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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Fürst Bismarcks englische Politik

gethan, um die jetzt zwischen England und Deutschland bestehende Freundschaft
zu schaffen. Er ist die Quelle internationalen Fortschritts und führt zu einer
Herzlichkeit, die in der That Gefallen erweckt; den" Höflichkeit ist das Öl für
die Maschinen des menschlichen Lebens. Das Deutsche ist nicht so sehr ge¬
achtet in England wie das Englische in Deutschland. Deutschland kann man
mit einem "M-manis-mAu vergleichen, England mit einem alten aristokratischen
Lord. Wir haben oft zusammengestanden in Zeiten des Friedens sowohl wie
in den Tagen der Bedrängnis, und noch jetzt bestehn die besten Beziehungen
zwischen den beiden Nationen; einen Beweis dafür liefert die schnelle Erledi¬
gung der afrikanischen Frage."

Der Fürst hat seine Besucher, wie die "Hamburger Nachrichten" ergänzend
bemerken, insbesondre auch an die alten Beziehungen zwischen England und
Preußen, an deu siebenjährigen Krieg und an Waterloo erinnert. Was den Satz
betrifft, daß England in Deutschland geachteter oder beliebter sei, als umgekehrt
Deutschland in England, so hat der Fürst hinzugefügt, daß dies begreiflich sei;
die Engländer kennten wohl Preußen, aber Deutschland sei ihnen noch neu;
wenn ein Menschenalter vergangen sei, würde sich auch hierin vieles geändert
haben. Bezüglich der Abtretung Helgolands und des deutsch-englischen Ab¬
kommens überhaupt äußerte der Fürst, dieser Austausch müsse der Befestigung
der Beziehungen zwischen England und Deutschland zu gute kommen; der
Wunsch Deutschlands, mit England befreundet zu bleiben, werde dadurch aufs
neue bekundet. Die Ansprache des Fürsten kann jedenfalls dem Einvernehmen
zwischen den beiden Nationen nur förderlich gewesen sein, wie sich auch die
englischen Besucher mit lebhaften Cheers vom Fürsten verabschiedeten.

Auch in dem bekannten Interview, das Fürst Bismarck am 8. Juni 189V
dem Vertreter des Londoner Dg-ilz? 1ki6Arg,M gab, und dessen Bericht von den
"Hamburger Nachrichten" als authentisch abgedruckt wurde, äußerte sich der
Altreichskanzler über Deutschlands Stellung zu England, und zwar hatten
diese Ausführungen eine auffällige Ähnlichkeit mit einigen seiner Reichstags¬
reden. Er sagte: "Was England und Deutschland betrifft, so sehe ich es als
eine Unmöglichkeit an, daß diese beiden Länder jemals in Krieg, und als be¬
sonders unwahrscheinlich, daß sie selbst in einen ernsten Zwist geraten konnten.
Sollte es aber dazu kommen, so könnte das zu einem Konflikt auf dem Fest¬
lande führen, selbst wenn England keinen thätigen Anteil an dem Kampfe, sei
es zu Wasser oder zu Lande, gegen uns nehmen sollte. Aber diese Möglich¬
keit ist ebenso unwahrscheinlich, als daß wir das Schwert gegen England ziehn
sollten. Natürlich können Differenzen vorkommen, wie in dieser afrikanischen
Koloninlsache, welche noch einer billigen Ausgleichung entgegensehen. Aber
eine jede solche Differenz zwischen Ihnen und uns kann nur von ganz un¬
bedeutender Wichtigkeit sein im Vergleich zu den Folgen eines Appells an die
Waffen. Wenn wir auch ein bischen gegeneinander knurren, so braucht man
sich darüber uicht zu beunruhigen. Sieht man sich diese afrikanische Geschichte
deutlich an, so frage ich, worauf kommt es dabei an? In Ihrer britischen


Fürst Bismarcks englische Politik

gethan, um die jetzt zwischen England und Deutschland bestehende Freundschaft
zu schaffen. Er ist die Quelle internationalen Fortschritts und führt zu einer
Herzlichkeit, die in der That Gefallen erweckt; den» Höflichkeit ist das Öl für
die Maschinen des menschlichen Lebens. Das Deutsche ist nicht so sehr ge¬
achtet in England wie das Englische in Deutschland. Deutschland kann man
mit einem «M-manis-mAu vergleichen, England mit einem alten aristokratischen
Lord. Wir haben oft zusammengestanden in Zeiten des Friedens sowohl wie
in den Tagen der Bedrängnis, und noch jetzt bestehn die besten Beziehungen
zwischen den beiden Nationen; einen Beweis dafür liefert die schnelle Erledi¬
gung der afrikanischen Frage."

Der Fürst hat seine Besucher, wie die „Hamburger Nachrichten" ergänzend
bemerken, insbesondre auch an die alten Beziehungen zwischen England und
Preußen, an deu siebenjährigen Krieg und an Waterloo erinnert. Was den Satz
betrifft, daß England in Deutschland geachteter oder beliebter sei, als umgekehrt
Deutschland in England, so hat der Fürst hinzugefügt, daß dies begreiflich sei;
die Engländer kennten wohl Preußen, aber Deutschland sei ihnen noch neu;
wenn ein Menschenalter vergangen sei, würde sich auch hierin vieles geändert
haben. Bezüglich der Abtretung Helgolands und des deutsch-englischen Ab¬
kommens überhaupt äußerte der Fürst, dieser Austausch müsse der Befestigung
der Beziehungen zwischen England und Deutschland zu gute kommen; der
Wunsch Deutschlands, mit England befreundet zu bleiben, werde dadurch aufs
neue bekundet. Die Ansprache des Fürsten kann jedenfalls dem Einvernehmen
zwischen den beiden Nationen nur förderlich gewesen sein, wie sich auch die
englischen Besucher mit lebhaften Cheers vom Fürsten verabschiedeten.

Auch in dem bekannten Interview, das Fürst Bismarck am 8. Juni 189V
dem Vertreter des Londoner Dg-ilz? 1ki6Arg,M gab, und dessen Bericht von den
„Hamburger Nachrichten" als authentisch abgedruckt wurde, äußerte sich der
Altreichskanzler über Deutschlands Stellung zu England, und zwar hatten
diese Ausführungen eine auffällige Ähnlichkeit mit einigen seiner Reichstags¬
reden. Er sagte: „Was England und Deutschland betrifft, so sehe ich es als
eine Unmöglichkeit an, daß diese beiden Länder jemals in Krieg, und als be¬
sonders unwahrscheinlich, daß sie selbst in einen ernsten Zwist geraten konnten.
Sollte es aber dazu kommen, so könnte das zu einem Konflikt auf dem Fest¬
lande führen, selbst wenn England keinen thätigen Anteil an dem Kampfe, sei
es zu Wasser oder zu Lande, gegen uns nehmen sollte. Aber diese Möglich¬
keit ist ebenso unwahrscheinlich, als daß wir das Schwert gegen England ziehn
sollten. Natürlich können Differenzen vorkommen, wie in dieser afrikanischen
Koloninlsache, welche noch einer billigen Ausgleichung entgegensehen. Aber
eine jede solche Differenz zwischen Ihnen und uns kann nur von ganz un¬
bedeutender Wichtigkeit sein im Vergleich zu den Folgen eines Appells an die
Waffen. Wenn wir auch ein bischen gegeneinander knurren, so braucht man
sich darüber uicht zu beunruhigen. Sieht man sich diese afrikanische Geschichte
deutlich an, so frage ich, worauf kommt es dabei an? In Ihrer britischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/158>, abgerufen am 03.07.2024.