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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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gelegt werden, nicht Durchschnittspreise, Denn das Haus kann zu einer Zeit
abbrennen, wo die höchsten Preise gelten, also z, B. in einer Gründerzeit.
War dann das Haus zu niedrigen Materialpreisen abgeschätzt, so kann der
Abgebrannte empfindlichen Schaden leiden, es nützt ihm nichts, das; er den
vollen Wert hat versichern "vollen; denn keine Versicherungsgesellschaft zahlt
mehr, als die Fenertaxe beträgt.

Wie aber eine Fenertaxe anzufertigen ist, dafür bestehn leine besondern
Vorschriften, Es herrscht die reine Willkür der Versicherungsgesellschaften und
ihrer Taxatoren, der bei jeder Police noch dnrch den Stempel der Polizei ein
gewisser Schein der Richtigkeit unnötig verliehen wird.

Mit Recht hat darum Geheimer Regierungsrat Hurtzig in einer Versamm¬
lung in Posen 1898 vorgetragen, daß die Feuertaxen immer von denselben Per¬
sonen, nämlich von besondern Taxämtern hergestellt werden müßten, und er
hat beantragt, daß zu diesem Behufe besondre Taxämter geschaffen werden.
Es ist dies durchaus zutreffend. Aber warum sollen diese Taxmnter nicht anch
die für die Hypothekenbanken maßgebenden Taxen anfertigen? Warum soll
ihnen nicht anch das gerichtliche Taxwesen übertragen werden? Das gericht¬
liche Taxwesen liegt nämlich in Preußen anch seit langem im argen.

Erbittet jemand bei Gericht die Anfertigung einer gerichtlichen Taxe, so
werden oft die Sachverständigen genommen, die er vorschlägt. Diese schätzen
wieder ab, so hoch wie er es wünscht, und das Gericht verleiht denn dieser
Taxe durch Ausfertigung mit Siegel und Unterschrift einen Hähern Glauben.
Um diesem Unfug in etwas zu steuern, ordnete der Justizminister um, daß die
Gerichte die Höhe der Taxe selbst zu prüfen hätten und an die Abschätzungen
der Sachverständigen gar nicht gebunden, im Gegenteil selbst für die Höhe der
Taxe verantwortlich seien. Nun verfielen andre Gerichte in den entgegen¬
gesetzten Fehler, indem sie ans übergroßer Ängstlichkeit einfach die Taxe der
Sachverständigen auf etwa die Hälfte herabsetzten. Daß ein derartiges gericht¬
liches Taxwesen die Hausbesitzer ziemlich kreditlos macht, liegt auf der Hand,
ganz abgesehen davon, daß es oft Monate dauert, ehe man eine derartige ge¬
richtliche Taxe zu erhalten Pflegt, sodaß inzwischen die Zeit zur Beschaffung
der Hypothek abgelaufen ist.

Ganz anders läge die Sache, wenn man ein für alle mal derselben Be¬
hörde die Anfertigung aller Taxen, auch der jetzigen gerichtlichen übertrüge.
Eine solche Behörde kann und wird nicht das eine Haus mit 50000 Mark
abschätzen und das danebenliegende gleich wertvolle etwa mit 100000 Mark;
durch so etwas würde sie in Widerspruch mit sich selbst kommeu, ganz ab¬
gesehen davon, daß dies im Wege der Beschwerde leicht abgestellt werden
könnte. Eine solche Behörde würde nicht die Fenertaxen bis ins Schwindel-
Hafte steigern, sie würde auch allein geeignet sein, die Grundlage für die Be¬
leihung der Hypothekenbanken abzugeben, denn solange jede Hypothekenbank
das Hans selbst abschätzt, solange ist die Vorschrift des Hhpothekenbankgesetzes,
daß nur bis zu drei Fünftel" des Werth beliehen werden darf, ziemlich illusorisch


gelegt werden, nicht Durchschnittspreise, Denn das Haus kann zu einer Zeit
abbrennen, wo die höchsten Preise gelten, also z, B. in einer Gründerzeit.
War dann das Haus zu niedrigen Materialpreisen abgeschätzt, so kann der
Abgebrannte empfindlichen Schaden leiden, es nützt ihm nichts, das; er den
vollen Wert hat versichern »vollen; denn keine Versicherungsgesellschaft zahlt
mehr, als die Fenertaxe beträgt.

Wie aber eine Fenertaxe anzufertigen ist, dafür bestehn leine besondern
Vorschriften, Es herrscht die reine Willkür der Versicherungsgesellschaften und
ihrer Taxatoren, der bei jeder Police noch dnrch den Stempel der Polizei ein
gewisser Schein der Richtigkeit unnötig verliehen wird.

Mit Recht hat darum Geheimer Regierungsrat Hurtzig in einer Versamm¬
lung in Posen 1898 vorgetragen, daß die Feuertaxen immer von denselben Per¬
sonen, nämlich von besondern Taxämtern hergestellt werden müßten, und er
hat beantragt, daß zu diesem Behufe besondre Taxämter geschaffen werden.
Es ist dies durchaus zutreffend. Aber warum sollen diese Taxmnter nicht anch
die für die Hypothekenbanken maßgebenden Taxen anfertigen? Warum soll
ihnen nicht anch das gerichtliche Taxwesen übertragen werden? Das gericht¬
liche Taxwesen liegt nämlich in Preußen anch seit langem im argen.

Erbittet jemand bei Gericht die Anfertigung einer gerichtlichen Taxe, so
werden oft die Sachverständigen genommen, die er vorschlägt. Diese schätzen
wieder ab, so hoch wie er es wünscht, und das Gericht verleiht denn dieser
Taxe durch Ausfertigung mit Siegel und Unterschrift einen Hähern Glauben.
Um diesem Unfug in etwas zu steuern, ordnete der Justizminister um, daß die
Gerichte die Höhe der Taxe selbst zu prüfen hätten und an die Abschätzungen
der Sachverständigen gar nicht gebunden, im Gegenteil selbst für die Höhe der
Taxe verantwortlich seien. Nun verfielen andre Gerichte in den entgegen¬
gesetzten Fehler, indem sie ans übergroßer Ängstlichkeit einfach die Taxe der
Sachverständigen auf etwa die Hälfte herabsetzten. Daß ein derartiges gericht¬
liches Taxwesen die Hausbesitzer ziemlich kreditlos macht, liegt auf der Hand,
ganz abgesehen davon, daß es oft Monate dauert, ehe man eine derartige ge¬
richtliche Taxe zu erhalten Pflegt, sodaß inzwischen die Zeit zur Beschaffung
der Hypothek abgelaufen ist.

Ganz anders läge die Sache, wenn man ein für alle mal derselben Be¬
hörde die Anfertigung aller Taxen, auch der jetzigen gerichtlichen übertrüge.
Eine solche Behörde kann und wird nicht das eine Haus mit 50000 Mark
abschätzen und das danebenliegende gleich wertvolle etwa mit 100000 Mark;
durch so etwas würde sie in Widerspruch mit sich selbst kommeu, ganz ab¬
gesehen davon, daß dies im Wege der Beschwerde leicht abgestellt werden
könnte. Eine solche Behörde würde nicht die Fenertaxen bis ins Schwindel-
Hafte steigern, sie würde auch allein geeignet sein, die Grundlage für die Be¬
leihung der Hypothekenbanken abzugeben, denn solange jede Hypothekenbank
das Hans selbst abschätzt, solange ist die Vorschrift des Hhpothekenbankgesetzes,
daß nur bis zu drei Fünftel» des Werth beliehen werden darf, ziemlich illusorisch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/213>, abgerufen am 03.07.2024.