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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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die erste Unterstützung in meiner spätern Gefangenschaft, Er erfuhr diese von
einem seiner Handlungsgehilfen, der mich zufällig auf dem Gefangnentransport
gesehen hatte. In wirklicher Not, als ich kaum noch einen ganzen Lappen
auf dem Leibe trug, hat er mich auf seine Kosten -- denn alles Geld war
uns abgenommen worden -- gekleidet; er hat als wahrer Freund an mir ge¬
handelt und mein Los zu erleichtern gesucht, soviel in seiner Macht stand.

Es war Mittag, als ich auf der unsrer Farm zunächstliegenden Station
eintraf. Ein Wägelchen mit unserm "Boy" (Kaffernjnngen) als Kutscher er¬
wartete mich, sodaß ich schon nach dreistündiger Wagenfahrt ans der Farm
eintraf, gerade vierundzwanzig Stunden vor der Einstellung des Bahnverkehrs
zwischen der Kolonie und dem Freistaat, Noch war der Krieg nicht erklärt
worden, und mein Freund G. und ich hatten für den Fall seines Ausbruchs
Zeit, unsre geschäftlichen Angelegenheiten bis ins einzelne zu besprechen. Als
Koloniebnre war er ebensowenig wie ich als Deutscher dienstpflichtig, er be¬
absichtigte aber freiwillig anzugehn, während ich das Geschäft überwachen sollte.

Am Morgen des 29, September gegen acht Uhr erhielt der Feast-Feld-
kornett unsers Bezirks, der auf unsrer Farm wohnte und als Oven T. überall
beliebt war, deu Befehl der Negierung, mobil zu macheu. Er ließ ihn sofort
an die elf Familien unsrer Farm und auf den Farmer seines Bezirks durch
einen berittnen Boten herumscigeu, Ani zehn Uhr sollten die Mannschaften
abrücken. Die Pferde wurden rasch gefüttert, getränkt und gesattelt. Für
etwa sechs Tage Proviant wurde zusammengepackt und in der Satteltasche
untergebracht. Eine wollne Decke und ein Gummimantel, beide gerollt und
über den Sattelkopf festgeschnallt, vervollständigten die feldmarschmäßige Aus¬
rüstung. Mit einem Patronenband von sechzig Patronen um die eine Schulter,
um die andre das vor Jahresfrist von der Regierung dem Bürger gelieferte
Mausergewehr gehängt, war man zum Abmarsch fertig. Der Abschied war
kurz und still. Zehn Männer zwischen dreiundsechzig und zwanzig Jahren
fanden sich Puukt zehn Uhr des Vormittags vor dem Schulhause der Farm
zusammen. Ein Kuß, eine zerdrückte Thräne, und im Galopp ging es in das
weite Feld gegen Westen zum Sammelplatz des Distrikt?, wo dessen ganzes
Kommando von fünfhundert Mann mobil zur Verfügung des Oberkommandos
stehn sollte.

Auf unsrer Farm war es noch stiller geworden, als es die ländlichen Ver¬
hältnisse ohnehin mit sich brachten. Zwei Männer von fünfundsechzig und
siebzig Jahren und ich, dabei einige Jungen von zwölf Jahren, die später und
bald nach mir unter die Kämpfenden gegangen find, waren bei den Frauen
und Kindern zurückgeblieben. Nachrichten gingen nur spärlich ein. Aus
Briefen erfuhren wir, daß das Kommando unsers Bezirks nach füufnndzwanzig-
stündigem Ritt an der Grenze gegen Mnfeking zu eingetroffen war und vorerst
dort bleiben werde. Uns Zurückgebliebnen lag es nun ob, den für die Leute
unsrer Farm notwendigen Ochsenwagen auszurüsten und zum Kommando stoßen
W lassen. Der beste Wagen wurde herausgesucht und mit Kleidern und gut


Grenzboten II 1301 W

die erste Unterstützung in meiner spätern Gefangenschaft, Er erfuhr diese von
einem seiner Handlungsgehilfen, der mich zufällig auf dem Gefangnentransport
gesehen hatte. In wirklicher Not, als ich kaum noch einen ganzen Lappen
auf dem Leibe trug, hat er mich auf seine Kosten — denn alles Geld war
uns abgenommen worden — gekleidet; er hat als wahrer Freund an mir ge¬
handelt und mein Los zu erleichtern gesucht, soviel in seiner Macht stand.

Es war Mittag, als ich auf der unsrer Farm zunächstliegenden Station
eintraf. Ein Wägelchen mit unserm „Boy" (Kaffernjnngen) als Kutscher er¬
wartete mich, sodaß ich schon nach dreistündiger Wagenfahrt ans der Farm
eintraf, gerade vierundzwanzig Stunden vor der Einstellung des Bahnverkehrs
zwischen der Kolonie und dem Freistaat, Noch war der Krieg nicht erklärt
worden, und mein Freund G. und ich hatten für den Fall seines Ausbruchs
Zeit, unsre geschäftlichen Angelegenheiten bis ins einzelne zu besprechen. Als
Koloniebnre war er ebensowenig wie ich als Deutscher dienstpflichtig, er be¬
absichtigte aber freiwillig anzugehn, während ich das Geschäft überwachen sollte.

Am Morgen des 29, September gegen acht Uhr erhielt der Feast-Feld-
kornett unsers Bezirks, der auf unsrer Farm wohnte und als Oven T. überall
beliebt war, deu Befehl der Negierung, mobil zu macheu. Er ließ ihn sofort
an die elf Familien unsrer Farm und auf den Farmer seines Bezirks durch
einen berittnen Boten herumscigeu, Ani zehn Uhr sollten die Mannschaften
abrücken. Die Pferde wurden rasch gefüttert, getränkt und gesattelt. Für
etwa sechs Tage Proviant wurde zusammengepackt und in der Satteltasche
untergebracht. Eine wollne Decke und ein Gummimantel, beide gerollt und
über den Sattelkopf festgeschnallt, vervollständigten die feldmarschmäßige Aus¬
rüstung. Mit einem Patronenband von sechzig Patronen um die eine Schulter,
um die andre das vor Jahresfrist von der Regierung dem Bürger gelieferte
Mausergewehr gehängt, war man zum Abmarsch fertig. Der Abschied war
kurz und still. Zehn Männer zwischen dreiundsechzig und zwanzig Jahren
fanden sich Puukt zehn Uhr des Vormittags vor dem Schulhause der Farm
zusammen. Ein Kuß, eine zerdrückte Thräne, und im Galopp ging es in das
weite Feld gegen Westen zum Sammelplatz des Distrikt?, wo dessen ganzes
Kommando von fünfhundert Mann mobil zur Verfügung des Oberkommandos
stehn sollte.

Auf unsrer Farm war es noch stiller geworden, als es die ländlichen Ver¬
hältnisse ohnehin mit sich brachten. Zwei Männer von fünfundsechzig und
siebzig Jahren und ich, dabei einige Jungen von zwölf Jahren, die später und
bald nach mir unter die Kämpfenden gegangen find, waren bei den Frauen
und Kindern zurückgeblieben. Nachrichten gingen nur spärlich ein. Aus
Briefen erfuhren wir, daß das Kommando unsers Bezirks nach füufnndzwanzig-
stündigem Ritt an der Grenze gegen Mnfeking zu eingetroffen war und vorerst
dort bleiben werde. Uns Zurückgebliebnen lag es nun ob, den für die Leute
unsrer Farm notwendigen Ochsenwagen auszurüsten und zum Kommando stoßen
W lassen. Der beste Wagen wurde herausgesucht und mit Kleidern und gut


Grenzboten II 1301 W
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[0225] die erste Unterstützung in meiner spätern Gefangenschaft, Er erfuhr diese von einem seiner Handlungsgehilfen, der mich zufällig auf dem Gefangnentransport gesehen hatte. In wirklicher Not, als ich kaum noch einen ganzen Lappen auf dem Leibe trug, hat er mich auf seine Kosten — denn alles Geld war uns abgenommen worden — gekleidet; er hat als wahrer Freund an mir ge¬ handelt und mein Los zu erleichtern gesucht, soviel in seiner Macht stand. Es war Mittag, als ich auf der unsrer Farm zunächstliegenden Station eintraf. Ein Wägelchen mit unserm „Boy" (Kaffernjnngen) als Kutscher er¬ wartete mich, sodaß ich schon nach dreistündiger Wagenfahrt ans der Farm eintraf, gerade vierundzwanzig Stunden vor der Einstellung des Bahnverkehrs zwischen der Kolonie und dem Freistaat, Noch war der Krieg nicht erklärt worden, und mein Freund G. und ich hatten für den Fall seines Ausbruchs Zeit, unsre geschäftlichen Angelegenheiten bis ins einzelne zu besprechen. Als Koloniebnre war er ebensowenig wie ich als Deutscher dienstpflichtig, er be¬ absichtigte aber freiwillig anzugehn, während ich das Geschäft überwachen sollte. Am Morgen des 29, September gegen acht Uhr erhielt der Feast-Feld- kornett unsers Bezirks, der auf unsrer Farm wohnte und als Oven T. überall beliebt war, deu Befehl der Negierung, mobil zu macheu. Er ließ ihn sofort an die elf Familien unsrer Farm und auf den Farmer seines Bezirks durch einen berittnen Boten herumscigeu, Ani zehn Uhr sollten die Mannschaften abrücken. Die Pferde wurden rasch gefüttert, getränkt und gesattelt. Für etwa sechs Tage Proviant wurde zusammengepackt und in der Satteltasche untergebracht. Eine wollne Decke und ein Gummimantel, beide gerollt und über den Sattelkopf festgeschnallt, vervollständigten die feldmarschmäßige Aus¬ rüstung. Mit einem Patronenband von sechzig Patronen um die eine Schulter, um die andre das vor Jahresfrist von der Regierung dem Bürger gelieferte Mausergewehr gehängt, war man zum Abmarsch fertig. Der Abschied war kurz und still. Zehn Männer zwischen dreiundsechzig und zwanzig Jahren fanden sich Puukt zehn Uhr des Vormittags vor dem Schulhause der Farm zusammen. Ein Kuß, eine zerdrückte Thräne, und im Galopp ging es in das weite Feld gegen Westen zum Sammelplatz des Distrikt?, wo dessen ganzes Kommando von fünfhundert Mann mobil zur Verfügung des Oberkommandos stehn sollte. Auf unsrer Farm war es noch stiller geworden, als es die ländlichen Ver¬ hältnisse ohnehin mit sich brachten. Zwei Männer von fünfundsechzig und siebzig Jahren und ich, dabei einige Jungen von zwölf Jahren, die später und bald nach mir unter die Kämpfenden gegangen find, waren bei den Frauen und Kindern zurückgeblieben. Nachrichten gingen nur spärlich ein. Aus Briefen erfuhren wir, daß das Kommando unsers Bezirks nach füufnndzwanzig- stündigem Ritt an der Grenze gegen Mnfeking zu eingetroffen war und vorerst dort bleiben werde. Uns Zurückgebliebnen lag es nun ob, den für die Leute unsrer Farm notwendigen Ochsenwagen auszurüsten und zum Kommando stoßen W lassen. Der beste Wagen wurde herausgesucht und mit Kleidern und gut Grenzboten II 1301 W

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/225>, abgerufen am 03.07.2024.