,9
und beim Winterroggen ans 11,3 Prozent. Dagegen hat man -- bei verhältnis¬
mäßig kleinem Schaden am Winterroggen -- vom Winterweizen unter anderen in
Mecklenburg-Schwerin 94,6 (Roggen 4.5); in Oldenburg 90,4 (1,1); in Mecklen-
burg-Strelitz 90.0; in Anhalt 82,8 (1,0); in, Königreich Sachsen 78,5 (1,3); in
Brannjchweig 68,4 (1,9) Prozent umpflügen müssen. Im Reichsland andrerseits


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Danach steht der Westen immer noch sehr viel günstiger da als der Osten,
was man anch von agrarischer Seite seit Jahren zu bestreiten oder doch zu ver¬
tuschen sich bemüht, um nur ja die Solidarität der ganzen Landwirtschaft mit
den Interessen des ostelbischen Großbetriebs aufrecht zu erhalten. Jedenfalls ist
es sehr erfreulich, daß auch im Osten die Zahl der Versteigerungen eine so starke
Abnahme und nur in einer Provinz eine Zunahme um zwei Fälle erfahren hat.
Im Weste» weist mir Sachsen, das doch halb und halb noch zum Osten gehört,
eine Zunahme, und zwar nur um einen Fall auf.

So wenig die Herabsetzung der Getreidezölle durch die Caprivischen Handels¬
verträge den Bankrott der Landwirte beschleunigt hat, so wenig würde ihn, wem,
er drohte, eine Erhöhung dieser Zölle in dem Maße, wie sie überhaupt denkbar
ist, ohne das Gesmntwvhl unerträglich im Sonderinteresse der Landwirtschaft zu
beeinträchtigen, jetzt abwenden können. Es ist reine Illusion, den Zöllen diese
Wirksamkeit zuzuschreiben, zumal in Bezug auf die Masse der Bauernbetriebe. Wohl
aber wird immer ein rapider Preisfall Einfluß auf die Subhaflationszahl haben
können, wie dies vielleicht auch 1892 der Fall gewesen ist, wo der Zoll für die
Tonne um 15 Mark herabgesetzt wurde, der Preis aber um 90 Mark (Weizen
wie Roggen) abfiel. Sehr stark, ja vielfach ausschlaggebend hat damals übrigens
die Futteruot mitgewirkt, die in weiten Teilen Deutschlands gerade die Bauern¬
wirtschaften außerordentlich schwer traf.

Leider wird das Jahr 1901 ein neues, noch ärgeres Notjahr werden infolge
der Vernichtung namentlich des Winterweizens und des Winterroggeus im größten
Teil des Reichs dnrch Frost. Hier stehn wir vor einem Notstand schlimmster Art,
dessen ruinösen Wirkungen vorzubeugen eine dringende Aufgabe der Regierungen ist.
In ganz Deutschland haben nach den kürzlich vom Kaiserlichen Statistischen Amt aus¬
gegebnen Nachrichten über den Saatenstand um die Mitte des Monats Mai 190l
38,1 Prozent der mit Winterweizen und 9,0 Prozent der rin Winterroggen bebauten
Fläche umgepflügt werden müssen. Um eine Vorstellung des Schadens zu geben, sei
daran erinnert, daß 1900 an Winterweizen 3153566 Tonnen und an Wiuterroggen
8745051 Tonnen geerntet wurden. Der Winterspelz kommt nur in Süddeutsch-
land in Betracht. Von ihm wurden 1900 im ganzen 476095 Tonnen geerntet,
wovon auf Hohenzollern 17666, auf Bayern 125498, auf Württemberg 210572,
auf Baden 102336 und auf Hessen 6329 Tonnen kamen. Davon sind 1901
überhaupt nnr 0,9 Prozent ausgewintert, und zwar in Bayern 0,4, in Württem¬
berg 1,1, in Baden 1,0 und in Hessen 1,7. Beim Spelz ist also von einem Not¬
jahr nicht zu reden. Erwähnt sei hier anch gleich, daß vom Klee im Reich 10,8
und von der Luzerne 9,4 Prozent haben umgepflügt werdeu müssen, Prozentsätze,
die z. B. im Regierungsbezirk Marienwerder mit 52,5 und 42,6, in Bromberg
mit 45,1 und 34,0 und noch in zahlreichen andern Gebietsteilen arge Fntternot
bedeuten. Im ganzen sind 726400 Hektar Winterweizen, 5244000 Winterroggen,
196100 Klee, 21500 Luzerne und 2800 Winterspelz umgepflügt worden. Was
vom Wintergetreide stehn geblieben ist, ist meist dürftig und verspricht gerade in
den am meisten von der Auswinterung betroffnen Bezirken eine schlechte Ernte.
Das Sommergetreide vermag für die umgepflügte Winterung nur in sehr bescheidnen
Maße Ersatz zu leisten. Es kommt in Deutschland überhaupt uur wenig in Betracht,
zumal was das Brotkorn betrifft. Im Jahre 1900 wurden im Reich im ganzen nur
236480 Tonnen an Sommerweizen und 147403 an Sommerroggen geerntet.

In Preußen stellt sich die umgepflügte Fläche beim Winterweizen auf 46,9
und beim Winterroggen ans 11,3 Prozent. Dagegen hat man — bei verhältnis¬
mäßig kleinem Schaden am Winterroggen — vom Winterweizen unter anderen in
Mecklenburg-Schwerin 94,6 (Roggen 4.5); in Oldenburg 90,4 (1,1); in Mecklen-
burg-Strelitz 90.0; in Anhalt 82,8 (1,0); in, Königreich Sachsen 78,5 (1,3); in
Brannjchweig 68,4 (1,9) Prozent umpflügen müssen. Im Reichsland andrerseits


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[0534] Maßgebliches und Unmaßgebliches Danach steht der Westen immer noch sehr viel günstiger da als der Osten, was man anch von agrarischer Seite seit Jahren zu bestreiten oder doch zu ver¬ tuschen sich bemüht, um nur ja die Solidarität der ganzen Landwirtschaft mit den Interessen des ostelbischen Großbetriebs aufrecht zu erhalten. Jedenfalls ist es sehr erfreulich, daß auch im Osten die Zahl der Versteigerungen eine so starke Abnahme und nur in einer Provinz eine Zunahme um zwei Fälle erfahren hat. Im Weste» weist mir Sachsen, das doch halb und halb noch zum Osten gehört, eine Zunahme, und zwar nur um einen Fall auf. So wenig die Herabsetzung der Getreidezölle durch die Caprivischen Handels¬ verträge den Bankrott der Landwirte beschleunigt hat, so wenig würde ihn, wem, er drohte, eine Erhöhung dieser Zölle in dem Maße, wie sie überhaupt denkbar ist, ohne das Gesmntwvhl unerträglich im Sonderinteresse der Landwirtschaft zu beeinträchtigen, jetzt abwenden können. Es ist reine Illusion, den Zöllen diese Wirksamkeit zuzuschreiben, zumal in Bezug auf die Masse der Bauernbetriebe. Wohl aber wird immer ein rapider Preisfall Einfluß auf die Subhaflationszahl haben können, wie dies vielleicht auch 1892 der Fall gewesen ist, wo der Zoll für die Tonne um 15 Mark herabgesetzt wurde, der Preis aber um 90 Mark (Weizen wie Roggen) abfiel. Sehr stark, ja vielfach ausschlaggebend hat damals übrigens die Futteruot mitgewirkt, die in weiten Teilen Deutschlands gerade die Bauern¬ wirtschaften außerordentlich schwer traf. Leider wird das Jahr 1901 ein neues, noch ärgeres Notjahr werden infolge der Vernichtung namentlich des Winterweizens und des Winterroggeus im größten Teil des Reichs dnrch Frost. Hier stehn wir vor einem Notstand schlimmster Art, dessen ruinösen Wirkungen vorzubeugen eine dringende Aufgabe der Regierungen ist. In ganz Deutschland haben nach den kürzlich vom Kaiserlichen Statistischen Amt aus¬ gegebnen Nachrichten über den Saatenstand um die Mitte des Monats Mai 190l 38,1 Prozent der mit Winterweizen und 9,0 Prozent der rin Winterroggen bebauten Fläche umgepflügt werden müssen. Um eine Vorstellung des Schadens zu geben, sei daran erinnert, daß 1900 an Winterweizen 3153566 Tonnen und an Wiuterroggen 8745051 Tonnen geerntet wurden. Der Winterspelz kommt nur in Süddeutsch- land in Betracht. Von ihm wurden 1900 im ganzen 476095 Tonnen geerntet, wovon auf Hohenzollern 17666, auf Bayern 125498, auf Württemberg 210572, auf Baden 102336 und auf Hessen 6329 Tonnen kamen. Davon sind 1901 überhaupt nnr 0,9 Prozent ausgewintert, und zwar in Bayern 0,4, in Württem¬ berg 1,1, in Baden 1,0 und in Hessen 1,7. Beim Spelz ist also von einem Not¬ jahr nicht zu reden. Erwähnt sei hier anch gleich, daß vom Klee im Reich 10,8 und von der Luzerne 9,4 Prozent haben umgepflügt werdeu müssen, Prozentsätze, die z. B. im Regierungsbezirk Marienwerder mit 52,5 und 42,6, in Bromberg mit 45,1 und 34,0 und noch in zahlreichen andern Gebietsteilen arge Fntternot bedeuten. Im ganzen sind 726400 Hektar Winterweizen, 5244000 Winterroggen, 196100 Klee, 21500 Luzerne und 2800 Winterspelz umgepflügt worden. Was vom Wintergetreide stehn geblieben ist, ist meist dürftig und verspricht gerade in den am meisten von der Auswinterung betroffnen Bezirken eine schlechte Ernte. Das Sommergetreide vermag für die umgepflügte Winterung nur in sehr bescheidnen Maße Ersatz zu leisten. Es kommt in Deutschland überhaupt uur wenig in Betracht, zumal was das Brotkorn betrifft. Im Jahre 1900 wurden im Reich im ganzen nur 236480 Tonnen an Sommerweizen und 147403 an Sommerroggen geerntet. In Preußen stellt sich die umgepflügte Fläche beim Winterweizen auf 46,9 und beim Winterroggen ans 11,3 Prozent. Dagegen hat man — bei verhältnis¬ mäßig kleinem Schaden am Winterroggen — vom Winterweizen unter anderen in Mecklenburg-Schwerin 94,6 (Roggen 4.5); in Oldenburg 90,4 (1,1); in Mecklen- burg-Strelitz 90.0; in Anhalt 82,8 (1,0); in, Königreich Sachsen 78,5 (1,3); in Brannjchweig 68,4 (1,9) Prozent umpflügen müssen. Im Reichsland andrerseits

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/534>, abgerufen am 03.07.2024.