Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Moderne Büchcraiisstattmig

Wir reihen hieran einige andre Neuigkeiten des Buchgewerbes. Bei
Eugen Diederichs in Leipzig ist erschienen: "Max Martersteig, Der Schauspieler,
ein künstlerisches Problem, eine Studie, gedruckt mit den Typen von Otto
Eckmann usw." Das Problem besteht darin, ob ein Schauspieler als Künstler
über seiner Rolle stehn oder sich so in sie hineinversetzen solle, daß er sich
z. B. ganz mit einem Shakespearischen König identifiziert, den er spielt, und
gleich hinterher noch sein häusliches Abendbrot unter den Tisch wirft: "Ist
das ein Essen für einen König?" Der Verfasser entscheidet sich für das zweite
-- bis auf das mit dem Abendessen selbstverständlich --, verdunkelt aber dabei
seine durchaus einfache und für die meisten wahrscheinlich auch annehmbare
Meinung unnötigerweise durch eine feierliche Menge von Fremdwörtern aus der
Psychologie: Konzeption, Perzeption, Suggestion, Hypnose, Transfiguration,
Ich-Kausalität. Die Eckmaunschrift macht die Mühe des Verständnisses noch
etwas größer. Sie ist recht hübsch, hat Ähnlichkeit mit der neudeutschen Type
von Genzsch und Heyse, nur steht sie in einigen Buchstaben der Antiqua näher,
aber sie liest sich nicht leicht: man beachte die C, E, F, G. T, die man wirklich
erst kennen lernen muß, ehe man mit thuen umgeh" kann. Die Alinea sind
geblieben, aber die Gedankenstriche durch Schnörkel ersetzt, und die Seiten¬
zahlen, die man doch manchmal braucht und dann schnell braucht, in zwei
Reihen solcher Schnörkel eingepreßt und versteckt. Der Satz und die Aus¬
stattung siud, wie sich das bei dieser Firma von selbst versteht, tadellos.

Oskar Dühnhardt hat unter dem Titel Heimatklänge aus deutschen Gauen,
I. Aus Marsch und Heide, bei Teubner in Leipzig eine Auswahl von nord
deutschen Gedichten und Erzählungen in Dialekt herausgegeben, die sehr zweck
mäßig nach Provinzen: Schleswig-Holstein, Oldenburg, Hannover, Mecklen¬
burg usw. bis Westfalen, geordnet sind. Er hat davon seinen Schülern vor¬
gelesen und ihre Wirkung daran erprobt. Sie werden auch vielen Erwachsenen
Freude machen, die über ihr eignes und andrer Leute Platt Vergleiche an¬
stellen mögen. Der Buchschmuck von Robert Engels besteht aus einigen
Passenden Kopfstücken und Figuren, das Papier ist stark, der Druck ist deutlich,
ganz wie es bei einem Volksbuch sein soll. Wie kann aber ein so bedeutender
Verlag, dem so viel Erfahrung, Verstand und Geschmack zur Seite stehn,
dieses unglückliche Querformat wählen -- doch nein, wir haben es zur Vor¬
sicht gemessen, es ist noch zwei Zentimeter höher als breit, aber es wirkt ganz
wie Notenformat und war hier, wo so viele Gedichte mit schmalen Kolumnen
gegeben werden und rechts und links davon so viel weißer Raum bleibt, so
unangebracht wie möglich. Man soll jedem gönnen, was er übrig hat, und
man braucht auch die Papierverschwendung nicht zu bedauern, aber es ist schade,
wenn durch so etwas der Sinn für das Passende verloren geht. Wie viel
netter hätte sich das Buch im herkömmlichen Oktav ausgenommen! Die Quer¬
formate oder Beinah-Querformate gehören zu den Lieblingen der modernen
Richtung. Soviel wir gesehen haben, sagt das Klimsch-Jahrbuch darüber
gar nichts.


Grenzboten II 1901 5
Moderne Büchcraiisstattmig

Wir reihen hieran einige andre Neuigkeiten des Buchgewerbes. Bei
Eugen Diederichs in Leipzig ist erschienen: „Max Martersteig, Der Schauspieler,
ein künstlerisches Problem, eine Studie, gedruckt mit den Typen von Otto
Eckmann usw." Das Problem besteht darin, ob ein Schauspieler als Künstler
über seiner Rolle stehn oder sich so in sie hineinversetzen solle, daß er sich
z. B. ganz mit einem Shakespearischen König identifiziert, den er spielt, und
gleich hinterher noch sein häusliches Abendbrot unter den Tisch wirft: „Ist
das ein Essen für einen König?" Der Verfasser entscheidet sich für das zweite
— bis auf das mit dem Abendessen selbstverständlich —, verdunkelt aber dabei
seine durchaus einfache und für die meisten wahrscheinlich auch annehmbare
Meinung unnötigerweise durch eine feierliche Menge von Fremdwörtern aus der
Psychologie: Konzeption, Perzeption, Suggestion, Hypnose, Transfiguration,
Ich-Kausalität. Die Eckmaunschrift macht die Mühe des Verständnisses noch
etwas größer. Sie ist recht hübsch, hat Ähnlichkeit mit der neudeutschen Type
von Genzsch und Heyse, nur steht sie in einigen Buchstaben der Antiqua näher,
aber sie liest sich nicht leicht: man beachte die C, E, F, G. T, die man wirklich
erst kennen lernen muß, ehe man mit thuen umgeh» kann. Die Alinea sind
geblieben, aber die Gedankenstriche durch Schnörkel ersetzt, und die Seiten¬
zahlen, die man doch manchmal braucht und dann schnell braucht, in zwei
Reihen solcher Schnörkel eingepreßt und versteckt. Der Satz und die Aus¬
stattung siud, wie sich das bei dieser Firma von selbst versteht, tadellos.

Oskar Dühnhardt hat unter dem Titel Heimatklänge aus deutschen Gauen,
I. Aus Marsch und Heide, bei Teubner in Leipzig eine Auswahl von nord
deutschen Gedichten und Erzählungen in Dialekt herausgegeben, die sehr zweck
mäßig nach Provinzen: Schleswig-Holstein, Oldenburg, Hannover, Mecklen¬
burg usw. bis Westfalen, geordnet sind. Er hat davon seinen Schülern vor¬
gelesen und ihre Wirkung daran erprobt. Sie werden auch vielen Erwachsenen
Freude machen, die über ihr eignes und andrer Leute Platt Vergleiche an¬
stellen mögen. Der Buchschmuck von Robert Engels besteht aus einigen
Passenden Kopfstücken und Figuren, das Papier ist stark, der Druck ist deutlich,
ganz wie es bei einem Volksbuch sein soll. Wie kann aber ein so bedeutender
Verlag, dem so viel Erfahrung, Verstand und Geschmack zur Seite stehn,
dieses unglückliche Querformat wählen — doch nein, wir haben es zur Vor¬
sicht gemessen, es ist noch zwei Zentimeter höher als breit, aber es wirkt ganz
wie Notenformat und war hier, wo so viele Gedichte mit schmalen Kolumnen
gegeben werden und rechts und links davon so viel weißer Raum bleibt, so
unangebracht wie möglich. Man soll jedem gönnen, was er übrig hat, und
man braucht auch die Papierverschwendung nicht zu bedauern, aber es ist schade,
wenn durch so etwas der Sinn für das Passende verloren geht. Wie viel
netter hätte sich das Buch im herkömmlichen Oktav ausgenommen! Die Quer¬
formate oder Beinah-Querformate gehören zu den Lieblingen der modernen
Richtung. Soviel wir gesehen haben, sagt das Klimsch-Jahrbuch darüber
gar nichts.


Grenzboten II 1901 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0041" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/234571"/>
          <fw type="header" place="top"> Moderne Büchcraiisstattmig</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_79"> Wir reihen hieran einige andre Neuigkeiten des Buchgewerbes. Bei<lb/>
Eugen Diederichs in Leipzig ist erschienen: &#x201E;Max Martersteig, Der Schauspieler,<lb/>
ein künstlerisches Problem, eine Studie, gedruckt mit den Typen von Otto<lb/>
Eckmann usw." Das Problem besteht darin, ob ein Schauspieler als Künstler<lb/>
über seiner Rolle stehn oder sich so in sie hineinversetzen solle, daß er sich<lb/>
z. B. ganz mit einem Shakespearischen König identifiziert, den er spielt, und<lb/>
gleich hinterher noch sein häusliches Abendbrot unter den Tisch wirft: &#x201E;Ist<lb/>
das ein Essen für einen König?" Der Verfasser entscheidet sich für das zweite<lb/>
&#x2014; bis auf das mit dem Abendessen selbstverständlich &#x2014;, verdunkelt aber dabei<lb/>
seine durchaus einfache und für die meisten wahrscheinlich auch annehmbare<lb/>
Meinung unnötigerweise durch eine feierliche Menge von Fremdwörtern aus der<lb/>
Psychologie: Konzeption, Perzeption, Suggestion, Hypnose, Transfiguration,<lb/>
Ich-Kausalität. Die Eckmaunschrift macht die Mühe des Verständnisses noch<lb/>
etwas größer. Sie ist recht hübsch, hat Ähnlichkeit mit der neudeutschen Type<lb/>
von Genzsch und Heyse, nur steht sie in einigen Buchstaben der Antiqua näher,<lb/>
aber sie liest sich nicht leicht: man beachte die C, E, F, G. T, die man wirklich<lb/>
erst kennen lernen muß, ehe man mit thuen umgeh» kann. Die Alinea sind<lb/>
geblieben, aber die Gedankenstriche durch Schnörkel ersetzt, und die Seiten¬<lb/>
zahlen, die man doch manchmal braucht und dann schnell braucht, in zwei<lb/>
Reihen solcher Schnörkel eingepreßt und versteckt. Der Satz und die Aus¬<lb/>
stattung siud, wie sich das bei dieser Firma von selbst versteht, tadellos.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_80"> Oskar Dühnhardt hat unter dem Titel Heimatklänge aus deutschen Gauen,<lb/>
I. Aus Marsch und Heide, bei Teubner in Leipzig eine Auswahl von nord<lb/>
deutschen Gedichten und Erzählungen in Dialekt herausgegeben, die sehr zweck<lb/>
mäßig nach Provinzen: Schleswig-Holstein, Oldenburg, Hannover, Mecklen¬<lb/>
burg usw. bis Westfalen, geordnet sind. Er hat davon seinen Schülern vor¬<lb/>
gelesen und ihre Wirkung daran erprobt. Sie werden auch vielen Erwachsenen<lb/>
Freude machen, die über ihr eignes und andrer Leute Platt Vergleiche an¬<lb/>
stellen mögen. Der Buchschmuck von Robert Engels besteht aus einigen<lb/>
Passenden Kopfstücken und Figuren, das Papier ist stark, der Druck ist deutlich,<lb/>
ganz wie es bei einem Volksbuch sein soll. Wie kann aber ein so bedeutender<lb/>
Verlag, dem so viel Erfahrung, Verstand und Geschmack zur Seite stehn,<lb/>
dieses unglückliche Querformat wählen &#x2014; doch nein, wir haben es zur Vor¬<lb/>
sicht gemessen, es ist noch zwei Zentimeter höher als breit, aber es wirkt ganz<lb/>
wie Notenformat und war hier, wo so viele Gedichte mit schmalen Kolumnen<lb/>
gegeben werden und rechts und links davon so viel weißer Raum bleibt, so<lb/>
unangebracht wie möglich. Man soll jedem gönnen, was er übrig hat, und<lb/>
man braucht auch die Papierverschwendung nicht zu bedauern, aber es ist schade,<lb/>
wenn durch so etwas der Sinn für das Passende verloren geht. Wie viel<lb/>
netter hätte sich das Buch im herkömmlichen Oktav ausgenommen! Die Quer¬<lb/>
formate oder Beinah-Querformate gehören zu den Lieblingen der modernen<lb/>
Richtung. Soviel wir gesehen haben, sagt das Klimsch-Jahrbuch darüber<lb/>
gar nichts.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1901 5</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0041] Moderne Büchcraiisstattmig Wir reihen hieran einige andre Neuigkeiten des Buchgewerbes. Bei Eugen Diederichs in Leipzig ist erschienen: „Max Martersteig, Der Schauspieler, ein künstlerisches Problem, eine Studie, gedruckt mit den Typen von Otto Eckmann usw." Das Problem besteht darin, ob ein Schauspieler als Künstler über seiner Rolle stehn oder sich so in sie hineinversetzen solle, daß er sich z. B. ganz mit einem Shakespearischen König identifiziert, den er spielt, und gleich hinterher noch sein häusliches Abendbrot unter den Tisch wirft: „Ist das ein Essen für einen König?" Der Verfasser entscheidet sich für das zweite — bis auf das mit dem Abendessen selbstverständlich —, verdunkelt aber dabei seine durchaus einfache und für die meisten wahrscheinlich auch annehmbare Meinung unnötigerweise durch eine feierliche Menge von Fremdwörtern aus der Psychologie: Konzeption, Perzeption, Suggestion, Hypnose, Transfiguration, Ich-Kausalität. Die Eckmaunschrift macht die Mühe des Verständnisses noch etwas größer. Sie ist recht hübsch, hat Ähnlichkeit mit der neudeutschen Type von Genzsch und Heyse, nur steht sie in einigen Buchstaben der Antiqua näher, aber sie liest sich nicht leicht: man beachte die C, E, F, G. T, die man wirklich erst kennen lernen muß, ehe man mit thuen umgeh» kann. Die Alinea sind geblieben, aber die Gedankenstriche durch Schnörkel ersetzt, und die Seiten¬ zahlen, die man doch manchmal braucht und dann schnell braucht, in zwei Reihen solcher Schnörkel eingepreßt und versteckt. Der Satz und die Aus¬ stattung siud, wie sich das bei dieser Firma von selbst versteht, tadellos. Oskar Dühnhardt hat unter dem Titel Heimatklänge aus deutschen Gauen, I. Aus Marsch und Heide, bei Teubner in Leipzig eine Auswahl von nord deutschen Gedichten und Erzählungen in Dialekt herausgegeben, die sehr zweck mäßig nach Provinzen: Schleswig-Holstein, Oldenburg, Hannover, Mecklen¬ burg usw. bis Westfalen, geordnet sind. Er hat davon seinen Schülern vor¬ gelesen und ihre Wirkung daran erprobt. Sie werden auch vielen Erwachsenen Freude machen, die über ihr eignes und andrer Leute Platt Vergleiche an¬ stellen mögen. Der Buchschmuck von Robert Engels besteht aus einigen Passenden Kopfstücken und Figuren, das Papier ist stark, der Druck ist deutlich, ganz wie es bei einem Volksbuch sein soll. Wie kann aber ein so bedeutender Verlag, dem so viel Erfahrung, Verstand und Geschmack zur Seite stehn, dieses unglückliche Querformat wählen — doch nein, wir haben es zur Vor¬ sicht gemessen, es ist noch zwei Zentimeter höher als breit, aber es wirkt ganz wie Notenformat und war hier, wo so viele Gedichte mit schmalen Kolumnen gegeben werden und rechts und links davon so viel weißer Raum bleibt, so unangebracht wie möglich. Man soll jedem gönnen, was er übrig hat, und man braucht auch die Papierverschwendung nicht zu bedauern, aber es ist schade, wenn durch so etwas der Sinn für das Passende verloren geht. Wie viel netter hätte sich das Buch im herkömmlichen Oktav ausgenommen! Die Quer¬ formate oder Beinah-Querformate gehören zu den Lieblingen der modernen Richtung. Soviel wir gesehen haben, sagt das Klimsch-Jahrbuch darüber gar nichts. Grenzboten II 1901 5

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/41
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/41>, abgerufen am 01.07.2024.