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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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pcmcratius (Lapitolinus
Julius R. l^aarhans Gin l^cldengcsang in Prosa von
(Fortsetzung)

>le kriegerischen Ereignisse des Jahres 1792 lenkten die Anfmerksamkeit
unsers Freundes auf militärische Dinge. Ans der Thatsache, daß
kleinere, zu der Armee des Generals von Eroach gehörende Ab¬
teilungen der Österreicher das Brohlthal passierten, um mit den Ver¬
bündeten um der französischen Grenze zusammenzustoßen, glaubte er
auf die hohe strategische Bedeutung des Thales und damit natürlich
auch auf die der Schwcppcnbnrg schließen zu dürfen, eine Voraussetzung, die tu
keiner Hinsicht zutraf. Als Straße für große Truppendurchmärsche nach oder von
Westen kam in der ganzen Gegend nur das Moselthal in Betracht, und die
Schweppeuburg war, obwohl sie das Brohlthal beherrschte, ihrer Anlage nach alles
andre als eine Festung. Man konnte sie nicht einmal als ein festes Schloß, sondern
höchstens als ein Burghaus bezeichnen, worin man zur Not vor Überfällen und
Plünderungsgelüsten zuchtloser Marodeure gesichert war, das aber einem ernstlichem
Angriffe niemals Widerstand zu leisten vermocht hätte. Das Gebäude erhob sich,
wie schon angedeutet wordeu ist, auf einem Hügel von mäßiger Höhe, es war weder
mit Mauern noch mit einem Graben befestigt und hatte weder Türme noch Schie߬
scharten. Seine einzige Starke lag in dem außerordentlich massiven Mauerwerk.
Überdies waren die Fenster des Erdgeschosses mit schweren Gittern versehen, die
Thür von außen und von innen mit Eisenplatten beschlagen. Mehr konnte man,
so glaubte Pancrntius, von einem Kastell nicht verlangen. In Rom, das wußte er
ganz genau, hatten im Altertum und im Mittelalter noch ganz andre Bauwerke
als Festungen und Burgen gedient und sich in blutigen Kriegen glänzend bewährt.
Hatten sich die Gaetani und nach ihnen die Savelli nicht jahrelang im Grabmal
der Cäcilia Metella verschanzt und manche" Sturm erfolgreich abgeschlagen? Hatte
Benvenuto Cellini nicht von der Engelsburg aus, die doch auch mir ein Stein-
kvloß ohne Wall und Graben war, ganz allein mit fünf Geschützen, die er selbst
bediente, einen vollen Monat das bourbonische Heer in Schach gehalten?

Pancratius, der Mann des Friedens und der stillen Freuden, die nur die
Beschäftigung mit den Wissenschaften zu gewähren vermag, fühlte etwas wie den
Geist eines Feldherrn in sich erwachen. Es verstand sich von selbst, daß er, der
sich am "Pompejaner" Livius herangebildet hatte, gegen die Revolution und die
brutale Herrschaft des Pöbels Partei ergriff. Die Begeisterung, mit der man am
Rheine fast überall die ersten Erscheinungen der großen verheißungsvoller Um¬
wälzung begrüßte, hatte er "le geteilt, und er hatte seinen Bauern, die schon von
Freiheit und Gleichheit und von dem Aufhöre" aller Verpflichtungen gegen ihren
Lehnsherrn zu faseln begannen, so derb den Kopf gewaschen, daß ihnen die Lust,
mit dem Bnrgkaplan zu politisieren, vergangen war. Die bedenkliche Wendung der
Dinge hatte er, weil sie seinen Befürchtungen Recht gab, wenn auch mit Abscheu,
so doch mit einer gewissen Genugthuung beobachtet. Er lebte jetzt abgeschlossener




pcmcratius (Lapitolinus
Julius R. l^aarhans Gin l^cldengcsang in Prosa von
(Fortsetzung)

>le kriegerischen Ereignisse des Jahres 1792 lenkten die Anfmerksamkeit
unsers Freundes auf militärische Dinge. Ans der Thatsache, daß
kleinere, zu der Armee des Generals von Eroach gehörende Ab¬
teilungen der Österreicher das Brohlthal passierten, um mit den Ver¬
bündeten um der französischen Grenze zusammenzustoßen, glaubte er
auf die hohe strategische Bedeutung des Thales und damit natürlich
auch auf die der Schwcppcnbnrg schließen zu dürfen, eine Voraussetzung, die tu
keiner Hinsicht zutraf. Als Straße für große Truppendurchmärsche nach oder von
Westen kam in der ganzen Gegend nur das Moselthal in Betracht, und die
Schweppeuburg war, obwohl sie das Brohlthal beherrschte, ihrer Anlage nach alles
andre als eine Festung. Man konnte sie nicht einmal als ein festes Schloß, sondern
höchstens als ein Burghaus bezeichnen, worin man zur Not vor Überfällen und
Plünderungsgelüsten zuchtloser Marodeure gesichert war, das aber einem ernstlichem
Angriffe niemals Widerstand zu leisten vermocht hätte. Das Gebäude erhob sich,
wie schon angedeutet wordeu ist, auf einem Hügel von mäßiger Höhe, es war weder
mit Mauern noch mit einem Graben befestigt und hatte weder Türme noch Schie߬
scharten. Seine einzige Starke lag in dem außerordentlich massiven Mauerwerk.
Überdies waren die Fenster des Erdgeschosses mit schweren Gittern versehen, die
Thür von außen und von innen mit Eisenplatten beschlagen. Mehr konnte man,
so glaubte Pancrntius, von einem Kastell nicht verlangen. In Rom, das wußte er
ganz genau, hatten im Altertum und im Mittelalter noch ganz andre Bauwerke
als Festungen und Burgen gedient und sich in blutigen Kriegen glänzend bewährt.
Hatten sich die Gaetani und nach ihnen die Savelli nicht jahrelang im Grabmal
der Cäcilia Metella verschanzt und manche» Sturm erfolgreich abgeschlagen? Hatte
Benvenuto Cellini nicht von der Engelsburg aus, die doch auch mir ein Stein-
kvloß ohne Wall und Graben war, ganz allein mit fünf Geschützen, die er selbst
bediente, einen vollen Monat das bourbonische Heer in Schach gehalten?

Pancratius, der Mann des Friedens und der stillen Freuden, die nur die
Beschäftigung mit den Wissenschaften zu gewähren vermag, fühlte etwas wie den
Geist eines Feldherrn in sich erwachen. Es verstand sich von selbst, daß er, der
sich am „Pompejaner" Livius herangebildet hatte, gegen die Revolution und die
brutale Herrschaft des Pöbels Partei ergriff. Die Begeisterung, mit der man am
Rheine fast überall die ersten Erscheinungen der großen verheißungsvoller Um¬
wälzung begrüßte, hatte er »le geteilt, und er hatte seinen Bauern, die schon von
Freiheit und Gleichheit und von dem Aufhöre» aller Verpflichtungen gegen ihren
Lehnsherrn zu faseln begannen, so derb den Kopf gewaschen, daß ihnen die Lust,
mit dem Bnrgkaplan zu politisieren, vergangen war. Die bedenkliche Wendung der
Dinge hatte er, weil sie seinen Befürchtungen Recht gab, wenn auch mit Abscheu,
so doch mit einer gewissen Genugthuung beobachtet. Er lebte jetzt abgeschlossener


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[0430] [Abbildung] pcmcratius (Lapitolinus Julius R. l^aarhans Gin l^cldengcsang in Prosa von (Fortsetzung) >le kriegerischen Ereignisse des Jahres 1792 lenkten die Anfmerksamkeit unsers Freundes auf militärische Dinge. Ans der Thatsache, daß kleinere, zu der Armee des Generals von Eroach gehörende Ab¬ teilungen der Österreicher das Brohlthal passierten, um mit den Ver¬ bündeten um der französischen Grenze zusammenzustoßen, glaubte er auf die hohe strategische Bedeutung des Thales und damit natürlich auch auf die der Schwcppcnbnrg schließen zu dürfen, eine Voraussetzung, die tu keiner Hinsicht zutraf. Als Straße für große Truppendurchmärsche nach oder von Westen kam in der ganzen Gegend nur das Moselthal in Betracht, und die Schweppeuburg war, obwohl sie das Brohlthal beherrschte, ihrer Anlage nach alles andre als eine Festung. Man konnte sie nicht einmal als ein festes Schloß, sondern höchstens als ein Burghaus bezeichnen, worin man zur Not vor Überfällen und Plünderungsgelüsten zuchtloser Marodeure gesichert war, das aber einem ernstlichem Angriffe niemals Widerstand zu leisten vermocht hätte. Das Gebäude erhob sich, wie schon angedeutet wordeu ist, auf einem Hügel von mäßiger Höhe, es war weder mit Mauern noch mit einem Graben befestigt und hatte weder Türme noch Schie߬ scharten. Seine einzige Starke lag in dem außerordentlich massiven Mauerwerk. Überdies waren die Fenster des Erdgeschosses mit schweren Gittern versehen, die Thür von außen und von innen mit Eisenplatten beschlagen. Mehr konnte man, so glaubte Pancrntius, von einem Kastell nicht verlangen. In Rom, das wußte er ganz genau, hatten im Altertum und im Mittelalter noch ganz andre Bauwerke als Festungen und Burgen gedient und sich in blutigen Kriegen glänzend bewährt. Hatten sich die Gaetani und nach ihnen die Savelli nicht jahrelang im Grabmal der Cäcilia Metella verschanzt und manche» Sturm erfolgreich abgeschlagen? Hatte Benvenuto Cellini nicht von der Engelsburg aus, die doch auch mir ein Stein- kvloß ohne Wall und Graben war, ganz allein mit fünf Geschützen, die er selbst bediente, einen vollen Monat das bourbonische Heer in Schach gehalten? Pancratius, der Mann des Friedens und der stillen Freuden, die nur die Beschäftigung mit den Wissenschaften zu gewähren vermag, fühlte etwas wie den Geist eines Feldherrn in sich erwachen. Es verstand sich von selbst, daß er, der sich am „Pompejaner" Livius herangebildet hatte, gegen die Revolution und die brutale Herrschaft des Pöbels Partei ergriff. Die Begeisterung, mit der man am Rheine fast überall die ersten Erscheinungen der großen verheißungsvoller Um¬ wälzung begrüßte, hatte er »le geteilt, und er hatte seinen Bauern, die schon von Freiheit und Gleichheit und von dem Aufhöre» aller Verpflichtungen gegen ihren Lehnsherrn zu faseln begannen, so derb den Kopf gewaschen, daß ihnen die Lust, mit dem Bnrgkaplan zu politisieren, vergangen war. Die bedenkliche Wendung der Dinge hatte er, weil sie seinen Befürchtungen Recht gab, wenn auch mit Abscheu, so doch mit einer gewissen Genugthuung beobachtet. Er lebte jetzt abgeschlossener

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/430>, abgerufen am 22.07.2024.