Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Glossen zu den Reichstagsverhandlnngen über das musikalische Urheberrecht

vereine habe" als wir, so kommt das daher, daß sie das Institut erst seit
wenig Jahrzehnten eingeführt haben, Gehn sie damit in demselben Schritt
weiter wie bisher, so ist die fM, wo sie uns auch numerisch einholen müssen,
nicht mehr fern. In ihren musikalischen Leistungen stehn sie uns trotz un¬
günstigerer Vorbedingungen schou lange nicht mehr nach, sondern wenn die
Deutschen mit ihnen ans gleicher Linie bleiben wollen, werden sie das gesellschaft¬
liche Element und die Gemütlichkeit ihrer Zusammenkünfte und Ilbnngen stark
beschränken müssen. Diese Bereitnnlligkeit scheint dermalen noch nicht zu bestehn.
Der Abgeordnete Veckh, der im Vorstand des Dentschen Sängerbundes sitzt,
gab die vielsagende Erklärung ab, daß die Sängerfeste für den Fall einer Be¬
steuerung der Musikfeste als Volksfeste aufgefaßt werde" müßten, Gut! Dann
soll man aber auch weniger von Idealen und von Bedeutung für die Kunst
trompeten und nicht davon sprechen, daß die Sängcrbundesstistung "bereits"
den Betrag von 200000 Mark erreicht hat, und daß Nur kein Komponisten¬
elend mehr haben. Hat nicht noch für Robert Franz und für Theodor Kirchner
ein "Ehrensold" gesammelt werden müssen? Wie groß ist denn das Opfer,
das den kleinen Vereinen mit der Aufführnngsstener auferlegt werden soll? Die
vom Allgemeinen deutschen Musikverein gegründete und wieder eingegangne An¬
stalt für Aufführungsrecht erhob von jedem neuen Stück ungefähr eine Mark,
Das würde für einen Jahresverlmuich von zwölf kleinen Novitäten zwölf Mark
ergeben. Der inzwischen ins Leben getretne Verein der Komponisten wills
viel billiger machen, für eine Jahresablösung von fünf Mark, An diesen
fünf Mark, versichert der Abgeordnete Haußmann, geht in Süddeutschland das
ganze musikalische Vereinsleben zu Grunde! Dann laßts zu Grunde gehn!
Für die Musik wäre es besser. Wie die Theater samt und sonders, die Kirchen
zum Teil für ihre Musik von jeher auf die Hilfe von Dilettanten verzichtet
haben, so wird auch das Kouzert über kurz oder lang wieder Chöre von Be-
rufssängern verwenden müssen. Die Notwendigkeit wird kommen, sobald die
heute schou wankende Vorherrschaft der Instrumentalmusik überwunden ist. Es
liegt uns fern, deu wenigen guten Dilettautenchörcn zu nahe zu treten, aber
die Mehrzahl der deutschen Singvereine und Liedertafeln verdient dieses Prädikat
nicht, sie kommen für die .Kunst nur indirekt, anhangsweise in Betracht, und
ihr unordentlicher Musikbetrieb kostet uns Jahr um Jahr eine Anzahl guter
Dirigenten, die in dem Vereins-Marstall schneller und elender verbraucht
werden als die ärmsten Droschkenklepper,

Bei den größern Mnsikvereinen hat Dr, Örtel sehr richtig darauf auf¬
merksam gemacht, daß sie allein durch das Institut der passiven Mitglieder sehr
wohl in den Stand gesetzt seien, zu Gunsten der Komponisten eine kleine
Mehrausgabe auf sich zu nehmen.

In irgend einer Form läßt sich die Vergütung des Aufführungsrechts
überall durchführen, ohne daß Volksbildung und Musikpflege geschädigt werden,
und keine der vom Reichstag durchgesetzten Ausnahmen ist sachlich notwendig
oder auch mir genügend gerechtfertigt. Ob die Einziehung der Steuer Um-


Glossen zu den Reichstagsverhandlnngen über das musikalische Urheberrecht

vereine habe» als wir, so kommt das daher, daß sie das Institut erst seit
wenig Jahrzehnten eingeführt haben, Gehn sie damit in demselben Schritt
weiter wie bisher, so ist die fM, wo sie uns auch numerisch einholen müssen,
nicht mehr fern. In ihren musikalischen Leistungen stehn sie uns trotz un¬
günstigerer Vorbedingungen schou lange nicht mehr nach, sondern wenn die
Deutschen mit ihnen ans gleicher Linie bleiben wollen, werden sie das gesellschaft¬
liche Element und die Gemütlichkeit ihrer Zusammenkünfte und Ilbnngen stark
beschränken müssen. Diese Bereitnnlligkeit scheint dermalen noch nicht zu bestehn.
Der Abgeordnete Veckh, der im Vorstand des Dentschen Sängerbundes sitzt,
gab die vielsagende Erklärung ab, daß die Sängerfeste für den Fall einer Be¬
steuerung der Musikfeste als Volksfeste aufgefaßt werde» müßten, Gut! Dann
soll man aber auch weniger von Idealen und von Bedeutung für die Kunst
trompeten und nicht davon sprechen, daß die Sängcrbundesstistung „bereits"
den Betrag von 200000 Mark erreicht hat, und daß Nur kein Komponisten¬
elend mehr haben. Hat nicht noch für Robert Franz und für Theodor Kirchner
ein „Ehrensold" gesammelt werden müssen? Wie groß ist denn das Opfer,
das den kleinen Vereinen mit der Aufführnngsstener auferlegt werden soll? Die
vom Allgemeinen deutschen Musikverein gegründete und wieder eingegangne An¬
stalt für Aufführungsrecht erhob von jedem neuen Stück ungefähr eine Mark,
Das würde für einen Jahresverlmuich von zwölf kleinen Novitäten zwölf Mark
ergeben. Der inzwischen ins Leben getretne Verein der Komponisten wills
viel billiger machen, für eine Jahresablösung von fünf Mark, An diesen
fünf Mark, versichert der Abgeordnete Haußmann, geht in Süddeutschland das
ganze musikalische Vereinsleben zu Grunde! Dann laßts zu Grunde gehn!
Für die Musik wäre es besser. Wie die Theater samt und sonders, die Kirchen
zum Teil für ihre Musik von jeher auf die Hilfe von Dilettanten verzichtet
haben, so wird auch das Kouzert über kurz oder lang wieder Chöre von Be-
rufssängern verwenden müssen. Die Notwendigkeit wird kommen, sobald die
heute schou wankende Vorherrschaft der Instrumentalmusik überwunden ist. Es
liegt uns fern, deu wenigen guten Dilettautenchörcn zu nahe zu treten, aber
die Mehrzahl der deutschen Singvereine und Liedertafeln verdient dieses Prädikat
nicht, sie kommen für die .Kunst nur indirekt, anhangsweise in Betracht, und
ihr unordentlicher Musikbetrieb kostet uns Jahr um Jahr eine Anzahl guter
Dirigenten, die in dem Vereins-Marstall schneller und elender verbraucht
werden als die ärmsten Droschkenklepper,

Bei den größern Mnsikvereinen hat Dr, Örtel sehr richtig darauf auf¬
merksam gemacht, daß sie allein durch das Institut der passiven Mitglieder sehr
wohl in den Stand gesetzt seien, zu Gunsten der Komponisten eine kleine
Mehrausgabe auf sich zu nehmen.

In irgend einer Form läßt sich die Vergütung des Aufführungsrechts
überall durchführen, ohne daß Volksbildung und Musikpflege geschädigt werden,
und keine der vom Reichstag durchgesetzten Ausnahmen ist sachlich notwendig
oder auch mir genügend gerechtfertigt. Ob die Einziehung der Steuer Um-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0376" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/234906"/>
          <fw type="header" place="top"> Glossen zu den Reichstagsverhandlnngen über das musikalische Urheberrecht</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1098" prev="#ID_1097"> vereine habe» als wir, so kommt das daher, daß sie das Institut erst seit<lb/>
wenig Jahrzehnten eingeführt haben, Gehn sie damit in demselben Schritt<lb/>
weiter wie bisher, so ist die fM, wo sie uns auch numerisch einholen müssen,<lb/>
nicht mehr fern. In ihren musikalischen Leistungen stehn sie uns trotz un¬<lb/>
günstigerer Vorbedingungen schou lange nicht mehr nach, sondern wenn die<lb/>
Deutschen mit ihnen ans gleicher Linie bleiben wollen, werden sie das gesellschaft¬<lb/>
liche Element und die Gemütlichkeit ihrer Zusammenkünfte und Ilbnngen stark<lb/>
beschränken müssen. Diese Bereitnnlligkeit scheint dermalen noch nicht zu bestehn.<lb/>
Der Abgeordnete Veckh, der im Vorstand des Dentschen Sängerbundes sitzt,<lb/>
gab die vielsagende Erklärung ab, daß die Sängerfeste für den Fall einer Be¬<lb/>
steuerung der Musikfeste als Volksfeste aufgefaßt werde» müßten, Gut! Dann<lb/>
soll man aber auch weniger von Idealen und von Bedeutung für die Kunst<lb/>
trompeten und nicht davon sprechen, daß die Sängcrbundesstistung &#x201E;bereits"<lb/>
den Betrag von 200000 Mark erreicht hat, und daß Nur kein Komponisten¬<lb/>
elend mehr haben. Hat nicht noch für Robert Franz und für Theodor Kirchner<lb/>
ein &#x201E;Ehrensold" gesammelt werden müssen? Wie groß ist denn das Opfer,<lb/>
das den kleinen Vereinen mit der Aufführnngsstener auferlegt werden soll? Die<lb/>
vom Allgemeinen deutschen Musikverein gegründete und wieder eingegangne An¬<lb/>
stalt für Aufführungsrecht erhob von jedem neuen Stück ungefähr eine Mark,<lb/>
Das würde für einen Jahresverlmuich von zwölf kleinen Novitäten zwölf Mark<lb/>
ergeben. Der inzwischen ins Leben getretne Verein der Komponisten wills<lb/>
viel billiger machen, für eine Jahresablösung von fünf Mark, An diesen<lb/>
fünf Mark, versichert der Abgeordnete Haußmann, geht in Süddeutschland das<lb/>
ganze musikalische Vereinsleben zu Grunde! Dann laßts zu Grunde gehn!<lb/>
Für die Musik wäre es besser. Wie die Theater samt und sonders, die Kirchen<lb/>
zum Teil für ihre Musik von jeher auf die Hilfe von Dilettanten verzichtet<lb/>
haben, so wird auch das Kouzert über kurz oder lang wieder Chöre von Be-<lb/>
rufssängern verwenden müssen. Die Notwendigkeit wird kommen, sobald die<lb/>
heute schou wankende Vorherrschaft der Instrumentalmusik überwunden ist. Es<lb/>
liegt uns fern, deu wenigen guten Dilettautenchörcn zu nahe zu treten, aber<lb/>
die Mehrzahl der deutschen Singvereine und Liedertafeln verdient dieses Prädikat<lb/>
nicht, sie kommen für die .Kunst nur indirekt, anhangsweise in Betracht, und<lb/>
ihr unordentlicher Musikbetrieb kostet uns Jahr um Jahr eine Anzahl guter<lb/>
Dirigenten, die in dem Vereins-Marstall schneller und elender verbraucht<lb/>
werden als die ärmsten Droschkenklepper,</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1099"> Bei den größern Mnsikvereinen hat Dr, Örtel sehr richtig darauf auf¬<lb/>
merksam gemacht, daß sie allein durch das Institut der passiven Mitglieder sehr<lb/>
wohl in den Stand gesetzt seien, zu Gunsten der Komponisten eine kleine<lb/>
Mehrausgabe auf sich zu nehmen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1100" next="#ID_1101"> In irgend einer Form läßt sich die Vergütung des Aufführungsrechts<lb/>
überall durchführen, ohne daß Volksbildung und Musikpflege geschädigt werden,<lb/>
und keine der vom Reichstag durchgesetzten Ausnahmen ist sachlich notwendig<lb/>
oder auch mir genügend gerechtfertigt.  Ob die Einziehung der Steuer Um-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0376] Glossen zu den Reichstagsverhandlnngen über das musikalische Urheberrecht vereine habe» als wir, so kommt das daher, daß sie das Institut erst seit wenig Jahrzehnten eingeführt haben, Gehn sie damit in demselben Schritt weiter wie bisher, so ist die fM, wo sie uns auch numerisch einholen müssen, nicht mehr fern. In ihren musikalischen Leistungen stehn sie uns trotz un¬ günstigerer Vorbedingungen schou lange nicht mehr nach, sondern wenn die Deutschen mit ihnen ans gleicher Linie bleiben wollen, werden sie das gesellschaft¬ liche Element und die Gemütlichkeit ihrer Zusammenkünfte und Ilbnngen stark beschränken müssen. Diese Bereitnnlligkeit scheint dermalen noch nicht zu bestehn. Der Abgeordnete Veckh, der im Vorstand des Dentschen Sängerbundes sitzt, gab die vielsagende Erklärung ab, daß die Sängerfeste für den Fall einer Be¬ steuerung der Musikfeste als Volksfeste aufgefaßt werde» müßten, Gut! Dann soll man aber auch weniger von Idealen und von Bedeutung für die Kunst trompeten und nicht davon sprechen, daß die Sängcrbundesstistung „bereits" den Betrag von 200000 Mark erreicht hat, und daß Nur kein Komponisten¬ elend mehr haben. Hat nicht noch für Robert Franz und für Theodor Kirchner ein „Ehrensold" gesammelt werden müssen? Wie groß ist denn das Opfer, das den kleinen Vereinen mit der Aufführnngsstener auferlegt werden soll? Die vom Allgemeinen deutschen Musikverein gegründete und wieder eingegangne An¬ stalt für Aufführungsrecht erhob von jedem neuen Stück ungefähr eine Mark, Das würde für einen Jahresverlmuich von zwölf kleinen Novitäten zwölf Mark ergeben. Der inzwischen ins Leben getretne Verein der Komponisten wills viel billiger machen, für eine Jahresablösung von fünf Mark, An diesen fünf Mark, versichert der Abgeordnete Haußmann, geht in Süddeutschland das ganze musikalische Vereinsleben zu Grunde! Dann laßts zu Grunde gehn! Für die Musik wäre es besser. Wie die Theater samt und sonders, die Kirchen zum Teil für ihre Musik von jeher auf die Hilfe von Dilettanten verzichtet haben, so wird auch das Kouzert über kurz oder lang wieder Chöre von Be- rufssängern verwenden müssen. Die Notwendigkeit wird kommen, sobald die heute schou wankende Vorherrschaft der Instrumentalmusik überwunden ist. Es liegt uns fern, deu wenigen guten Dilettautenchörcn zu nahe zu treten, aber die Mehrzahl der deutschen Singvereine und Liedertafeln verdient dieses Prädikat nicht, sie kommen für die .Kunst nur indirekt, anhangsweise in Betracht, und ihr unordentlicher Musikbetrieb kostet uns Jahr um Jahr eine Anzahl guter Dirigenten, die in dem Vereins-Marstall schneller und elender verbraucht werden als die ärmsten Droschkenklepper, Bei den größern Mnsikvereinen hat Dr, Örtel sehr richtig darauf auf¬ merksam gemacht, daß sie allein durch das Institut der passiven Mitglieder sehr wohl in den Stand gesetzt seien, zu Gunsten der Komponisten eine kleine Mehrausgabe auf sich zu nehmen. In irgend einer Form läßt sich die Vergütung des Aufführungsrechts überall durchführen, ohne daß Volksbildung und Musikpflege geschädigt werden, und keine der vom Reichstag durchgesetzten Ausnahmen ist sachlich notwendig oder auch mir genügend gerechtfertigt. Ob die Einziehung der Steuer Um-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/376
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/376>, abgerufen am 22.07.2024.