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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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!Nit den Buren im Felde

und werden mir unvergeßlich bleiben; er bot mir jedoch manches Interessante,
namentlich über die erstaunliche Orientierungsgabe der Buren. Wenn wir des
Nachts so dahin trabten über die meinen Augen keine Merkmale bietende
Ebene, wußte "rein Nebenmann ganz genau, wo wir waren. Zeit und Rich-
tung bestimmte er nach den Sternen, und ich habe mich manchmal auf meiner
Uhr überzeugt, wie genau er die Zeit nach dem Aufgang einzelner Sterne zu
bestimmen wußte; einsame Farmhänser fand er in tiefster Dunkelheit und ohne
von einem Lichte geleitet zu sein, immer zur vorhergesagter Zeit. Ich pflegte
die Häuser erst denn zu erblicken, wenn mein Pferd vor der Hausthür stehn
blieb. Dabei ritten wir querfeldein, nicht etwa auf Wegen.

Teile unsers Kommandos holten wir unterwegs ein, den Rest trafen wir
ans der Station Vcreenigung, wo mir unser Kommandant mitteilte, daß er
mich zu dem Sekretär unsers Kommandos ausersehen habe. Als solchem lag
es mir ob, alle wichtigern Verhandlungen des Kriegsrath in das Protokollbuch,
ein gewöhnliches Schreibheft, einzutragen. Mehr als das Amt freute eS mich,
damit Gelegenheit gefunden zu haben, Einblick in die Kriegsoperationen zu
gewinnen, eine Erwartung, die sich nur zum Teil erfüllte. Ju Vcreenigung
gewährte man uns den sehr notwendigen vollen Ruhetag. Dann wurde unser
Kommando in vier Eisenbahnzügen untergebracht, die uns nur mit mäßiger
Geschwindigkeit in sechsunddreißigstündiger Fahrt nach Edenburg brachten.
Dort bestiegen wir wieder die Pferde, und weiter ging es dreißig Stunden
laug im Sattel bis nach JakobSdaal. Jenseits dieses Ortes war es am Tage
bor unsrer Ankunft zu einem für uns ungünstigen Gefecht gekommen. Den
Kanonendonner der englischen Artillerie hatten wir gehört, aber wir hatten vor
Ermüdung nicht rechtzeitig zur Unterstützung der Unsrigen eintreffen können.

In Jnkobsdaal erhielten wir eine Ruhepause von fünf Stunden, bevor
uns der Befehl des zum Höchstkommandierenden ernannten Generals Cronjc
traf, gegen die unter Methuen vordringende englische Armee in Stellung bei
Scholtznek zu gehn. Im Kriegsrat wurde diese Stellung vom Kommandanten
Delarey, der aus den voransgegangnen Gefechten Erfahrungen gesammelt hatte,
als ungünstig angegriffen, weil sie in steinigem Gelände lag. Solche Stel¬
lungen hatten sich im feindlichen Artilleriefcner besonders wegen der umher¬
springenden Steinsplitter als äußerst gefährlich erwiesen. Delarey schlug deshalb
eine Stellung vorwärts von Scholtznek in sandigem und möglichst ebenem
Gelände vor, wo sich auch der englischen Artillerie keine Gelegenheit bot, er¬
höhte Positionen einzunehmen. Der Kriegsrat trat Delareys Vorschlag bei,
und demgemäß befahl Crvnje, die Stellung von Magersfontein einzunehmen.

Als wir in diese Stellung eingerückt waren, erblickten wir in den, nur
ilanz leicht welligen Gelände den Modderfluß und dahinter das wohlbefestigte
wglische Lager. Die englischen Truppen und die Artillerie waren schon dies¬
seits des Flusses und hatten dort Erdbefestigungen errichtet. Eine Ponton¬
brücke und die wiederhergestellte Eisenbahnbrücke vermittelten den Verkehr
zwischen beiden Ufern. Unsre Stellung, halbkreisförmig und von außerordent-


!Nit den Buren im Felde

und werden mir unvergeßlich bleiben; er bot mir jedoch manches Interessante,
namentlich über die erstaunliche Orientierungsgabe der Buren. Wenn wir des
Nachts so dahin trabten über die meinen Augen keine Merkmale bietende
Ebene, wußte »rein Nebenmann ganz genau, wo wir waren. Zeit und Rich-
tung bestimmte er nach den Sternen, und ich habe mich manchmal auf meiner
Uhr überzeugt, wie genau er die Zeit nach dem Aufgang einzelner Sterne zu
bestimmen wußte; einsame Farmhänser fand er in tiefster Dunkelheit und ohne
von einem Lichte geleitet zu sein, immer zur vorhergesagter Zeit. Ich pflegte
die Häuser erst denn zu erblicken, wenn mein Pferd vor der Hausthür stehn
blieb. Dabei ritten wir querfeldein, nicht etwa auf Wegen.

Teile unsers Kommandos holten wir unterwegs ein, den Rest trafen wir
ans der Station Vcreenigung, wo mir unser Kommandant mitteilte, daß er
mich zu dem Sekretär unsers Kommandos ausersehen habe. Als solchem lag
es mir ob, alle wichtigern Verhandlungen des Kriegsrath in das Protokollbuch,
ein gewöhnliches Schreibheft, einzutragen. Mehr als das Amt freute eS mich,
damit Gelegenheit gefunden zu haben, Einblick in die Kriegsoperationen zu
gewinnen, eine Erwartung, die sich nur zum Teil erfüllte. Ju Vcreenigung
gewährte man uns den sehr notwendigen vollen Ruhetag. Dann wurde unser
Kommando in vier Eisenbahnzügen untergebracht, die uns nur mit mäßiger
Geschwindigkeit in sechsunddreißigstündiger Fahrt nach Edenburg brachten.
Dort bestiegen wir wieder die Pferde, und weiter ging es dreißig Stunden
laug im Sattel bis nach JakobSdaal. Jenseits dieses Ortes war es am Tage
bor unsrer Ankunft zu einem für uns ungünstigen Gefecht gekommen. Den
Kanonendonner der englischen Artillerie hatten wir gehört, aber wir hatten vor
Ermüdung nicht rechtzeitig zur Unterstützung der Unsrigen eintreffen können.

In Jnkobsdaal erhielten wir eine Ruhepause von fünf Stunden, bevor
uns der Befehl des zum Höchstkommandierenden ernannten Generals Cronjc
traf, gegen die unter Methuen vordringende englische Armee in Stellung bei
Scholtznek zu gehn. Im Kriegsrat wurde diese Stellung vom Kommandanten
Delarey, der aus den voransgegangnen Gefechten Erfahrungen gesammelt hatte,
als ungünstig angegriffen, weil sie in steinigem Gelände lag. Solche Stel¬
lungen hatten sich im feindlichen Artilleriefcner besonders wegen der umher¬
springenden Steinsplitter als äußerst gefährlich erwiesen. Delarey schlug deshalb
eine Stellung vorwärts von Scholtznek in sandigem und möglichst ebenem
Gelände vor, wo sich auch der englischen Artillerie keine Gelegenheit bot, er¬
höhte Positionen einzunehmen. Der Kriegsrat trat Delareys Vorschlag bei,
und demgemäß befahl Crvnje, die Stellung von Magersfontein einzunehmen.

Als wir in diese Stellung eingerückt waren, erblickten wir in den, nur
ilanz leicht welligen Gelände den Modderfluß und dahinter das wohlbefestigte
wglische Lager. Die englischen Truppen und die Artillerie waren schon dies¬
seits des Flusses und hatten dort Erdbefestigungen errichtet. Eine Ponton¬
brücke und die wiederhergestellte Eisenbahnbrücke vermittelten den Verkehr
zwischen beiden Ufern. Unsre Stellung, halbkreisförmig und von außerordent-


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[0229] !Nit den Buren im Felde und werden mir unvergeßlich bleiben; er bot mir jedoch manches Interessante, namentlich über die erstaunliche Orientierungsgabe der Buren. Wenn wir des Nachts so dahin trabten über die meinen Augen keine Merkmale bietende Ebene, wußte »rein Nebenmann ganz genau, wo wir waren. Zeit und Rich- tung bestimmte er nach den Sternen, und ich habe mich manchmal auf meiner Uhr überzeugt, wie genau er die Zeit nach dem Aufgang einzelner Sterne zu bestimmen wußte; einsame Farmhänser fand er in tiefster Dunkelheit und ohne von einem Lichte geleitet zu sein, immer zur vorhergesagter Zeit. Ich pflegte die Häuser erst denn zu erblicken, wenn mein Pferd vor der Hausthür stehn blieb. Dabei ritten wir querfeldein, nicht etwa auf Wegen. Teile unsers Kommandos holten wir unterwegs ein, den Rest trafen wir ans der Station Vcreenigung, wo mir unser Kommandant mitteilte, daß er mich zu dem Sekretär unsers Kommandos ausersehen habe. Als solchem lag es mir ob, alle wichtigern Verhandlungen des Kriegsrath in das Protokollbuch, ein gewöhnliches Schreibheft, einzutragen. Mehr als das Amt freute eS mich, damit Gelegenheit gefunden zu haben, Einblick in die Kriegsoperationen zu gewinnen, eine Erwartung, die sich nur zum Teil erfüllte. Ju Vcreenigung gewährte man uns den sehr notwendigen vollen Ruhetag. Dann wurde unser Kommando in vier Eisenbahnzügen untergebracht, die uns nur mit mäßiger Geschwindigkeit in sechsunddreißigstündiger Fahrt nach Edenburg brachten. Dort bestiegen wir wieder die Pferde, und weiter ging es dreißig Stunden laug im Sattel bis nach JakobSdaal. Jenseits dieses Ortes war es am Tage bor unsrer Ankunft zu einem für uns ungünstigen Gefecht gekommen. Den Kanonendonner der englischen Artillerie hatten wir gehört, aber wir hatten vor Ermüdung nicht rechtzeitig zur Unterstützung der Unsrigen eintreffen können. In Jnkobsdaal erhielten wir eine Ruhepause von fünf Stunden, bevor uns der Befehl des zum Höchstkommandierenden ernannten Generals Cronjc traf, gegen die unter Methuen vordringende englische Armee in Stellung bei Scholtznek zu gehn. Im Kriegsrat wurde diese Stellung vom Kommandanten Delarey, der aus den voransgegangnen Gefechten Erfahrungen gesammelt hatte, als ungünstig angegriffen, weil sie in steinigem Gelände lag. Solche Stel¬ lungen hatten sich im feindlichen Artilleriefcner besonders wegen der umher¬ springenden Steinsplitter als äußerst gefährlich erwiesen. Delarey schlug deshalb eine Stellung vorwärts von Scholtznek in sandigem und möglichst ebenem Gelände vor, wo sich auch der englischen Artillerie keine Gelegenheit bot, er¬ höhte Positionen einzunehmen. Der Kriegsrat trat Delareys Vorschlag bei, und demgemäß befahl Crvnje, die Stellung von Magersfontein einzunehmen. Als wir in diese Stellung eingerückt waren, erblickten wir in den, nur ilanz leicht welligen Gelände den Modderfluß und dahinter das wohlbefestigte wglische Lager. Die englischen Truppen und die Artillerie waren schon dies¬ seits des Flusses und hatten dort Erdbefestigungen errichtet. Eine Ponton¬ brücke und die wiederhergestellte Eisenbahnbrücke vermittelten den Verkehr zwischen beiden Ufern. Unsre Stellung, halbkreisförmig und von außerordent-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/229>, abgerufen am 03.07.2024.