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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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ihr das Institut der römischen Kirche ein Ende mit Schrecken nehmen würde. Die
Aufklärung, die Philosophie und die Naturwissenschaft waren noch nicht einmal die
schlimmsten unter ihren Feinden, bedenklicher waren die Schlangen der Zweifelsucht,
des Widerspruchsgeistes und der Lässigkeit, die sie am eignen Busen genährt hatte,
und die nun, vom Geiste der Zeit begünstigt, als gallikanische und febrönianischc
Häresie ihr Haupt erhoben. Sogar das Volk wurde von der antikirchlichen
Strömung ergriffen: es gab Dörfer, wo man die Geistlichen bei Nacht und Nebel
über die Grenze schaffte und ihnen im Falle der Rückkehr den Tod androhte. Daß
also das Schicksal unsern Pancratius zu einer solchen Zeit in den Priesterrock ge¬
steckt hatte, war ein zweiter Fehler gewesen.

Er that, was jeder andre in seiner Lage wahrscheinlich auch gethan hätte:
er wartete geduldig auf einen Umschwung der Verhältnisse. Sein Verwandter,
der in Beziehungen zum kurfürstlichen Hofe in Trier stand, und dem ein Dom¬
herr versprochen hatte, bet Gelegenheit ein empfehlendes Wort für den jungen
Geistlichen einzulegen, schmeichelte sich mit dem Gedanken, diesen einst als Kanonikus
von Se. Simeon zu sehen, weil der Domherr von einer solchen Stelle beiläufig
gesprochen hatte. Pancratius begab sich deshalb nach mehreren Jahren des Wartens
selbst einmal nach Trier und vernahm dort zu seiner größten Enttäuschung, daß
im Kapitel augenblicklich nicht nur keine Aussicht zur Neubesetzung einer Stelle
vorhanden sei, sondern daß es in der nächsten Umgebung des Kurfürsten nicht an
Aspiranten für das Kanonikat fehle, und daß man auch seit Jahrzehnten leinen
Bürgerlichen mehr in das Kapitel aufgenommen habe.

Von diesen drei Gründen reichte jeder einzelne hin, unserm Freunde dos
Warten zu verleiden. Um eine große Hoffnung erleichtert reiste er wieder nach
Hause. Aber der Besuch in Trier war für Pancratius nicht ganz unfruchtbar geblieben.
Je mehr die Kirche des heiligen Simeon für ihn an Interesse verlor, desto er¬
habner und gewaltiger deuchte ihn der alte römische Riesenbau, in dessen Quader¬
mauern das christliche Gotteshaus eingefügt oder, wie es dem Beschauer immer
deutlicher bewußt wurde, eingeflickt worden war. Zum erstenmal lernte der junge
Priester hier die Römer von einer Seite kennen, die ihm Bewundrung abnötigte.
Wie mächtig mußte ein Volk gewesen sein, das mitten im fremden Lande so festen
F"ß gefaßt hatte, daß es ein solches Bauwerk aufführen konnte!

Bisher hatte sich Pancratius unter den Römern kaum etwas andres als Menschen
vorgestellt, deren ausschließliche Beschäftigung darin bestand, christliche Märtyrer zu
steinigen, mit glühenden Zangen zu zwicken, in Öl zu sieden, als Ziel beim Bogen¬
schießen zu benutzen oder bei gelindem Feuer langsam zu rösten. Nun wurde ihm
mit einemmal klar, daß ihnen eine solche Einseitigkeit gänzlich ferngelegen hatte, und
d"ß sie wenigstens ihre Mußestunden zu Arbeiten verwandt hatten, die ihnen heute
so leicht keiner nachmachte. Der riesenhafte Mann fühlte sich zu dem riesenhaften
Thorbau durch das Band einer Art von Kongenialität hingezogen. Wie er selbst
die Menschen um mehr als Haupteslänge überragte, so reckte sich auch das düstre
Römerkastell über die Dächer der benachbarten Häuser gigautisch empor. Auch dieser
Bau hatte eine lange Zeit des geduldigen Wartens -- man sprach von fünfzehn¬
hundert Jahren -- hinter sich, und immer noch schien sich das ihm bestimmte
Schicksal nicht erfüllen zu wollen. Pancratius empfand es zum erstenmal als ein
Glück, daß er leidlich Latein verstand und sprach; es waren doch die Laute, die
dieses Denkmal der Vergangenheit wie ein Gruß aus seiner Jugendzeit nannten
wußten. Wenn er abends im Dämmerlicht um die hohen Mauern strich und sehn-
süchtige Blicke zu den Obergeschossen des mächtigen Turmpaares emporscmdte, konnte
er sich nicht enthalten, die Gebete seines Breviers halblaut vor sich hinzusprechen.
Das war zwar Latein, aber ein Latein ohne Trotz und Stolz, das zu seinen Ein-


ihr das Institut der römischen Kirche ein Ende mit Schrecken nehmen würde. Die
Aufklärung, die Philosophie und die Naturwissenschaft waren noch nicht einmal die
schlimmsten unter ihren Feinden, bedenklicher waren die Schlangen der Zweifelsucht,
des Widerspruchsgeistes und der Lässigkeit, die sie am eignen Busen genährt hatte,
und die nun, vom Geiste der Zeit begünstigt, als gallikanische und febrönianischc
Häresie ihr Haupt erhoben. Sogar das Volk wurde von der antikirchlichen
Strömung ergriffen: es gab Dörfer, wo man die Geistlichen bei Nacht und Nebel
über die Grenze schaffte und ihnen im Falle der Rückkehr den Tod androhte. Daß
also das Schicksal unsern Pancratius zu einer solchen Zeit in den Priesterrock ge¬
steckt hatte, war ein zweiter Fehler gewesen.

Er that, was jeder andre in seiner Lage wahrscheinlich auch gethan hätte:
er wartete geduldig auf einen Umschwung der Verhältnisse. Sein Verwandter,
der in Beziehungen zum kurfürstlichen Hofe in Trier stand, und dem ein Dom¬
herr versprochen hatte, bet Gelegenheit ein empfehlendes Wort für den jungen
Geistlichen einzulegen, schmeichelte sich mit dem Gedanken, diesen einst als Kanonikus
von Se. Simeon zu sehen, weil der Domherr von einer solchen Stelle beiläufig
gesprochen hatte. Pancratius begab sich deshalb nach mehreren Jahren des Wartens
selbst einmal nach Trier und vernahm dort zu seiner größten Enttäuschung, daß
im Kapitel augenblicklich nicht nur keine Aussicht zur Neubesetzung einer Stelle
vorhanden sei, sondern daß es in der nächsten Umgebung des Kurfürsten nicht an
Aspiranten für das Kanonikat fehle, und daß man auch seit Jahrzehnten leinen
Bürgerlichen mehr in das Kapitel aufgenommen habe.

Von diesen drei Gründen reichte jeder einzelne hin, unserm Freunde dos
Warten zu verleiden. Um eine große Hoffnung erleichtert reiste er wieder nach
Hause. Aber der Besuch in Trier war für Pancratius nicht ganz unfruchtbar geblieben.
Je mehr die Kirche des heiligen Simeon für ihn an Interesse verlor, desto er¬
habner und gewaltiger deuchte ihn der alte römische Riesenbau, in dessen Quader¬
mauern das christliche Gotteshaus eingefügt oder, wie es dem Beschauer immer
deutlicher bewußt wurde, eingeflickt worden war. Zum erstenmal lernte der junge
Priester hier die Römer von einer Seite kennen, die ihm Bewundrung abnötigte.
Wie mächtig mußte ein Volk gewesen sein, das mitten im fremden Lande so festen
F»ß gefaßt hatte, daß es ein solches Bauwerk aufführen konnte!

Bisher hatte sich Pancratius unter den Römern kaum etwas andres als Menschen
vorgestellt, deren ausschließliche Beschäftigung darin bestand, christliche Märtyrer zu
steinigen, mit glühenden Zangen zu zwicken, in Öl zu sieden, als Ziel beim Bogen¬
schießen zu benutzen oder bei gelindem Feuer langsam zu rösten. Nun wurde ihm
mit einemmal klar, daß ihnen eine solche Einseitigkeit gänzlich ferngelegen hatte, und
d"ß sie wenigstens ihre Mußestunden zu Arbeiten verwandt hatten, die ihnen heute
so leicht keiner nachmachte. Der riesenhafte Mann fühlte sich zu dem riesenhaften
Thorbau durch das Band einer Art von Kongenialität hingezogen. Wie er selbst
die Menschen um mehr als Haupteslänge überragte, so reckte sich auch das düstre
Römerkastell über die Dächer der benachbarten Häuser gigautisch empor. Auch dieser
Bau hatte eine lange Zeit des geduldigen Wartens — man sprach von fünfzehn¬
hundert Jahren — hinter sich, und immer noch schien sich das ihm bestimmte
Schicksal nicht erfüllen zu wollen. Pancratius empfand es zum erstenmal als ein
Glück, daß er leidlich Latein verstand und sprach; es waren doch die Laute, die
dieses Denkmal der Vergangenheit wie ein Gruß aus seiner Jugendzeit nannten
wußten. Wenn er abends im Dämmerlicht um die hohen Mauern strich und sehn-
süchtige Blicke zu den Obergeschossen des mächtigen Turmpaares emporscmdte, konnte
er sich nicht enthalten, die Gebete seines Breviers halblaut vor sich hinzusprechen.
Das war zwar Latein, aber ein Latein ohne Trotz und Stolz, das zu seinen Ein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/381>, abgerufen am 03.07.2024.