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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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-- bemerkt Voigt dazu --, die Wohnungen zu vermehren, habe den König
auch der Wunsch geleitet, den Hauptstraße" der Residenz ein stattliches Aus¬
sehen zu geben, weshalb er auch die Baupläne meist persönlich kontrolliert,
jn teilweise selbst entworfen habe. Auch Friedrich Wilhelm II. hat allein in
den beiden ersten Jahren seiner Regierung noch etwa hundert Privathüuser
errichten lassen und verschenkt. Dann schlief der Baueifer allmählich ein, wenn
auch die alte merkantilistische Baupolitik noch bis in die Regierungszeit Friedrich
Wilhelms III, nachwirkte.

Das sind die Hauptzüge des Bildes, das Voigt von der Berliner "Ban-
und Wohimngspolitik des Merkantilismus" entwirft. Ergänzend kommen natür¬
lich dazu die Bautaxen und der sonstige Apparat des Polizeistnats, auf den
hier einzugehn Nieder möglich noch nötig ist. Auch das ziemlich dürftige
statistische Material an Boden-, Bau- und Mietpreisen, das für die Zeit
vor 1800 als wirklich zuverlässige Grundlage allgemeiner Schlußfolgerungen
zur Verfügung steht, kann hier ganz außer Betracht bleiben, Auf keinen Fall
ist gerade durch dieses Material ein irgendwie hinreichender Beweis dafür er¬
bracht, daß Voigt Recht hat, wenn er schließlich sagt: "Im ganzen läßt sich
unzweifelhaft behaupten, daß bis zum Tode Friedrichs des Großen in Berlin
bei Wohnhäusern eine wirkliche Grnndrentenbildung so gut wie gar nicht, und
auch bei Geschäftslokalen nur in relativ geringem Umfang vorhanden war,"
Es liegt wohl auf der Hand, daß bei einer Bodenpolitik, wie der geschilderten,
eine Bildung und Entwicklung der Ballplatzrente, von der hier nur zu reden
ist, wie die Theorie sie sich vielleicht als die natürliche vorstellt, nicht möglich
war. Aber daß eine Bauplatzrentenbildung überhaupt nicht stattgefunden hätte,
scheint mir nicht nur unwahrscheinlich, sondern unmöglich. Die sicher sehr
absonderlichen Zickzackwege, die sie genommen hat, zu verfolgen, ist selbstver¬
ständlich heute ausgeschlossen. Die Mietzinse waren jedenfalls auch zur Zeit
Friedrichs des Großen für die gleichen Räume im Zentrum des Verkehrs im
großen und ganzen höher als an der Peripherie, am Schloßplatz höher als
im "Vogelart," Auch Gebäude, die mit demselben Kapitalaufwand, in derselben
Einrichtung und Ausstattung in den verschiednen Stadtteilen erbaut wurden,
brachten gewiß auch damals sehr vielfach einen verschiednen Mietertrag und
dadurch "für dieses Kapital wie Schonberg sagt -- einen verschieden hohen
Reinertrag, eine verschieden hohe Rente,"*) Der Grund des Unterschieds ist
die Lage der Gebäude, Bei deu am ungünstigsten liegenden ergiebt sich für
das Bnukapital nur ein Reinertrag, der der üblichen Rente für sichere Kapital¬
anlagen entspricht, bei den günstiger liegenden dagegen ein höherer Reinertrag,
"dessen Differenz gegenüber jenem die Grundrente ist," Diese städtische Grund¬
rente, die Bauplatzrente, "ist stets die Differenz zwischen den Mietpreisen für
gleiche Räume in verschiednen Gebäuden, die lediglich ihren Grund hat in der



"Das auf den Ankauf des Baugrunds verwandte Kapital ist für die Entstehung der
Grundrente nicht zu berücksichtigen," Schönbergs Handbuch der politischen Ökonomie Z, S, S7V.

— bemerkt Voigt dazu —, die Wohnungen zu vermehren, habe den König
auch der Wunsch geleitet, den Hauptstraße» der Residenz ein stattliches Aus¬
sehen zu geben, weshalb er auch die Baupläne meist persönlich kontrolliert,
jn teilweise selbst entworfen habe. Auch Friedrich Wilhelm II. hat allein in
den beiden ersten Jahren seiner Regierung noch etwa hundert Privathüuser
errichten lassen und verschenkt. Dann schlief der Baueifer allmählich ein, wenn
auch die alte merkantilistische Baupolitik noch bis in die Regierungszeit Friedrich
Wilhelms III, nachwirkte.

Das sind die Hauptzüge des Bildes, das Voigt von der Berliner „Ban-
und Wohimngspolitik des Merkantilismus" entwirft. Ergänzend kommen natür¬
lich dazu die Bautaxen und der sonstige Apparat des Polizeistnats, auf den
hier einzugehn Nieder möglich noch nötig ist. Auch das ziemlich dürftige
statistische Material an Boden-, Bau- und Mietpreisen, das für die Zeit
vor 1800 als wirklich zuverlässige Grundlage allgemeiner Schlußfolgerungen
zur Verfügung steht, kann hier ganz außer Betracht bleiben, Auf keinen Fall
ist gerade durch dieses Material ein irgendwie hinreichender Beweis dafür er¬
bracht, daß Voigt Recht hat, wenn er schließlich sagt: „Im ganzen läßt sich
unzweifelhaft behaupten, daß bis zum Tode Friedrichs des Großen in Berlin
bei Wohnhäusern eine wirkliche Grnndrentenbildung so gut wie gar nicht, und
auch bei Geschäftslokalen nur in relativ geringem Umfang vorhanden war,"
Es liegt wohl auf der Hand, daß bei einer Bodenpolitik, wie der geschilderten,
eine Bildung und Entwicklung der Ballplatzrente, von der hier nur zu reden
ist, wie die Theorie sie sich vielleicht als die natürliche vorstellt, nicht möglich
war. Aber daß eine Bauplatzrentenbildung überhaupt nicht stattgefunden hätte,
scheint mir nicht nur unwahrscheinlich, sondern unmöglich. Die sicher sehr
absonderlichen Zickzackwege, die sie genommen hat, zu verfolgen, ist selbstver¬
ständlich heute ausgeschlossen. Die Mietzinse waren jedenfalls auch zur Zeit
Friedrichs des Großen für die gleichen Räume im Zentrum des Verkehrs im
großen und ganzen höher als an der Peripherie, am Schloßplatz höher als
im „Vogelart," Auch Gebäude, die mit demselben Kapitalaufwand, in derselben
Einrichtung und Ausstattung in den verschiednen Stadtteilen erbaut wurden,
brachten gewiß auch damals sehr vielfach einen verschiednen Mietertrag und
dadurch „für dieses Kapital wie Schonberg sagt — einen verschieden hohen
Reinertrag, eine verschieden hohe Rente,"*) Der Grund des Unterschieds ist
die Lage der Gebäude, Bei deu am ungünstigsten liegenden ergiebt sich für
das Bnukapital nur ein Reinertrag, der der üblichen Rente für sichere Kapital¬
anlagen entspricht, bei den günstiger liegenden dagegen ein höherer Reinertrag,
„dessen Differenz gegenüber jenem die Grundrente ist," Diese städtische Grund¬
rente, die Bauplatzrente, „ist stets die Differenz zwischen den Mietpreisen für
gleiche Räume in verschiednen Gebäuden, die lediglich ihren Grund hat in der



„Das auf den Ankauf des Baugrunds verwandte Kapital ist für die Entstehung der
Grundrente nicht zu berücksichtigen," Schönbergs Handbuch der politischen Ökonomie Z, S, S7V.
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[0357] — bemerkt Voigt dazu —, die Wohnungen zu vermehren, habe den König auch der Wunsch geleitet, den Hauptstraße» der Residenz ein stattliches Aus¬ sehen zu geben, weshalb er auch die Baupläne meist persönlich kontrolliert, jn teilweise selbst entworfen habe. Auch Friedrich Wilhelm II. hat allein in den beiden ersten Jahren seiner Regierung noch etwa hundert Privathüuser errichten lassen und verschenkt. Dann schlief der Baueifer allmählich ein, wenn auch die alte merkantilistische Baupolitik noch bis in die Regierungszeit Friedrich Wilhelms III, nachwirkte. Das sind die Hauptzüge des Bildes, das Voigt von der Berliner „Ban- und Wohimngspolitik des Merkantilismus" entwirft. Ergänzend kommen natür¬ lich dazu die Bautaxen und der sonstige Apparat des Polizeistnats, auf den hier einzugehn Nieder möglich noch nötig ist. Auch das ziemlich dürftige statistische Material an Boden-, Bau- und Mietpreisen, das für die Zeit vor 1800 als wirklich zuverlässige Grundlage allgemeiner Schlußfolgerungen zur Verfügung steht, kann hier ganz außer Betracht bleiben, Auf keinen Fall ist gerade durch dieses Material ein irgendwie hinreichender Beweis dafür er¬ bracht, daß Voigt Recht hat, wenn er schließlich sagt: „Im ganzen läßt sich unzweifelhaft behaupten, daß bis zum Tode Friedrichs des Großen in Berlin bei Wohnhäusern eine wirkliche Grnndrentenbildung so gut wie gar nicht, und auch bei Geschäftslokalen nur in relativ geringem Umfang vorhanden war," Es liegt wohl auf der Hand, daß bei einer Bodenpolitik, wie der geschilderten, eine Bildung und Entwicklung der Ballplatzrente, von der hier nur zu reden ist, wie die Theorie sie sich vielleicht als die natürliche vorstellt, nicht möglich war. Aber daß eine Bauplatzrentenbildung überhaupt nicht stattgefunden hätte, scheint mir nicht nur unwahrscheinlich, sondern unmöglich. Die sicher sehr absonderlichen Zickzackwege, die sie genommen hat, zu verfolgen, ist selbstver¬ ständlich heute ausgeschlossen. Die Mietzinse waren jedenfalls auch zur Zeit Friedrichs des Großen für die gleichen Räume im Zentrum des Verkehrs im großen und ganzen höher als an der Peripherie, am Schloßplatz höher als im „Vogelart," Auch Gebäude, die mit demselben Kapitalaufwand, in derselben Einrichtung und Ausstattung in den verschiednen Stadtteilen erbaut wurden, brachten gewiß auch damals sehr vielfach einen verschiednen Mietertrag und dadurch „für dieses Kapital wie Schonberg sagt — einen verschieden hohen Reinertrag, eine verschieden hohe Rente,"*) Der Grund des Unterschieds ist die Lage der Gebäude, Bei deu am ungünstigsten liegenden ergiebt sich für das Bnukapital nur ein Reinertrag, der der üblichen Rente für sichere Kapital¬ anlagen entspricht, bei den günstiger liegenden dagegen ein höherer Reinertrag, „dessen Differenz gegenüber jenem die Grundrente ist," Diese städtische Grund¬ rente, die Bauplatzrente, „ist stets die Differenz zwischen den Mietpreisen für gleiche Räume in verschiednen Gebäuden, die lediglich ihren Grund hat in der „Das auf den Ankauf des Baugrunds verwandte Kapital ist für die Entstehung der Grundrente nicht zu berücksichtigen," Schönbergs Handbuch der politischen Ökonomie Z, S, S7V.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/357>, abgerufen am 01.10.2024.