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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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<Lin Kärntner Kirchtag

Der Wirt hat sich unterdessen davongemacht, um seinen Kirchtagsgästen einen
würdigen Empfang zu bereiten. Die fröhliche Schar der Burschen und Mädchen,
die in verschiednen Kärntner Volkstrachten erscheinen, zieht mit den schmetternden
und flötenden Spielleuten der Dorfzeile entlang und kehrt unterwegs noch bei
einem wohlhabenden Besitzer, mit dem sie es wegen seiner bekannten Freigebigkeit
besonders "gut" meint. ein, um ihn noch tüchtig anzusingen und anzublasen, wo¬
durch sich der Bauer sehr geschmeichelt fühlt und die Burschen großmütig bewirtet.
Die rastlosen Musikanten binden den Nest wieder in ihr Sacktüchel. Der Zech-
meister, der hier allein das Singen oder Liederanfgeben zu besorgen hat, läßt seinen
geradezu unerschöpflichen Liederborn fließen, singt Spottliedeln, daß den Leuten,
die er sich zur Zielscheibe ausersehen hat, die "Gallbirn" aufsteigt, und die Leute,
die es nicht angeht, lachen rechtschaffen drauf. Die "Diandlan" kommen oft schlecht
weg dabei, denn mitunter spricht der Bursche eben nicht durch die Blume. Zahmerer
Natur sind freilich wieder andre seiner Lieder; so ist es wohl nur ein Scherz,
wenn er singt:

Doch auch von der holden Liebe süßer Minne versteht er zu singen, wie z. B.:

Ehrenhalber holt der Zechmeister die Hanstochter oder die junge Bäuerin
heraus, um mit ihr zu tanzen; während dieses Tanzes, der sehr kurz währt, dichtet
der Zechmeister ans dem Stegreif ein Liedchen auf irgend eine Person oder sonst
etwas. Die Musik spielt die Weise nach, wozu wieder getanzt wird, was sich lange
so wiederholt. Nach einem Gesamtchor schwingt der Zechmeister seinen Hut mit
einem: "Dank schean, Frau Muatta!" was der Frau des Hauses gilt, dann ziehn
sie wieder von dannen, dem Wirtshnnse zu. Der Wirt steht mit der bekränzten
"Bnrschenflasche" voll Wein und einer Anzahl Trinkgläsern vor der Thür, um dem
Zechmeister das erste Glas zu reichen; dieser tritt aus dem Kreise der Zechburschen,
hebt das Weinglas und spricht: "Unser Wirt soll leben -- hoch!" Die Musikanten
spielen einen Tusch darauf, dann gilt der Trunk der Wirtin in derselben Form.
Die ganze Familie läßt man hochleben bis zu dem Dienstpersonal, und dann werden
wieder Lieder aufgegeben, und die Mädchen müssen zum Tanz herbei. Die Burschen¬
flasche kreist munter die Runde ab, und daß dabei die Burschen ordentlich in
Stimmung kommen, ist nicht zu bezweifeln.

So singt einer, und der andre:

Die Musik spielt die Weise nach, wozu ein Stückchen getanzt wird. Die Lust¬
barkeit wird auf dem Tanzboden fortgesetzt; die Zechburschen haben ihren eignen


<Lin Kärntner Kirchtag

Der Wirt hat sich unterdessen davongemacht, um seinen Kirchtagsgästen einen
würdigen Empfang zu bereiten. Die fröhliche Schar der Burschen und Mädchen,
die in verschiednen Kärntner Volkstrachten erscheinen, zieht mit den schmetternden
und flötenden Spielleuten der Dorfzeile entlang und kehrt unterwegs noch bei
einem wohlhabenden Besitzer, mit dem sie es wegen seiner bekannten Freigebigkeit
besonders „gut" meint. ein, um ihn noch tüchtig anzusingen und anzublasen, wo¬
durch sich der Bauer sehr geschmeichelt fühlt und die Burschen großmütig bewirtet.
Die rastlosen Musikanten binden den Nest wieder in ihr Sacktüchel. Der Zech-
meister, der hier allein das Singen oder Liederanfgeben zu besorgen hat, läßt seinen
geradezu unerschöpflichen Liederborn fließen, singt Spottliedeln, daß den Leuten,
die er sich zur Zielscheibe ausersehen hat, die „Gallbirn" aufsteigt, und die Leute,
die es nicht angeht, lachen rechtschaffen drauf. Die „Diandlan" kommen oft schlecht
weg dabei, denn mitunter spricht der Bursche eben nicht durch die Blume. Zahmerer
Natur sind freilich wieder andre seiner Lieder; so ist es wohl nur ein Scherz,
wenn er singt:

Doch auch von der holden Liebe süßer Minne versteht er zu singen, wie z. B.:

Ehrenhalber holt der Zechmeister die Hanstochter oder die junge Bäuerin
heraus, um mit ihr zu tanzen; während dieses Tanzes, der sehr kurz währt, dichtet
der Zechmeister ans dem Stegreif ein Liedchen auf irgend eine Person oder sonst
etwas. Die Musik spielt die Weise nach, wozu wieder getanzt wird, was sich lange
so wiederholt. Nach einem Gesamtchor schwingt der Zechmeister seinen Hut mit
einem: „Dank schean, Frau Muatta!" was der Frau des Hauses gilt, dann ziehn
sie wieder von dannen, dem Wirtshnnse zu. Der Wirt steht mit der bekränzten
„Bnrschenflasche" voll Wein und einer Anzahl Trinkgläsern vor der Thür, um dem
Zechmeister das erste Glas zu reichen; dieser tritt aus dem Kreise der Zechburschen,
hebt das Weinglas und spricht: „Unser Wirt soll leben — hoch!" Die Musikanten
spielen einen Tusch darauf, dann gilt der Trunk der Wirtin in derselben Form.
Die ganze Familie läßt man hochleben bis zu dem Dienstpersonal, und dann werden
wieder Lieder aufgegeben, und die Mädchen müssen zum Tanz herbei. Die Burschen¬
flasche kreist munter die Runde ab, und daß dabei die Burschen ordentlich in
Stimmung kommen, ist nicht zu bezweifeln.

So singt einer, und der andre:

Die Musik spielt die Weise nach, wozu ein Stückchen getanzt wird. Die Lust¬
barkeit wird auf dem Tanzboden fortgesetzt; die Zechburschen haben ihren eignen


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[0046] <Lin Kärntner Kirchtag Der Wirt hat sich unterdessen davongemacht, um seinen Kirchtagsgästen einen würdigen Empfang zu bereiten. Die fröhliche Schar der Burschen und Mädchen, die in verschiednen Kärntner Volkstrachten erscheinen, zieht mit den schmetternden und flötenden Spielleuten der Dorfzeile entlang und kehrt unterwegs noch bei einem wohlhabenden Besitzer, mit dem sie es wegen seiner bekannten Freigebigkeit besonders „gut" meint. ein, um ihn noch tüchtig anzusingen und anzublasen, wo¬ durch sich der Bauer sehr geschmeichelt fühlt und die Burschen großmütig bewirtet. Die rastlosen Musikanten binden den Nest wieder in ihr Sacktüchel. Der Zech- meister, der hier allein das Singen oder Liederanfgeben zu besorgen hat, läßt seinen geradezu unerschöpflichen Liederborn fließen, singt Spottliedeln, daß den Leuten, die er sich zur Zielscheibe ausersehen hat, die „Gallbirn" aufsteigt, und die Leute, die es nicht angeht, lachen rechtschaffen drauf. Die „Diandlan" kommen oft schlecht weg dabei, denn mitunter spricht der Bursche eben nicht durch die Blume. Zahmerer Natur sind freilich wieder andre seiner Lieder; so ist es wohl nur ein Scherz, wenn er singt: Doch auch von der holden Liebe süßer Minne versteht er zu singen, wie z. B.: Ehrenhalber holt der Zechmeister die Hanstochter oder die junge Bäuerin heraus, um mit ihr zu tanzen; während dieses Tanzes, der sehr kurz währt, dichtet der Zechmeister ans dem Stegreif ein Liedchen auf irgend eine Person oder sonst etwas. Die Musik spielt die Weise nach, wozu wieder getanzt wird, was sich lange so wiederholt. Nach einem Gesamtchor schwingt der Zechmeister seinen Hut mit einem: „Dank schean, Frau Muatta!" was der Frau des Hauses gilt, dann ziehn sie wieder von dannen, dem Wirtshnnse zu. Der Wirt steht mit der bekränzten „Bnrschenflasche" voll Wein und einer Anzahl Trinkgläsern vor der Thür, um dem Zechmeister das erste Glas zu reichen; dieser tritt aus dem Kreise der Zechburschen, hebt das Weinglas und spricht: „Unser Wirt soll leben — hoch!" Die Musikanten spielen einen Tusch darauf, dann gilt der Trunk der Wirtin in derselben Form. Die ganze Familie läßt man hochleben bis zu dem Dienstpersonal, und dann werden wieder Lieder aufgegeben, und die Mädchen müssen zum Tanz herbei. Die Burschen¬ flasche kreist munter die Runde ab, und daß dabei die Burschen ordentlich in Stimmung kommen, ist nicht zu bezweifeln. So singt einer, und der andre: Die Musik spielt die Weise nach, wozu ein Stückchen getanzt wird. Die Lust¬ barkeit wird auf dem Tanzboden fortgesetzt; die Zechburschen haben ihren eignen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/46>, abgerufen am 01.07.2024.