Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.Die genossenschaftliche Rreditorganisation in der Landwirtschaft Wohl der kleinen Sparer, sondern erschlossen auch dem Geldmarkt Millionen Neben dem Sparkassenverkehr wird ein umfangreicher Kontokorrentverkehr Nur wenig Darlehnskassen gewähren Hypothekarkredit, da es den meisten Die genossenschaftliche Rreditorganisation in der Landwirtschaft Wohl der kleinen Sparer, sondern erschlossen auch dem Geldmarkt Millionen Neben dem Sparkassenverkehr wird ein umfangreicher Kontokorrentverkehr Nur wenig Darlehnskassen gewähren Hypothekarkredit, da es den meisten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0450" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/234980"/> <fw type="header" place="top"> Die genossenschaftliche Rreditorganisation in der Landwirtschaft</fw><lb/> <p xml:id="ID_1337" prev="#ID_1336"> Wohl der kleinen Sparer, sondern erschlossen auch dem Geldmarkt Millionen<lb/> von Mark, die bis dahin brach lagen oder unwirtschaftlich vergeudet wurden.<lb/> Die Sparkasse gewährt für Einlagen 3 Prozent und giebt außerdem Karten<lb/> aus, die mit Marken von 10 bis 50 Pfennigen beliebt werden können. Wer<lb/> eine volle Karte bei der Kasse einliefert, erhält den Betrag, ans den sie lautet,<lb/> gutgeschrieben. Selbstverständlich kann sich an der Sparkasse jeder, auch wenn<lb/> er kein Mitglied des Vereins ist, beteiligen. Die Darlehnskassenvereine haben<lb/> sich bemüht, die Mündclsicherheit zu erlangen. Es ist ihnen die? aber bis<lb/> jetzt in keinem deutschen Bundesstaate gelungen, außer in Hessen, wo genossen¬<lb/> schaftliche Spar- und Darlehnskassenvereine unter gewissen Voraussetzungen<lb/> als mündelsicher angesehen werden können. Dieses weitgehende Zugeständnis<lb/> der hessischen Regierung erklärt sich aus dem Unistande, daß Hessen der deutsche<lb/> Bundesstaat ist, der die kräftigste genossenschaftliche Entwicklung hat. Die<lb/> Mündelsicherheitserklärnng ist dort gefahrlos, weil meist die ganze Gemeinde<lb/> dem Vereine angehört und also auch die ganze Gemeinde für die Mündelgelder<lb/> Bürgschaft leistet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1338"> Neben dem Sparkassenverkehr wird ein umfangreicher Kontokorrentverkehr<lb/> betrieben. Auf diese Weise wird den Bauern ermöglicht, jeden plötzlichen<lb/> Geldzufluß, wie ihn der Verkauf der Ernte im Herbst oder der Mastschweine<lb/> im Winter mit sich bringt, sofort gewinnbringend anzulegen. Für Konto¬<lb/> korrentguthaben gewährt die Kasse bei täglicher Kündigung 2'/z Prozent. Eine<lb/> äußerst segensreiche Bethätigung entwickeln die Darlehnskassen ferner bei<lb/> Zwangsverkäufen von Grundstücken. Hier verhindern sie oft eine Verschleude¬<lb/> rung des Gutes und legen den zumeist jüdischen Händlern das Handwerk,<lb/> indem sie bei der Versteigerung mitbietend den Preis in die Höhe treiben oder<lb/> als Meistbieter das Gut erstehn. Durch rationelle Parzellierung oder Verkauf<lb/> des Ganzen unter der Hand erzielen sie alsdann einen höhern Preis, als sie<lb/> selber bezahlt haben. Der Verein aber steckt den gemachten Gewinn nicht in<lb/> seine Tasche, sondern giebt ihn nach Abzug einer kleinen Provision für Un¬<lb/> kosten dem Bauern, falls dieser durch widrige Verhältnisse zur Zwangsver¬<lb/> steigerung getrieben wordeu war, und oft verdankt ein übcrschnldeter Bauer<lb/> das Fortbestehn seiner wirtschaftlichen Existenz lediglich der Spar- und Dar-<lb/> lehnskasse, die seine verworrenen Vermögensverhältnisse in die Hand nahm<lb/> und ihm immerhin noch ein kleines schuldenfreies Stück Land ans der Masse<lb/> rettete.</p><lb/> <p xml:id="ID_1339" next="#ID_1340"> Nur wenig Darlehnskassen gewähren Hypothekarkredit, da es den meisten<lb/> statutenmüßig verboten ist, und dieses Verbot scheint uicht unzweckmäßig. Die<lb/> ländlichen Genossenschaften haben andre soziale Aufgaben zu erfüllen, und ihre<lb/> Betriebsmittel sind noch lange nicht so groß, daß sie zur nutzbringenden Ver¬<lb/> wertung ans andre als die ihnen zugewiesenen Gebiete überspringen müßten.<lb/> Übrigens besteht, ganz dem Prinzip der Arbeitsteilung gemäß, in Deutschland<lb/> eine genügende Anzahl von Kreditinstituten und Banken lediglich zur Befriedi¬<lb/> gung des Hypothekarkredits, und es hieße diesen und den Kreissparkassen ins</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0450]
Die genossenschaftliche Rreditorganisation in der Landwirtschaft
Wohl der kleinen Sparer, sondern erschlossen auch dem Geldmarkt Millionen
von Mark, die bis dahin brach lagen oder unwirtschaftlich vergeudet wurden.
Die Sparkasse gewährt für Einlagen 3 Prozent und giebt außerdem Karten
aus, die mit Marken von 10 bis 50 Pfennigen beliebt werden können. Wer
eine volle Karte bei der Kasse einliefert, erhält den Betrag, ans den sie lautet,
gutgeschrieben. Selbstverständlich kann sich an der Sparkasse jeder, auch wenn
er kein Mitglied des Vereins ist, beteiligen. Die Darlehnskassenvereine haben
sich bemüht, die Mündclsicherheit zu erlangen. Es ist ihnen die? aber bis
jetzt in keinem deutschen Bundesstaate gelungen, außer in Hessen, wo genossen¬
schaftliche Spar- und Darlehnskassenvereine unter gewissen Voraussetzungen
als mündelsicher angesehen werden können. Dieses weitgehende Zugeständnis
der hessischen Regierung erklärt sich aus dem Unistande, daß Hessen der deutsche
Bundesstaat ist, der die kräftigste genossenschaftliche Entwicklung hat. Die
Mündelsicherheitserklärnng ist dort gefahrlos, weil meist die ganze Gemeinde
dem Vereine angehört und also auch die ganze Gemeinde für die Mündelgelder
Bürgschaft leistet.
Neben dem Sparkassenverkehr wird ein umfangreicher Kontokorrentverkehr
betrieben. Auf diese Weise wird den Bauern ermöglicht, jeden plötzlichen
Geldzufluß, wie ihn der Verkauf der Ernte im Herbst oder der Mastschweine
im Winter mit sich bringt, sofort gewinnbringend anzulegen. Für Konto¬
korrentguthaben gewährt die Kasse bei täglicher Kündigung 2'/z Prozent. Eine
äußerst segensreiche Bethätigung entwickeln die Darlehnskassen ferner bei
Zwangsverkäufen von Grundstücken. Hier verhindern sie oft eine Verschleude¬
rung des Gutes und legen den zumeist jüdischen Händlern das Handwerk,
indem sie bei der Versteigerung mitbietend den Preis in die Höhe treiben oder
als Meistbieter das Gut erstehn. Durch rationelle Parzellierung oder Verkauf
des Ganzen unter der Hand erzielen sie alsdann einen höhern Preis, als sie
selber bezahlt haben. Der Verein aber steckt den gemachten Gewinn nicht in
seine Tasche, sondern giebt ihn nach Abzug einer kleinen Provision für Un¬
kosten dem Bauern, falls dieser durch widrige Verhältnisse zur Zwangsver¬
steigerung getrieben wordeu war, und oft verdankt ein übcrschnldeter Bauer
das Fortbestehn seiner wirtschaftlichen Existenz lediglich der Spar- und Dar-
lehnskasse, die seine verworrenen Vermögensverhältnisse in die Hand nahm
und ihm immerhin noch ein kleines schuldenfreies Stück Land ans der Masse
rettete.
Nur wenig Darlehnskassen gewähren Hypothekarkredit, da es den meisten
statutenmüßig verboten ist, und dieses Verbot scheint uicht unzweckmäßig. Die
ländlichen Genossenschaften haben andre soziale Aufgaben zu erfüllen, und ihre
Betriebsmittel sind noch lange nicht so groß, daß sie zur nutzbringenden Ver¬
wertung ans andre als die ihnen zugewiesenen Gebiete überspringen müßten.
Übrigens besteht, ganz dem Prinzip der Arbeitsteilung gemäß, in Deutschland
eine genügende Anzahl von Kreditinstituten und Banken lediglich zur Befriedi¬
gung des Hypothekarkredits, und es hieße diesen und den Kreissparkassen ins
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