Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Mit den Buren im Felde

auf Entfernungen von Kilometern das Nahen von Pferden und Wagen, jn
sogar mit ziemlicher Gewißheit die Art und die Zahl der Gespanne angeben. Die
im Erdwerk zurückgebliebne Ablösung der Doppelposten schlief so gut und schlecht
es eben ging, Gewehr im Arm, bis einen die Reihenfolge aufzuziehn traf.
Vor Tagesanbruch wurden die Posten vor dem Fort eingezogen und darin
aufgestellt. Am Abend ging es dann ins Lager zurück.

Die Zeit vor Mafeking war eintönig und reizlos. Nachdem ein unbe¬
deutender Ausfall der Engländer ans unser Erdwerk von der dort liegenden
Mannschaft ohne Unterstützung aus dem Lager abgeschlagen worden war,
wurde ein zweiter Versuch während meiner Anwesenheit nicht mehr unter¬
nommen. Unsre wenigen .Kanonen beschossen in langen Zeiträumen die feind¬
lichen Forts, während wir für die feindliche Artillerie unerreichbar waren. Des
Sonntags herrschte vollkommne Ruhe, und diese wurde so streng gehalten, daß
in den Straßen Mcifelings Männer und Frauen, Soldaten und Kinder
spazieren gehn konnten, ohne daß wir sie in diesem Vergnügen, das an den
Wochentagen sehr gefährlich war, störten. Das einzige Vergnügen, das sich
uns bei diesem ewigen Einerlei bot, war die sogar für Burenbegriffe hervor¬
ragende Leistung eines englischen Schützen. Ich denke noch immer mit Ver¬
gnügen daran, wie wir auf Vorposten mit großer Sorgfalt und künstlerischer
Ausführung für ihn eine Puppe herstellten, ihr den Burenschlapphut aufsetzten
und sie dann über die Sandsäcke unsers Erdwerks hervorschauen ließen. Dann
blitzte ein Schuß, nud eine Kugel pfiff so dicht über die Krone des Walles,
daß regelmäßig entweder der Strohmann getroffen oder der davor liegende
Sandsack an der Oberfläche aufgeschlitzt worden war. Der englische Schlitze
erntete dafür ein lautes Bravo.

Wir gedachten die Engländer auszuhungern und lebten ohne Sorge um
die Zukunft Tag um Tag dahin. Da kam plötzlich eine Änderung. Ich war
auf Vorposten gewesen, als wir des Morgens um neun Uhr ganz gegen die
Ordnung unsre Ablösung herankommen sahen. Mit Betrübnis erfuhren wir,
daß ungünstige Nachrichten vom südlichen Kriegsschauplatz über Gefechte von
Graspnn und Belmont eingelaufen seien, und daß 2500 Mann, darunter unser
Kommando, nach Süden zur Unterstützung der Omnjeburen abgerückt seien.
Als wir ins Lager zurückgekehrt waren, ließ mau uns eine halbe Stunde Zeit,
die Pferde zu füttern; absatteln durften wir nicht. Punkt zehn Uhr vormittags
-- es war ein Samstag -- setzte sich unser Trupp von hundert Reitern in
sogenannten Trippelgang, eine Art Trab, nach der Eisenbahnstation Vercenigung,
von wo aus der Transport der Truppen nach Edenburg, der nächsten Station
unsers künftigen Wirkungskreises, geschehen sollte. Wir ritten, jeder so schnell
er wollte, und ohne im Trupp beisammen zu, bleibe". Wer bessere Pferde oder
solche zum Wechseln hatte, kam schneller vorwärts nud versuchte das Kommando
einzuholen. Wir ritten Tag und Nacht über Sonntag bis Montag früh,
fünfundvierzig Stunden lang, ohne zu schlafen, und gönnten nur den Pferden
die nötigsten Ruhepausen. Die Anstrengungen dieses Rittes waren ungeheuer


Mit den Buren im Felde

auf Entfernungen von Kilometern das Nahen von Pferden und Wagen, jn
sogar mit ziemlicher Gewißheit die Art und die Zahl der Gespanne angeben. Die
im Erdwerk zurückgebliebne Ablösung der Doppelposten schlief so gut und schlecht
es eben ging, Gewehr im Arm, bis einen die Reihenfolge aufzuziehn traf.
Vor Tagesanbruch wurden die Posten vor dem Fort eingezogen und darin
aufgestellt. Am Abend ging es dann ins Lager zurück.

Die Zeit vor Mafeking war eintönig und reizlos. Nachdem ein unbe¬
deutender Ausfall der Engländer ans unser Erdwerk von der dort liegenden
Mannschaft ohne Unterstützung aus dem Lager abgeschlagen worden war,
wurde ein zweiter Versuch während meiner Anwesenheit nicht mehr unter¬
nommen. Unsre wenigen .Kanonen beschossen in langen Zeiträumen die feind¬
lichen Forts, während wir für die feindliche Artillerie unerreichbar waren. Des
Sonntags herrschte vollkommne Ruhe, und diese wurde so streng gehalten, daß
in den Straßen Mcifelings Männer und Frauen, Soldaten und Kinder
spazieren gehn konnten, ohne daß wir sie in diesem Vergnügen, das an den
Wochentagen sehr gefährlich war, störten. Das einzige Vergnügen, das sich
uns bei diesem ewigen Einerlei bot, war die sogar für Burenbegriffe hervor¬
ragende Leistung eines englischen Schützen. Ich denke noch immer mit Ver¬
gnügen daran, wie wir auf Vorposten mit großer Sorgfalt und künstlerischer
Ausführung für ihn eine Puppe herstellten, ihr den Burenschlapphut aufsetzten
und sie dann über die Sandsäcke unsers Erdwerks hervorschauen ließen. Dann
blitzte ein Schuß, nud eine Kugel pfiff so dicht über die Krone des Walles,
daß regelmäßig entweder der Strohmann getroffen oder der davor liegende
Sandsack an der Oberfläche aufgeschlitzt worden war. Der englische Schlitze
erntete dafür ein lautes Bravo.

Wir gedachten die Engländer auszuhungern und lebten ohne Sorge um
die Zukunft Tag um Tag dahin. Da kam plötzlich eine Änderung. Ich war
auf Vorposten gewesen, als wir des Morgens um neun Uhr ganz gegen die
Ordnung unsre Ablösung herankommen sahen. Mit Betrübnis erfuhren wir,
daß ungünstige Nachrichten vom südlichen Kriegsschauplatz über Gefechte von
Graspnn und Belmont eingelaufen seien, und daß 2500 Mann, darunter unser
Kommando, nach Süden zur Unterstützung der Omnjeburen abgerückt seien.
Als wir ins Lager zurückgekehrt waren, ließ mau uns eine halbe Stunde Zeit,
die Pferde zu füttern; absatteln durften wir nicht. Punkt zehn Uhr vormittags
— es war ein Samstag — setzte sich unser Trupp von hundert Reitern in
sogenannten Trippelgang, eine Art Trab, nach der Eisenbahnstation Vercenigung,
von wo aus der Transport der Truppen nach Edenburg, der nächsten Station
unsers künftigen Wirkungskreises, geschehen sollte. Wir ritten, jeder so schnell
er wollte, und ohne im Trupp beisammen zu, bleibe». Wer bessere Pferde oder
solche zum Wechseln hatte, kam schneller vorwärts nud versuchte das Kommando
einzuholen. Wir ritten Tag und Nacht über Sonntag bis Montag früh,
fünfundvierzig Stunden lang, ohne zu schlafen, und gönnten nur den Pferden
die nötigsten Ruhepausen. Die Anstrengungen dieses Rittes waren ungeheuer


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0228" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/234758"/>
          <fw type="header" place="top"> Mit den Buren im Felde</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_656" prev="#ID_655"> auf Entfernungen von Kilometern das Nahen von Pferden und Wagen, jn<lb/>
sogar mit ziemlicher Gewißheit die Art und die Zahl der Gespanne angeben. Die<lb/>
im Erdwerk zurückgebliebne Ablösung der Doppelposten schlief so gut und schlecht<lb/>
es eben ging, Gewehr im Arm, bis einen die Reihenfolge aufzuziehn traf.<lb/>
Vor Tagesanbruch wurden die Posten vor dem Fort eingezogen und darin<lb/>
aufgestellt.  Am Abend ging es dann ins Lager zurück.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_657"> Die Zeit vor Mafeking war eintönig und reizlos. Nachdem ein unbe¬<lb/>
deutender Ausfall der Engländer ans unser Erdwerk von der dort liegenden<lb/>
Mannschaft ohne Unterstützung aus dem Lager abgeschlagen worden war,<lb/>
wurde ein zweiter Versuch während meiner Anwesenheit nicht mehr unter¬<lb/>
nommen. Unsre wenigen .Kanonen beschossen in langen Zeiträumen die feind¬<lb/>
lichen Forts, während wir für die feindliche Artillerie unerreichbar waren. Des<lb/>
Sonntags herrschte vollkommne Ruhe, und diese wurde so streng gehalten, daß<lb/>
in den Straßen Mcifelings Männer und Frauen, Soldaten und Kinder<lb/>
spazieren gehn konnten, ohne daß wir sie in diesem Vergnügen, das an den<lb/>
Wochentagen sehr gefährlich war, störten. Das einzige Vergnügen, das sich<lb/>
uns bei diesem ewigen Einerlei bot, war die sogar für Burenbegriffe hervor¬<lb/>
ragende Leistung eines englischen Schützen. Ich denke noch immer mit Ver¬<lb/>
gnügen daran, wie wir auf Vorposten mit großer Sorgfalt und künstlerischer<lb/>
Ausführung für ihn eine Puppe herstellten, ihr den Burenschlapphut aufsetzten<lb/>
und sie dann über die Sandsäcke unsers Erdwerks hervorschauen ließen. Dann<lb/>
blitzte ein Schuß, nud eine Kugel pfiff so dicht über die Krone des Walles,<lb/>
daß regelmäßig entweder der Strohmann getroffen oder der davor liegende<lb/>
Sandsack an der Oberfläche aufgeschlitzt worden war. Der englische Schlitze<lb/>
erntete dafür ein lautes Bravo.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_658" next="#ID_659"> Wir gedachten die Engländer auszuhungern und lebten ohne Sorge um<lb/>
die Zukunft Tag um Tag dahin. Da kam plötzlich eine Änderung. Ich war<lb/>
auf Vorposten gewesen, als wir des Morgens um neun Uhr ganz gegen die<lb/>
Ordnung unsre Ablösung herankommen sahen. Mit Betrübnis erfuhren wir,<lb/>
daß ungünstige Nachrichten vom südlichen Kriegsschauplatz über Gefechte von<lb/>
Graspnn und Belmont eingelaufen seien, und daß 2500 Mann, darunter unser<lb/>
Kommando, nach Süden zur Unterstützung der Omnjeburen abgerückt seien.<lb/>
Als wir ins Lager zurückgekehrt waren, ließ mau uns eine halbe Stunde Zeit,<lb/>
die Pferde zu füttern; absatteln durften wir nicht. Punkt zehn Uhr vormittags<lb/>
&#x2014; es war ein Samstag &#x2014; setzte sich unser Trupp von hundert Reitern in<lb/>
sogenannten Trippelgang, eine Art Trab, nach der Eisenbahnstation Vercenigung,<lb/>
von wo aus der Transport der Truppen nach Edenburg, der nächsten Station<lb/>
unsers künftigen Wirkungskreises, geschehen sollte. Wir ritten, jeder so schnell<lb/>
er wollte, und ohne im Trupp beisammen zu, bleibe». Wer bessere Pferde oder<lb/>
solche zum Wechseln hatte, kam schneller vorwärts nud versuchte das Kommando<lb/>
einzuholen. Wir ritten Tag und Nacht über Sonntag bis Montag früh,<lb/>
fünfundvierzig Stunden lang, ohne zu schlafen, und gönnten nur den Pferden<lb/>
die nötigsten Ruhepausen. Die Anstrengungen dieses Rittes waren ungeheuer</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0228] Mit den Buren im Felde auf Entfernungen von Kilometern das Nahen von Pferden und Wagen, jn sogar mit ziemlicher Gewißheit die Art und die Zahl der Gespanne angeben. Die im Erdwerk zurückgebliebne Ablösung der Doppelposten schlief so gut und schlecht es eben ging, Gewehr im Arm, bis einen die Reihenfolge aufzuziehn traf. Vor Tagesanbruch wurden die Posten vor dem Fort eingezogen und darin aufgestellt. Am Abend ging es dann ins Lager zurück. Die Zeit vor Mafeking war eintönig und reizlos. Nachdem ein unbe¬ deutender Ausfall der Engländer ans unser Erdwerk von der dort liegenden Mannschaft ohne Unterstützung aus dem Lager abgeschlagen worden war, wurde ein zweiter Versuch während meiner Anwesenheit nicht mehr unter¬ nommen. Unsre wenigen .Kanonen beschossen in langen Zeiträumen die feind¬ lichen Forts, während wir für die feindliche Artillerie unerreichbar waren. Des Sonntags herrschte vollkommne Ruhe, und diese wurde so streng gehalten, daß in den Straßen Mcifelings Männer und Frauen, Soldaten und Kinder spazieren gehn konnten, ohne daß wir sie in diesem Vergnügen, das an den Wochentagen sehr gefährlich war, störten. Das einzige Vergnügen, das sich uns bei diesem ewigen Einerlei bot, war die sogar für Burenbegriffe hervor¬ ragende Leistung eines englischen Schützen. Ich denke noch immer mit Ver¬ gnügen daran, wie wir auf Vorposten mit großer Sorgfalt und künstlerischer Ausführung für ihn eine Puppe herstellten, ihr den Burenschlapphut aufsetzten und sie dann über die Sandsäcke unsers Erdwerks hervorschauen ließen. Dann blitzte ein Schuß, nud eine Kugel pfiff so dicht über die Krone des Walles, daß regelmäßig entweder der Strohmann getroffen oder der davor liegende Sandsack an der Oberfläche aufgeschlitzt worden war. Der englische Schlitze erntete dafür ein lautes Bravo. Wir gedachten die Engländer auszuhungern und lebten ohne Sorge um die Zukunft Tag um Tag dahin. Da kam plötzlich eine Änderung. Ich war auf Vorposten gewesen, als wir des Morgens um neun Uhr ganz gegen die Ordnung unsre Ablösung herankommen sahen. Mit Betrübnis erfuhren wir, daß ungünstige Nachrichten vom südlichen Kriegsschauplatz über Gefechte von Graspnn und Belmont eingelaufen seien, und daß 2500 Mann, darunter unser Kommando, nach Süden zur Unterstützung der Omnjeburen abgerückt seien. Als wir ins Lager zurückgekehrt waren, ließ mau uns eine halbe Stunde Zeit, die Pferde zu füttern; absatteln durften wir nicht. Punkt zehn Uhr vormittags — es war ein Samstag — setzte sich unser Trupp von hundert Reitern in sogenannten Trippelgang, eine Art Trab, nach der Eisenbahnstation Vercenigung, von wo aus der Transport der Truppen nach Edenburg, der nächsten Station unsers künftigen Wirkungskreises, geschehen sollte. Wir ritten, jeder so schnell er wollte, und ohne im Trupp beisammen zu, bleibe». Wer bessere Pferde oder solche zum Wechseln hatte, kam schneller vorwärts nud versuchte das Kommando einzuholen. Wir ritten Tag und Nacht über Sonntag bis Montag früh, fünfundvierzig Stunden lang, ohne zu schlafen, und gönnten nur den Pferden die nötigsten Ruhepausen. Die Anstrengungen dieses Rittes waren ungeheuer

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/228
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/228>, abgerufen am 03.07.2024.