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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Nut den Buren im Felde

getrocknetem Brot beladen. Nach zehn Tagen konnte er, mit sechzehn Ochsen
bespannt und von zwei Kaffern geführt, abgehn, Kaum war er fort, als bei
uns die Nachricht von dem vierundzwanzigstündigen Ultimatum der Republiken
an die englische Negierung eintraf. Obgleich dieses den Ausbruch des Kriegs
bedeutete, machte die Nachricht weiter keinen Eindruck. So sehr hatte man sie
stündlich erwartet.

Das Geschäft hatte ganz aufgehört. Man besuchte die Nachbarn und
besprach mit Gleichmut die Aussichten des Kriegs, die Buren hoffnungsvoller
als ich. Ein Nachrichteudieust wurde eingerichtet in der Weise, daß ein be-
rittuer Junge von uns immer auf der Eisenbahnstation, wo allein ein Telegraph
durchging, hielt, um uus die eingehenden Depeschen zu überbringen. Die Glocke
des Schulhauses sollte jedesmal die Ankunft des Boten anzeigen und die Leute
herbeirufen, damit diesen der Inhalt der Depeschen dnrch Verlesen bekannt ge¬
geben werde. Bald traf die erste Nachricht von dem Beginn der Feindselig¬
keiten ein, zugleich von unserm Kommando. Sie lautete günstig. Den Eng¬
ländern war vor Mafekiug ein gepanzerter Eisenbahnzug abgefangen worden.
Brieflich erfuhr ich später den sonderbaren Zufall, daß ein Angestellter unsers
Geschäfts in der Kolonie, zugleich ein Freund von uns, in dem Zuge gewesen
und gefangen genommen worden war. Er freute sich uicht wenig, als er dem
mit Kugeln durchlöcherte" gepanzerten Kasten entstieg, die Hände von Freunden
schütteln zu können. Die nächsten Nachrichten kamen von Elandslaagte und
Dundee, die letzte für uns unerwartet günstig. Die Freude hierüber war all¬
gemein, äußerte sich aber niemals laut. Stillvergnügt ging man in den
Häusern umher. Auch dann kam es nicht zu Freudenkundgebungen irgend
welcher Art, als Ladhsmith, Kimberley und Mafeking eingeschlossen werden
konnten. Nach der während meiner Dienstzeit in Deutschland uns als Neserve-
offizieraspiranteu zu teil gewordnen Instruktion über die allgemeinsten strate¬
gischen Grundsätze fiel mir während dieser Zeit nur auf, daß unsre Truppen
nach vier Seiten in ungefähr gleicher Stärke verteilt waren. Nach meinen
allerdings sehr geringen Kenntnissen von Strategie hätte die Haupttruppen¬
macht dort zusammengezogen sein müssen, wo man als Angreifer die Ent¬
scheidung suchen wollte. In dieser Annahme hatte ich erwartet, man werde
die Gebirgspässe an der Natalgrenzc mit wenig Truppen sperren und mit der
ganzen übrigen Macht vereint in die Kapkolonie einbrechen. Dort kannte ich
die Stimmung unter den Kapbureu und die unter ihnen herrschende Begeiste¬
rung für ein "Frei-Südafrika." Bei dieser Stimmung mußte den Burenrepubli¬
kanern nach ihren ersten Erfolgen alles zuströme"; die Entscheidungen würden
vor Kapstadt gefallen, lind Plätze wie Mafeking und Kimberley für die Eng¬
länder Verlorne Plätze gewesen sein.

Noch vierzehn Tage hielt ich es auf unsrer Farm aus. Dann packte
mich die Langeweile, dazu das drückende Gefühl, uuter Frauen, alten Männern
und Knaben zu Hause sitzen zu müssen, anstatt für die Allgemeinheit mitzu¬
wirken. Mit diese" Gefühlen schrieb ich an G., wir wollten monatsweise ab-


Nut den Buren im Felde

getrocknetem Brot beladen. Nach zehn Tagen konnte er, mit sechzehn Ochsen
bespannt und von zwei Kaffern geführt, abgehn, Kaum war er fort, als bei
uns die Nachricht von dem vierundzwanzigstündigen Ultimatum der Republiken
an die englische Negierung eintraf. Obgleich dieses den Ausbruch des Kriegs
bedeutete, machte die Nachricht weiter keinen Eindruck. So sehr hatte man sie
stündlich erwartet.

Das Geschäft hatte ganz aufgehört. Man besuchte die Nachbarn und
besprach mit Gleichmut die Aussichten des Kriegs, die Buren hoffnungsvoller
als ich. Ein Nachrichteudieust wurde eingerichtet in der Weise, daß ein be-
rittuer Junge von uns immer auf der Eisenbahnstation, wo allein ein Telegraph
durchging, hielt, um uus die eingehenden Depeschen zu überbringen. Die Glocke
des Schulhauses sollte jedesmal die Ankunft des Boten anzeigen und die Leute
herbeirufen, damit diesen der Inhalt der Depeschen dnrch Verlesen bekannt ge¬
geben werde. Bald traf die erste Nachricht von dem Beginn der Feindselig¬
keiten ein, zugleich von unserm Kommando. Sie lautete günstig. Den Eng¬
ländern war vor Mafekiug ein gepanzerter Eisenbahnzug abgefangen worden.
Brieflich erfuhr ich später den sonderbaren Zufall, daß ein Angestellter unsers
Geschäfts in der Kolonie, zugleich ein Freund von uns, in dem Zuge gewesen
und gefangen genommen worden war. Er freute sich uicht wenig, als er dem
mit Kugeln durchlöcherte» gepanzerten Kasten entstieg, die Hände von Freunden
schütteln zu können. Die nächsten Nachrichten kamen von Elandslaagte und
Dundee, die letzte für uns unerwartet günstig. Die Freude hierüber war all¬
gemein, äußerte sich aber niemals laut. Stillvergnügt ging man in den
Häusern umher. Auch dann kam es nicht zu Freudenkundgebungen irgend
welcher Art, als Ladhsmith, Kimberley und Mafeking eingeschlossen werden
konnten. Nach der während meiner Dienstzeit in Deutschland uns als Neserve-
offizieraspiranteu zu teil gewordnen Instruktion über die allgemeinsten strate¬
gischen Grundsätze fiel mir während dieser Zeit nur auf, daß unsre Truppen
nach vier Seiten in ungefähr gleicher Stärke verteilt waren. Nach meinen
allerdings sehr geringen Kenntnissen von Strategie hätte die Haupttruppen¬
macht dort zusammengezogen sein müssen, wo man als Angreifer die Ent¬
scheidung suchen wollte. In dieser Annahme hatte ich erwartet, man werde
die Gebirgspässe an der Natalgrenzc mit wenig Truppen sperren und mit der
ganzen übrigen Macht vereint in die Kapkolonie einbrechen. Dort kannte ich
die Stimmung unter den Kapbureu und die unter ihnen herrschende Begeiste¬
rung für ein „Frei-Südafrika." Bei dieser Stimmung mußte den Burenrepubli¬
kanern nach ihren ersten Erfolgen alles zuströme«; die Entscheidungen würden
vor Kapstadt gefallen, lind Plätze wie Mafeking und Kimberley für die Eng¬
länder Verlorne Plätze gewesen sein.

Noch vierzehn Tage hielt ich es auf unsrer Farm aus. Dann packte
mich die Langeweile, dazu das drückende Gefühl, uuter Frauen, alten Männern
und Knaben zu Hause sitzen zu müssen, anstatt für die Allgemeinheit mitzu¬
wirken. Mit diese» Gefühlen schrieb ich an G., wir wollten monatsweise ab-


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[0226] Nut den Buren im Felde getrocknetem Brot beladen. Nach zehn Tagen konnte er, mit sechzehn Ochsen bespannt und von zwei Kaffern geführt, abgehn, Kaum war er fort, als bei uns die Nachricht von dem vierundzwanzigstündigen Ultimatum der Republiken an die englische Negierung eintraf. Obgleich dieses den Ausbruch des Kriegs bedeutete, machte die Nachricht weiter keinen Eindruck. So sehr hatte man sie stündlich erwartet. Das Geschäft hatte ganz aufgehört. Man besuchte die Nachbarn und besprach mit Gleichmut die Aussichten des Kriegs, die Buren hoffnungsvoller als ich. Ein Nachrichteudieust wurde eingerichtet in der Weise, daß ein be- rittuer Junge von uns immer auf der Eisenbahnstation, wo allein ein Telegraph durchging, hielt, um uus die eingehenden Depeschen zu überbringen. Die Glocke des Schulhauses sollte jedesmal die Ankunft des Boten anzeigen und die Leute herbeirufen, damit diesen der Inhalt der Depeschen dnrch Verlesen bekannt ge¬ geben werde. Bald traf die erste Nachricht von dem Beginn der Feindselig¬ keiten ein, zugleich von unserm Kommando. Sie lautete günstig. Den Eng¬ ländern war vor Mafekiug ein gepanzerter Eisenbahnzug abgefangen worden. Brieflich erfuhr ich später den sonderbaren Zufall, daß ein Angestellter unsers Geschäfts in der Kolonie, zugleich ein Freund von uns, in dem Zuge gewesen und gefangen genommen worden war. Er freute sich uicht wenig, als er dem mit Kugeln durchlöcherte» gepanzerten Kasten entstieg, die Hände von Freunden schütteln zu können. Die nächsten Nachrichten kamen von Elandslaagte und Dundee, die letzte für uns unerwartet günstig. Die Freude hierüber war all¬ gemein, äußerte sich aber niemals laut. Stillvergnügt ging man in den Häusern umher. Auch dann kam es nicht zu Freudenkundgebungen irgend welcher Art, als Ladhsmith, Kimberley und Mafeking eingeschlossen werden konnten. Nach der während meiner Dienstzeit in Deutschland uns als Neserve- offizieraspiranteu zu teil gewordnen Instruktion über die allgemeinsten strate¬ gischen Grundsätze fiel mir während dieser Zeit nur auf, daß unsre Truppen nach vier Seiten in ungefähr gleicher Stärke verteilt waren. Nach meinen allerdings sehr geringen Kenntnissen von Strategie hätte die Haupttruppen¬ macht dort zusammengezogen sein müssen, wo man als Angreifer die Ent¬ scheidung suchen wollte. In dieser Annahme hatte ich erwartet, man werde die Gebirgspässe an der Natalgrenzc mit wenig Truppen sperren und mit der ganzen übrigen Macht vereint in die Kapkolonie einbrechen. Dort kannte ich die Stimmung unter den Kapbureu und die unter ihnen herrschende Begeiste¬ rung für ein „Frei-Südafrika." Bei dieser Stimmung mußte den Burenrepubli¬ kanern nach ihren ersten Erfolgen alles zuströme«; die Entscheidungen würden vor Kapstadt gefallen, lind Plätze wie Mafeking und Kimberley für die Eng¬ länder Verlorne Plätze gewesen sein. Noch vierzehn Tage hielt ich es auf unsrer Farm aus. Dann packte mich die Langeweile, dazu das drückende Gefühl, uuter Frauen, alten Männern und Knaben zu Hause sitzen zu müssen, anstatt für die Allgemeinheit mitzu¬ wirken. Mit diese» Gefühlen schrieb ich an G., wir wollten monatsweise ab-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/226>, abgerufen am 03.07.2024.