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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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und steht nur auf dem Papier, Dabei können die Taxen nicht etwa von
einem Negierungskoiinnissnr so ohne weiteres als falsch erkannt und am grünen
Tische sicher nachgeprüft werden. Es muß also neben dem Hypothekenbank¬
gesetz und neben dem zu erwartenden Versicherungsgesetz eine Gesetzesvvrschrift
des Inhalts erlassen werden, daß keine Hypothekenbank höher beleihen darf,
als die Beleihungstaxe des Taxamts ergiebt, und keine Versicherungsgesell¬
schaft höher versichern darf, als die Materialtaxe des Taxamts lautet. Etwas
ähnliches scheint auch in der Schrift von Limen, Die Ursachen der Krisis bei
der Nationalhypothekenkreditgesellschaft in Stettin und den Spiclhagenbanken
in Berlin, Seite 22, gefordert zu werden. Jedenfalls hat der Verfasser die
Übelstände des Taxwesens richtig erkannt. Die Schaffung einer Zentralstelle
allein, die nur deu Sachverständigen zu benennen hat, ist nicht genügend. Es
muß weitergehend Vorsorge dafür getroffen werden, daß alle Taxen immer
uur von einer und derselben Behörde gefertigt werden.

Als man dein Bauschwindel mit einem besondern Gesetz zu Leibe gehn
wollte, fand man, daß man eine Taxe brauche, und daß in Preußen zur Zeit
keine dafür geeignete Behörde vorhanden sei. Der Wallbrechtsche Entwurf sah
deshalb die Schaffung eines Bauschöffenamts vor, und andre Entwürfe ver¬
langten von diesem Amt eine Taxe nach mannigfacher Hinsicht.

Jedenfalls wird man einem solchen Taxamt noch manches andre über¬
tragen können, und dessen Hilfe und Sachkunde kann von den Behörden auch
sonst nützlich in Anspruch genommen werden.

Es fragt sich, wie eine solche Behörde zusammengesetzt sein soll. Man
hat davor gewarnt, ihre Aufgabe etwa als Nebenbeschäftigung Bauhandwerkern,
d. h. Handwerksmeistern (Maurer- und Zimmermeisteru) zu übertragen, denn
diese haben als ausübende Meister immer ein großes Interesse an hohen Taxen.
Dadurch zeigen sie, wie billig sie gebaut haben, und erreichen meist anch eine
günstige Beleihung des neuerrichteten Hauses. Man übertrage die Thätigkeit
eines solchen Amts, das man in den Stadtkreisen dem Magistrat, in den
Landkreisen dein Kreisausschuß angliedern mag, dem Stadtbanrat und dem
Kreisbauiuspektor, dem die erforderlichen Hilfskräfte beigegeben werden mögen,
oder ernenne auch, wenn der Umfang des Amts dies erfordert, dafür besondre
Bauräte mit der nötigen Anzahl Schöffen oder Beisitzern. Kosten wird das
Amt nicht erfordern, da ja die jetzt schon sehr hohen Gebühren für die Taxe
die Unkosten des Amts sicherlich decken werden.

Jedenfalls entbehrt Preußen schon viel zu lange der Wirksamkeit einer
derartigen Behörde, Mancher Schwindel, mancher Betrug, manche Übervor¬
teilung wäre beim Bestehn eines Taxamts, das für alle Taxen zuständig ist,
so gut wie ausgeschlossen. Man könnte dann nicht bloß dem Bauschwindel
zu'ZLeibe gehn, sondern die Auswüchse des Hypothekenbankwesens würden zum
Vorteil der gesunden Entwicklung unsrer Städte beschnitten, und für das
Hypothekenbankwesen die Möglichkeit geschaffen werden, zu gesunden.

Jetzt sucht man sich meist den Taxator selbst ans. Will man eine hohe


und steht nur auf dem Papier, Dabei können die Taxen nicht etwa von
einem Negierungskoiinnissnr so ohne weiteres als falsch erkannt und am grünen
Tische sicher nachgeprüft werden. Es muß also neben dem Hypothekenbank¬
gesetz und neben dem zu erwartenden Versicherungsgesetz eine Gesetzesvvrschrift
des Inhalts erlassen werden, daß keine Hypothekenbank höher beleihen darf,
als die Beleihungstaxe des Taxamts ergiebt, und keine Versicherungsgesell¬
schaft höher versichern darf, als die Materialtaxe des Taxamts lautet. Etwas
ähnliches scheint auch in der Schrift von Limen, Die Ursachen der Krisis bei
der Nationalhypothekenkreditgesellschaft in Stettin und den Spiclhagenbanken
in Berlin, Seite 22, gefordert zu werden. Jedenfalls hat der Verfasser die
Übelstände des Taxwesens richtig erkannt. Die Schaffung einer Zentralstelle
allein, die nur deu Sachverständigen zu benennen hat, ist nicht genügend. Es
muß weitergehend Vorsorge dafür getroffen werden, daß alle Taxen immer
uur von einer und derselben Behörde gefertigt werden.

Als man dein Bauschwindel mit einem besondern Gesetz zu Leibe gehn
wollte, fand man, daß man eine Taxe brauche, und daß in Preußen zur Zeit
keine dafür geeignete Behörde vorhanden sei. Der Wallbrechtsche Entwurf sah
deshalb die Schaffung eines Bauschöffenamts vor, und andre Entwürfe ver¬
langten von diesem Amt eine Taxe nach mannigfacher Hinsicht.

Jedenfalls wird man einem solchen Taxamt noch manches andre über¬
tragen können, und dessen Hilfe und Sachkunde kann von den Behörden auch
sonst nützlich in Anspruch genommen werden.

Es fragt sich, wie eine solche Behörde zusammengesetzt sein soll. Man
hat davor gewarnt, ihre Aufgabe etwa als Nebenbeschäftigung Bauhandwerkern,
d. h. Handwerksmeistern (Maurer- und Zimmermeisteru) zu übertragen, denn
diese haben als ausübende Meister immer ein großes Interesse an hohen Taxen.
Dadurch zeigen sie, wie billig sie gebaut haben, und erreichen meist anch eine
günstige Beleihung des neuerrichteten Hauses. Man übertrage die Thätigkeit
eines solchen Amts, das man in den Stadtkreisen dem Magistrat, in den
Landkreisen dein Kreisausschuß angliedern mag, dem Stadtbanrat und dem
Kreisbauiuspektor, dem die erforderlichen Hilfskräfte beigegeben werden mögen,
oder ernenne auch, wenn der Umfang des Amts dies erfordert, dafür besondre
Bauräte mit der nötigen Anzahl Schöffen oder Beisitzern. Kosten wird das
Amt nicht erfordern, da ja die jetzt schon sehr hohen Gebühren für die Taxe
die Unkosten des Amts sicherlich decken werden.

Jedenfalls entbehrt Preußen schon viel zu lange der Wirksamkeit einer
derartigen Behörde, Mancher Schwindel, mancher Betrug, manche Übervor¬
teilung wäre beim Bestehn eines Taxamts, das für alle Taxen zuständig ist,
so gut wie ausgeschlossen. Man könnte dann nicht bloß dem Bauschwindel
zu'ZLeibe gehn, sondern die Auswüchse des Hypothekenbankwesens würden zum
Vorteil der gesunden Entwicklung unsrer Städte beschnitten, und für das
Hypothekenbankwesen die Möglichkeit geschaffen werden, zu gesunden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/214>, abgerufen am 01.07.2024.