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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Mit den Buren im Felde

wechselnd zu Felde ziehn, ein Vorschlag, der seine Billigung fand. Ich rüstete
mich schleunigst aus, d, h, ich zog die besten Ober- und Unterkleider um, dazu
die stärksten Stiefel, packte einige weitere Kleidungsstücke zum Wechseln zu¬
sammen und ließ unser leichtestes zweirädriges Wägelchen anspannen. Die
Dier vorgespannten Maultiere lenkte unser Boy, dem auch der Weg bekannt
'.war. Nebeneinander sitzend legten wir die bis Mafeking etwa 190 Kilometer
betragende Strecke von morgens acht Uhr bis zum Mittag des folgenden Tags,
-also etwa in dreißig Stunden zurück. Wir fuhren Tag und Nacht, zwischen
je zwei Stunden Fahrt nur zehn Minuten Pause. Unser Weg führte uns
vielfach durch Farnen, wo man uns des Tags freundlichst Kaffee und unsern
Tieren Futter verabreichte; des Nachts waren wir auf uns und unsre Vorräte
angewiesen. Die Nähe des Lagers Mafeking kündigte sich dnrch zahlreiche
weidende Ochsen und Pferde um. Schon auf große Entfernung sahen wir in
dem ganz leicht welligen Gelände die Wagen des Lagers selbst und die
leuchtende Leinwand der Wagcnüberdachungen, Dorthin ließ ich lenken. Auf
die Frage nach meiner Feldkornettschaft (Gatsrand) wies man mich nach dem
linken Flügel des Lagers, wo ich mich, von den Freunden herzlich begrüßt,
zunächst bei Oven T, der inzwischen Kommandant geworden war, meldete. Er
bot mir, nachdem er den Zweck meines Kommens erfahren hatte, die Stelle
seines Adjutanten an, die durch den Weggang von G. frei werden würde.
Diese Stellung verdankten G. wie ich der Beherrschung der englischen Sprache,
sowie unsrer Gewandtheit im Schreiben, nicht etwa militärischen Eigenschaften.
Erleichterungen waren damit nicht verbunden. Mein Dienst unterschied sich
in nichts von dem eines Gemeinen; in der für diesen sonst freien Zeit lag es
mir ob, den Zu- und Abgang des Proviants zu kontrollieren, ihn zu hundelt
und den monatlichen Abschluß an die Generalkanzlei abzuliefern. Außerdem
hatte ich den Kommandanten bei der Befehlsansgabe zu unterstützen, Freund G.,
der Anteil an einem Zelt hatte, trat mir diesen ub, überließ mir auch seine
zwei Pferde und ging mit Urlaubspaß auf die Farm zurück in demsp'^en
Wägelchen, das mich gebracht hatte. Meine Absicht, mich nicht wieder ablösen
zu lassen, hatte ich ihm natürlich verheimlicht; ich versprach, ven Tag der
Rückkehr zeitig anzuzeigen.

Noch am Tage meiner Ankunft traf mich die Reihe, auf Vorposten auf-
zuziehn in ein sogenanntes Fort, ein Erdwerk, d-gZ gegen Mafeking so weit
vorgeschoben war, daß man mit dein Uebel)'..ndertmetervisier in die englischen
Forts hineinschießen konnte. Gegen Abend ritten die zu Vorposten bestimmten
hundert Mann, fünfundzwanzig Manu aus jeder der vier Feldkoruettschafteu
des Kommandos, vom Lager ab. Bei Dunkelheit wurde das Erdwerk erreicht,
und die Mannschaft darin abgelöst. Fünf Doppelposten krochen etwa vierzig
Meter vor das Werk und blieben dort je eine Stunde liegen.

Sehen konnte man des Nachts trotz der sehr hellen Nächte nicht weit;
die Kunst bestand im Erhorchen, Es war erstaunlich, welche Fähigkeiten die
Buren hierin entwickelten. Das Ohr auf einen Fels auflegend konnten sie


Mit den Buren im Felde

wechselnd zu Felde ziehn, ein Vorschlag, der seine Billigung fand. Ich rüstete
mich schleunigst aus, d, h, ich zog die besten Ober- und Unterkleider um, dazu
die stärksten Stiefel, packte einige weitere Kleidungsstücke zum Wechseln zu¬
sammen und ließ unser leichtestes zweirädriges Wägelchen anspannen. Die
Dier vorgespannten Maultiere lenkte unser Boy, dem auch der Weg bekannt
'.war. Nebeneinander sitzend legten wir die bis Mafeking etwa 190 Kilometer
betragende Strecke von morgens acht Uhr bis zum Mittag des folgenden Tags,
-also etwa in dreißig Stunden zurück. Wir fuhren Tag und Nacht, zwischen
je zwei Stunden Fahrt nur zehn Minuten Pause. Unser Weg führte uns
vielfach durch Farnen, wo man uns des Tags freundlichst Kaffee und unsern
Tieren Futter verabreichte; des Nachts waren wir auf uns und unsre Vorräte
angewiesen. Die Nähe des Lagers Mafeking kündigte sich dnrch zahlreiche
weidende Ochsen und Pferde um. Schon auf große Entfernung sahen wir in
dem ganz leicht welligen Gelände die Wagen des Lagers selbst und die
leuchtende Leinwand der Wagcnüberdachungen, Dorthin ließ ich lenken. Auf
die Frage nach meiner Feldkornettschaft (Gatsrand) wies man mich nach dem
linken Flügel des Lagers, wo ich mich, von den Freunden herzlich begrüßt,
zunächst bei Oven T, der inzwischen Kommandant geworden war, meldete. Er
bot mir, nachdem er den Zweck meines Kommens erfahren hatte, die Stelle
seines Adjutanten an, die durch den Weggang von G. frei werden würde.
Diese Stellung verdankten G. wie ich der Beherrschung der englischen Sprache,
sowie unsrer Gewandtheit im Schreiben, nicht etwa militärischen Eigenschaften.
Erleichterungen waren damit nicht verbunden. Mein Dienst unterschied sich
in nichts von dem eines Gemeinen; in der für diesen sonst freien Zeit lag es
mir ob, den Zu- und Abgang des Proviants zu kontrollieren, ihn zu hundelt
und den monatlichen Abschluß an die Generalkanzlei abzuliefern. Außerdem
hatte ich den Kommandanten bei der Befehlsansgabe zu unterstützen, Freund G.,
der Anteil an einem Zelt hatte, trat mir diesen ub, überließ mir auch seine
zwei Pferde und ging mit Urlaubspaß auf die Farm zurück in demsp'^en
Wägelchen, das mich gebracht hatte. Meine Absicht, mich nicht wieder ablösen
zu lassen, hatte ich ihm natürlich verheimlicht; ich versprach, ven Tag der
Rückkehr zeitig anzuzeigen.

Noch am Tage meiner Ankunft traf mich die Reihe, auf Vorposten auf-
zuziehn in ein sogenanntes Fort, ein Erdwerk, d-gZ gegen Mafeking so weit
vorgeschoben war, daß man mit dein Uebel)'..ndertmetervisier in die englischen
Forts hineinschießen konnte. Gegen Abend ritten die zu Vorposten bestimmten
hundert Mann, fünfundzwanzig Manu aus jeder der vier Feldkoruettschafteu
des Kommandos, vom Lager ab. Bei Dunkelheit wurde das Erdwerk erreicht,
und die Mannschaft darin abgelöst. Fünf Doppelposten krochen etwa vierzig
Meter vor das Werk und blieben dort je eine Stunde liegen.

Sehen konnte man des Nachts trotz der sehr hellen Nächte nicht weit;
die Kunst bestand im Erhorchen, Es war erstaunlich, welche Fähigkeiten die
Buren hierin entwickelten. Das Ohr auf einen Fels auflegend konnten sie


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[0227] Mit den Buren im Felde wechselnd zu Felde ziehn, ein Vorschlag, der seine Billigung fand. Ich rüstete mich schleunigst aus, d, h, ich zog die besten Ober- und Unterkleider um, dazu die stärksten Stiefel, packte einige weitere Kleidungsstücke zum Wechseln zu¬ sammen und ließ unser leichtestes zweirädriges Wägelchen anspannen. Die Dier vorgespannten Maultiere lenkte unser Boy, dem auch der Weg bekannt '.war. Nebeneinander sitzend legten wir die bis Mafeking etwa 190 Kilometer betragende Strecke von morgens acht Uhr bis zum Mittag des folgenden Tags, -also etwa in dreißig Stunden zurück. Wir fuhren Tag und Nacht, zwischen je zwei Stunden Fahrt nur zehn Minuten Pause. Unser Weg führte uns vielfach durch Farnen, wo man uns des Tags freundlichst Kaffee und unsern Tieren Futter verabreichte; des Nachts waren wir auf uns und unsre Vorräte angewiesen. Die Nähe des Lagers Mafeking kündigte sich dnrch zahlreiche weidende Ochsen und Pferde um. Schon auf große Entfernung sahen wir in dem ganz leicht welligen Gelände die Wagen des Lagers selbst und die leuchtende Leinwand der Wagcnüberdachungen, Dorthin ließ ich lenken. Auf die Frage nach meiner Feldkornettschaft (Gatsrand) wies man mich nach dem linken Flügel des Lagers, wo ich mich, von den Freunden herzlich begrüßt, zunächst bei Oven T, der inzwischen Kommandant geworden war, meldete. Er bot mir, nachdem er den Zweck meines Kommens erfahren hatte, die Stelle seines Adjutanten an, die durch den Weggang von G. frei werden würde. Diese Stellung verdankten G. wie ich der Beherrschung der englischen Sprache, sowie unsrer Gewandtheit im Schreiben, nicht etwa militärischen Eigenschaften. Erleichterungen waren damit nicht verbunden. Mein Dienst unterschied sich in nichts von dem eines Gemeinen; in der für diesen sonst freien Zeit lag es mir ob, den Zu- und Abgang des Proviants zu kontrollieren, ihn zu hundelt und den monatlichen Abschluß an die Generalkanzlei abzuliefern. Außerdem hatte ich den Kommandanten bei der Befehlsansgabe zu unterstützen, Freund G., der Anteil an einem Zelt hatte, trat mir diesen ub, überließ mir auch seine zwei Pferde und ging mit Urlaubspaß auf die Farm zurück in demsp'^en Wägelchen, das mich gebracht hatte. Meine Absicht, mich nicht wieder ablösen zu lassen, hatte ich ihm natürlich verheimlicht; ich versprach, ven Tag der Rückkehr zeitig anzuzeigen. Noch am Tage meiner Ankunft traf mich die Reihe, auf Vorposten auf- zuziehn in ein sogenanntes Fort, ein Erdwerk, d-gZ gegen Mafeking so weit vorgeschoben war, daß man mit dein Uebel)'..ndertmetervisier in die englischen Forts hineinschießen konnte. Gegen Abend ritten die zu Vorposten bestimmten hundert Mann, fünfundzwanzig Manu aus jeder der vier Feldkoruettschafteu des Kommandos, vom Lager ab. Bei Dunkelheit wurde das Erdwerk erreicht, und die Mannschaft darin abgelöst. Fünf Doppelposten krochen etwa vierzig Meter vor das Werk und blieben dort je eine Stunde liegen. Sehen konnte man des Nachts trotz der sehr hellen Nächte nicht weit; die Kunst bestand im Erhorchen, Es war erstaunlich, welche Fähigkeiten die Buren hierin entwickelten. Das Ohr auf einen Fels auflegend konnten sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/227>, abgerufen am 03.07.2024.