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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Veräußert wird, das Kapital ebenso sicher decken wird, wie sie in der Zwischen¬
zeit keine Erträge aliwirft. Den Pfandbriefinhabern liegt doch an erster Stelle
alles an einem regelmäßigen Bezug der Zinsen, dieser wird und kann von
einer Ballstelle niemals gewährleistet werden, sie mag ihrem Werte nach ab¬
geschätzt sein, wie sie wolle. Es ist darum fehlerhaft von dem Reichshhpo-
thekenbankgesetz, daß es den Hypothekenbanken das Beleihen von nicht nutz¬
bringenden Baustellen erlaubt hat; diesen Fehler würde es vermieden haben,
wenn der Gesetzgeber nicht den Verkaufswert, sondern den Ertrag eines Grund¬
stücks zur alleinigen Grundlage von Pfandbriefhypothekcn gemacht hätte.
Dieser eine Fehler erzeugte den andern. Mau würde beide Fehler nicht be¬
gangen haben, wenn man die Erfahrungen gewürdigt hätte, die das Verkehrs-
lebeu mit den Werttaxeu schou zur Genüge gemacht hat.

Nun kann man entgegnen, daß sich der Bauwerk eines Hauses doch
einigermaßen sicher feststellen läßt. In der That läßt sich der Bauwerk eines
Hanfes wohl genau feststellen, weniger sicher jedoch der Wert der Baustelle.
Der gemeine Wert ist auch gar nicht immer der Wert der Baustelle plus dem
Ballwert des Hauses, sondern hängt von der Nachfrage, insbesondre aber auch
von dein Ertrage des Hanfes ab, und es ist eine irrige Auffassung, ihn durch
eine derartige Addition ermitteln zu können, wie die Ballhandwerker meist
glauben. Wie unrichtig aber bei uns in Preußen sogar auch der Bauwerk
allein abgeschätzt wird, haben die Fenertaxen nachgerade zur Genüge er¬
wiesen.

Für jede Fenerversicherungstaxe darf nur der Bauwerk oder die Material-
taxe maßgebend sein, der Grund und Boden, also die Baustelle kaun gegen
Feuersgefahr gar nicht versichert werden. Nun ist es ein offnes Geheimnis
und wird voir allen Seiten offen zugegeben, daß die Fenertaxen der privaten
Fenerversicherllngsgesellschaften bei uns ganz unzuverlässig, in der Regel viel
zu hoch sind. Der Taxator der betreffenden Feuerversicheruugsgesellschaft
schätzt eben meist so hoch ub, als es der zu Versichernde wünscht. Brennt er
ab, dann prüft allerdings die Versicherungsgesellschaft den Wert genau und
meist auch zutreffend und zahlt nicht mehr, als das Haus zu erbauen kostet.
Der Versicherte hat eben solange unnötig hohe Prämien gezahlt; vielleicht ist
es ihm jedoch gelungen, mit Hilfe der hohen Feuertaxe eine hohe Beleihung zu
erlangen, und der Hypothekenglnubiger hat dann möglicherweise das Nachsehen.
Dies muß natürlich den städtischen Realkredit ans die Dauer ungünstig be¬
einflussen.

Alles dies weiß jeder Eingeweihte. Aber der Mißbrauch der hohen
Fenertaxen bleibt nach wie vor bestehn, zumal da er den Versicherungsgesell-
schaften zum Vorteil gereicht. Denn sie erhalten höhere Prämien bei einem
thatsächlich geringern Risiko. Die öffentlichen Sozietäten haben diesen Schwindel
meist nicht mitgemacht, sie sind leider oft in deu entgegengesetzten Fehler ver¬
fallen, daß sie zu niedrig abschätzen.

Der Feuertaxe müssen nämlich die höchsten Materialpreise zu Grunde


Veräußert wird, das Kapital ebenso sicher decken wird, wie sie in der Zwischen¬
zeit keine Erträge aliwirft. Den Pfandbriefinhabern liegt doch an erster Stelle
alles an einem regelmäßigen Bezug der Zinsen, dieser wird und kann von
einer Ballstelle niemals gewährleistet werden, sie mag ihrem Werte nach ab¬
geschätzt sein, wie sie wolle. Es ist darum fehlerhaft von dem Reichshhpo-
thekenbankgesetz, daß es den Hypothekenbanken das Beleihen von nicht nutz¬
bringenden Baustellen erlaubt hat; diesen Fehler würde es vermieden haben,
wenn der Gesetzgeber nicht den Verkaufswert, sondern den Ertrag eines Grund¬
stücks zur alleinigen Grundlage von Pfandbriefhypothekcn gemacht hätte.
Dieser eine Fehler erzeugte den andern. Mau würde beide Fehler nicht be¬
gangen haben, wenn man die Erfahrungen gewürdigt hätte, die das Verkehrs-
lebeu mit den Werttaxeu schou zur Genüge gemacht hat.

Nun kann man entgegnen, daß sich der Bauwerk eines Hauses doch
einigermaßen sicher feststellen läßt. In der That läßt sich der Bauwerk eines
Hanfes wohl genau feststellen, weniger sicher jedoch der Wert der Baustelle.
Der gemeine Wert ist auch gar nicht immer der Wert der Baustelle plus dem
Ballwert des Hauses, sondern hängt von der Nachfrage, insbesondre aber auch
von dein Ertrage des Hanfes ab, und es ist eine irrige Auffassung, ihn durch
eine derartige Addition ermitteln zu können, wie die Ballhandwerker meist
glauben. Wie unrichtig aber bei uns in Preußen sogar auch der Bauwerk
allein abgeschätzt wird, haben die Fenertaxen nachgerade zur Genüge er¬
wiesen.

Für jede Fenerversicherungstaxe darf nur der Bauwerk oder die Material-
taxe maßgebend sein, der Grund und Boden, also die Baustelle kaun gegen
Feuersgefahr gar nicht versichert werden. Nun ist es ein offnes Geheimnis
und wird voir allen Seiten offen zugegeben, daß die Fenertaxen der privaten
Fenerversicherllngsgesellschaften bei uns ganz unzuverlässig, in der Regel viel
zu hoch sind. Der Taxator der betreffenden Feuerversicheruugsgesellschaft
schätzt eben meist so hoch ub, als es der zu Versichernde wünscht. Brennt er
ab, dann prüft allerdings die Versicherungsgesellschaft den Wert genau und
meist auch zutreffend und zahlt nicht mehr, als das Haus zu erbauen kostet.
Der Versicherte hat eben solange unnötig hohe Prämien gezahlt; vielleicht ist
es ihm jedoch gelungen, mit Hilfe der hohen Feuertaxe eine hohe Beleihung zu
erlangen, und der Hypothekenglnubiger hat dann möglicherweise das Nachsehen.
Dies muß natürlich den städtischen Realkredit ans die Dauer ungünstig be¬
einflussen.

Alles dies weiß jeder Eingeweihte. Aber der Mißbrauch der hohen
Fenertaxen bleibt nach wie vor bestehn, zumal da er den Versicherungsgesell-
schaften zum Vorteil gereicht. Denn sie erhalten höhere Prämien bei einem
thatsächlich geringern Risiko. Die öffentlichen Sozietäten haben diesen Schwindel
meist nicht mitgemacht, sie sind leider oft in deu entgegengesetzten Fehler ver¬
fallen, daß sie zu niedrig abschätzen.

Der Feuertaxe müssen nämlich die höchsten Materialpreise zu Grunde


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[0212] Veräußert wird, das Kapital ebenso sicher decken wird, wie sie in der Zwischen¬ zeit keine Erträge aliwirft. Den Pfandbriefinhabern liegt doch an erster Stelle alles an einem regelmäßigen Bezug der Zinsen, dieser wird und kann von einer Ballstelle niemals gewährleistet werden, sie mag ihrem Werte nach ab¬ geschätzt sein, wie sie wolle. Es ist darum fehlerhaft von dem Reichshhpo- thekenbankgesetz, daß es den Hypothekenbanken das Beleihen von nicht nutz¬ bringenden Baustellen erlaubt hat; diesen Fehler würde es vermieden haben, wenn der Gesetzgeber nicht den Verkaufswert, sondern den Ertrag eines Grund¬ stücks zur alleinigen Grundlage von Pfandbriefhypothekcn gemacht hätte. Dieser eine Fehler erzeugte den andern. Mau würde beide Fehler nicht be¬ gangen haben, wenn man die Erfahrungen gewürdigt hätte, die das Verkehrs- lebeu mit den Werttaxeu schou zur Genüge gemacht hat. Nun kann man entgegnen, daß sich der Bauwerk eines Hauses doch einigermaßen sicher feststellen läßt. In der That läßt sich der Bauwerk eines Hanfes wohl genau feststellen, weniger sicher jedoch der Wert der Baustelle. Der gemeine Wert ist auch gar nicht immer der Wert der Baustelle plus dem Ballwert des Hauses, sondern hängt von der Nachfrage, insbesondre aber auch von dein Ertrage des Hanfes ab, und es ist eine irrige Auffassung, ihn durch eine derartige Addition ermitteln zu können, wie die Ballhandwerker meist glauben. Wie unrichtig aber bei uns in Preußen sogar auch der Bauwerk allein abgeschätzt wird, haben die Fenertaxen nachgerade zur Genüge er¬ wiesen. Für jede Fenerversicherungstaxe darf nur der Bauwerk oder die Material- taxe maßgebend sein, der Grund und Boden, also die Baustelle kaun gegen Feuersgefahr gar nicht versichert werden. Nun ist es ein offnes Geheimnis und wird voir allen Seiten offen zugegeben, daß die Fenertaxen der privaten Fenerversicherllngsgesellschaften bei uns ganz unzuverlässig, in der Regel viel zu hoch sind. Der Taxator der betreffenden Feuerversicheruugsgesellschaft schätzt eben meist so hoch ub, als es der zu Versichernde wünscht. Brennt er ab, dann prüft allerdings die Versicherungsgesellschaft den Wert genau und meist auch zutreffend und zahlt nicht mehr, als das Haus zu erbauen kostet. Der Versicherte hat eben solange unnötig hohe Prämien gezahlt; vielleicht ist es ihm jedoch gelungen, mit Hilfe der hohen Feuertaxe eine hohe Beleihung zu erlangen, und der Hypothekenglnubiger hat dann möglicherweise das Nachsehen. Dies muß natürlich den städtischen Realkredit ans die Dauer ungünstig be¬ einflussen. Alles dies weiß jeder Eingeweihte. Aber der Mißbrauch der hohen Fenertaxen bleibt nach wie vor bestehn, zumal da er den Versicherungsgesell- schaften zum Vorteil gereicht. Denn sie erhalten höhere Prämien bei einem thatsächlich geringern Risiko. Die öffentlichen Sozietäten haben diesen Schwindel meist nicht mitgemacht, sie sind leider oft in deu entgegengesetzten Fehler ver¬ fallen, daß sie zu niedrig abschätzen. Der Feuertaxe müssen nämlich die höchsten Materialpreise zu Grunde

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/212>, abgerufen am 03.07.2024.