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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Lin Rcirntner Rirchtag

gedeckten "Burscheutisch," wo sie gemeinschaftlich mit ihren Tänzerinnen von der
bekränzten Weinflasche zechen. Auf dem Tanzboden steht es nnn jedem frei, Lieder
aufzugeben, so viel ihm einfallen. Bei der bekannten Scmgeslnst des Kärntners
kann man annehmen, daß ein förmlicher Liederregcn losbricht; jedoch vollzieht sich
auch das Aufgeben der Lieder in bestimmter Ordnung. Nach einer kurzen, passenden
Tanzmeise beginnen die Tanzpaare eine Promenade im Kreise, und der vorderste
Bursche macht mit dem Singen den Anfang. Er singt nur ein Lied, das die Musik
nachspielt, wozu wieder getanzt wird; ist der Tanz zu Ende, so legt der zweite
los, und so geht es weiter. Damit die Sache jedoch nicht eintönig wird, werden
die Lieder in verschiednen Weisen gesungen, z. B.:

Der zweite singt:

Der dritte:

Eine gewisse Zungengeläufigkeit ist bei dem folgenden nötig:

Ein Ende muß nun einmal auch das Liederanfgeben haben, darum singt einer:

Der Liedertanz währt bis zwölf Uhr mittag, dann werden die Zechbnrschen
mit der Musik heimgeleitet, wo ihrer ein feister Kirchtagsbratcn wartet. Kirchtags
giebt es nämlich bei jedem Bauern frischen Schweinebraten nebst verschiednen Back¬
werk, wie Schmalzkrapfen, "Nigelnn" u. dergl.

Haben sich die Leute ordentlich sattgegessen und den Weinkrug, den der Bauer
aufgetragen hat, leergetrnuken, so richten sie sich wieder zum lustigen Kirchtags-
leben zurecht, das um bald nach Mittag anhebt. In Wein, Weib und Gesang gipfelt
das Treiben. Die eine Hälfte des eingezahlten Zechgeldes wird am Sonntag
gemeinsam am Burschcntisch verjubelt, wobei die Zechburschen mit ihren meist recht
klangvollen Stimmen noch manch schönes Lied zusammen singen. Die Nacht wird
durchgetanzt, und am "Kirchtmoutag" in der Frühe spielen die Musikanten die
Burschen mit den Mädchen nach Hanse.

Wer nun meinte, daß der Kirchtag damit zu Ende wäre, würde sich sehr
irren. Einmal ein wenig heimgehn und den wüsten Kopf ordentlich unter das


Lin Rcirntner Rirchtag

gedeckten „Burscheutisch," wo sie gemeinschaftlich mit ihren Tänzerinnen von der
bekränzten Weinflasche zechen. Auf dem Tanzboden steht es nnn jedem frei, Lieder
aufzugeben, so viel ihm einfallen. Bei der bekannten Scmgeslnst des Kärntners
kann man annehmen, daß ein förmlicher Liederregcn losbricht; jedoch vollzieht sich
auch das Aufgeben der Lieder in bestimmter Ordnung. Nach einer kurzen, passenden
Tanzmeise beginnen die Tanzpaare eine Promenade im Kreise, und der vorderste
Bursche macht mit dem Singen den Anfang. Er singt nur ein Lied, das die Musik
nachspielt, wozu wieder getanzt wird; ist der Tanz zu Ende, so legt der zweite
los, und so geht es weiter. Damit die Sache jedoch nicht eintönig wird, werden
die Lieder in verschiednen Weisen gesungen, z. B.:

Der zweite singt:

Der dritte:

Eine gewisse Zungengeläufigkeit ist bei dem folgenden nötig:

Ein Ende muß nun einmal auch das Liederanfgeben haben, darum singt einer:

Der Liedertanz währt bis zwölf Uhr mittag, dann werden die Zechbnrschen
mit der Musik heimgeleitet, wo ihrer ein feister Kirchtagsbratcn wartet. Kirchtags
giebt es nämlich bei jedem Bauern frischen Schweinebraten nebst verschiednen Back¬
werk, wie Schmalzkrapfen, „Nigelnn" u. dergl.

Haben sich die Leute ordentlich sattgegessen und den Weinkrug, den der Bauer
aufgetragen hat, leergetrnuken, so richten sie sich wieder zum lustigen Kirchtags-
leben zurecht, das um bald nach Mittag anhebt. In Wein, Weib und Gesang gipfelt
das Treiben. Die eine Hälfte des eingezahlten Zechgeldes wird am Sonntag
gemeinsam am Burschcntisch verjubelt, wobei die Zechburschen mit ihren meist recht
klangvollen Stimmen noch manch schönes Lied zusammen singen. Die Nacht wird
durchgetanzt, und am „Kirchtmoutag" in der Frühe spielen die Musikanten die
Burschen mit den Mädchen nach Hanse.

Wer nun meinte, daß der Kirchtag damit zu Ende wäre, würde sich sehr
irren. Einmal ein wenig heimgehn und den wüsten Kopf ordentlich unter das


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[0047] Lin Rcirntner Rirchtag gedeckten „Burscheutisch," wo sie gemeinschaftlich mit ihren Tänzerinnen von der bekränzten Weinflasche zechen. Auf dem Tanzboden steht es nnn jedem frei, Lieder aufzugeben, so viel ihm einfallen. Bei der bekannten Scmgeslnst des Kärntners kann man annehmen, daß ein förmlicher Liederregcn losbricht; jedoch vollzieht sich auch das Aufgeben der Lieder in bestimmter Ordnung. Nach einer kurzen, passenden Tanzmeise beginnen die Tanzpaare eine Promenade im Kreise, und der vorderste Bursche macht mit dem Singen den Anfang. Er singt nur ein Lied, das die Musik nachspielt, wozu wieder getanzt wird; ist der Tanz zu Ende, so legt der zweite los, und so geht es weiter. Damit die Sache jedoch nicht eintönig wird, werden die Lieder in verschiednen Weisen gesungen, z. B.: Der zweite singt: Der dritte: Eine gewisse Zungengeläufigkeit ist bei dem folgenden nötig: Ein Ende muß nun einmal auch das Liederanfgeben haben, darum singt einer: Der Liedertanz währt bis zwölf Uhr mittag, dann werden die Zechbnrschen mit der Musik heimgeleitet, wo ihrer ein feister Kirchtagsbratcn wartet. Kirchtags giebt es nämlich bei jedem Bauern frischen Schweinebraten nebst verschiednen Back¬ werk, wie Schmalzkrapfen, „Nigelnn" u. dergl. Haben sich die Leute ordentlich sattgegessen und den Weinkrug, den der Bauer aufgetragen hat, leergetrnuken, so richten sie sich wieder zum lustigen Kirchtags- leben zurecht, das um bald nach Mittag anhebt. In Wein, Weib und Gesang gipfelt das Treiben. Die eine Hälfte des eingezahlten Zechgeldes wird am Sonntag gemeinsam am Burschcntisch verjubelt, wobei die Zechburschen mit ihren meist recht klangvollen Stimmen noch manch schönes Lied zusammen singen. Die Nacht wird durchgetanzt, und am „Kirchtmoutag" in der Frühe spielen die Musikanten die Burschen mit den Mädchen nach Hanse. Wer nun meinte, daß der Kirchtag damit zu Ende wäre, würde sich sehr irren. Einmal ein wenig heimgehn und den wüsten Kopf ordentlich unter das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/47>, abgerufen am 01.07.2024.