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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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daß auf den frömmelnden Ludwig XIV, die Regentschaft folgte, eine Zeir der
ausschweifendsten Orgien,

Wohl ist der Staat der gesetzmäßige Beschützer derer, die sich nicht selbst
beschützen können, und deshalb nennt Macaulay das Gesetz, das die Fabrik¬
arbeit von Kindern beschränkt, segensreich, aber ein Gesetz, das den Lohn der
Arbeit festlegte oder den Zinsfuß des Geldes bestimmte, hält er für verderblich.
Immer ist er dafür eingetreten, daß die Regierung das Wohl der Nation am
besten fördert, wenn sie das Kapital nicht in bestimmte Richtung hineindrängt,
sondern sich selbst überläßt, wenn die Waren den ihnen angemessenen Preis,
Arbeitsamkeit und Klugheit ihren natürlichen Lohn, Trägheit und Dummheit
ihre natürliche Strafe selbst finden. So sagt er auch in der dritten seiner
Reden für die Reformbill (20, September 1831), man könne nicht überschweng¬
liche Hoffnung auf den Erfolg der Bill setzen, denn es sei nicht die Aufgabe
der Regierung, unmittelbar das Volk reich zu macheu, sondern nur, es zu be¬
schützen im Erlverb, Der Wohlstand der Gemeinschaft kann sich nach ihm
nur auf den Fleiß und das Nachdenken der Individuen gründen. Deshalb
ist es auch sehr bezeichnend für seine Anschauungslveise, daß er an die heil¬
same Wirkung des Gesetzes nur unter gewissen Bedingungen glauben kann.
"Das Gesetz ist nichts als ein Stück Papier, das von dem königlichen Drucker
bedruckt und mit dem königlichen Wappen versehen ist, bis die öffentliche
Meinung dem toten Buchstaben den Atem des Lebens einhaucht." Eine sehr
bezeichnende Stelle findet sich darüber anch in dem Essay, den er Lurlvigb
Ära Iris times genannt hat: "Verfassungen, Freibriefe, Wahlkollegien n, tgi,,
heißt es dort, machen nicht die gute Negierung aus; auch bringen sie nicht , .,
notwendigerweise eine gute Regierung hervor, Gesetze sind umsonst da für die,
die nicht den Mut und die Mittel haben, sie zu verteidigen, . . , Pfaffenlist,
Unbildung, die blinde Wut streitender Parteien können gute Einrichtungen
wertlos machen, Klugheit, Mäßigkeit, Fleiß, sittliche Freiheit und festes Zu¬
sammenhalten der Einzelnen kann in weitem Maße die Mängel des schlechtesten
Wahlsystems wieder gut machen,"

Es ist darum nicht wunderbar, daß sich Macaulay aus Staatstheorien
sehr wenig macht. Er steht damit im Gegensatz zu den Franzosen, die immer
gern "Systeme" gebaut haben, aber er ist damit in voller Übereinstimmung
mit seinen eignen Landesgenossen, Macaulay spricht sich so darüber aus
(Hi8t., 4, 86): "Unsre nationale Abneigung gegen alles, was abstrakt ist in der
Politik, wird unzweifelhaft schon zu einem Fehler, Aber es ist vielleicht ein
Fehler nach der richtigen Seite hin, , , , Wenn auch in andern Ländern hin
und wieder schnellere Fortschritte gemacht worden sind, so wäre es nicht leicht,
ein Land zu nennen, wo so wenig Rückschritte erfolgt sind." Macaulay für
seine Person mißtraut allen allgemeinen Regierungstheorien, "Ich will nicht
mit Bestimmtheit behaupten, daß es irgend eine Form der Politik giebt, die
nicht in einigen denkbaren Füllen die möglichst beste wäre," Schon des¬
halb dürfe man sich auf Theorien nicht verlassen, weil Logik mit Staatskunst


daß auf den frömmelnden Ludwig XIV, die Regentschaft folgte, eine Zeir der
ausschweifendsten Orgien,

Wohl ist der Staat der gesetzmäßige Beschützer derer, die sich nicht selbst
beschützen können, und deshalb nennt Macaulay das Gesetz, das die Fabrik¬
arbeit von Kindern beschränkt, segensreich, aber ein Gesetz, das den Lohn der
Arbeit festlegte oder den Zinsfuß des Geldes bestimmte, hält er für verderblich.
Immer ist er dafür eingetreten, daß die Regierung das Wohl der Nation am
besten fördert, wenn sie das Kapital nicht in bestimmte Richtung hineindrängt,
sondern sich selbst überläßt, wenn die Waren den ihnen angemessenen Preis,
Arbeitsamkeit und Klugheit ihren natürlichen Lohn, Trägheit und Dummheit
ihre natürliche Strafe selbst finden. So sagt er auch in der dritten seiner
Reden für die Reformbill (20, September 1831), man könne nicht überschweng¬
liche Hoffnung auf den Erfolg der Bill setzen, denn es sei nicht die Aufgabe
der Regierung, unmittelbar das Volk reich zu macheu, sondern nur, es zu be¬
schützen im Erlverb, Der Wohlstand der Gemeinschaft kann sich nach ihm
nur auf den Fleiß und das Nachdenken der Individuen gründen. Deshalb
ist es auch sehr bezeichnend für seine Anschauungslveise, daß er an die heil¬
same Wirkung des Gesetzes nur unter gewissen Bedingungen glauben kann.
„Das Gesetz ist nichts als ein Stück Papier, das von dem königlichen Drucker
bedruckt und mit dem königlichen Wappen versehen ist, bis die öffentliche
Meinung dem toten Buchstaben den Atem des Lebens einhaucht." Eine sehr
bezeichnende Stelle findet sich darüber anch in dem Essay, den er Lurlvigb
Ära Iris times genannt hat: „Verfassungen, Freibriefe, Wahlkollegien n, tgi,,
heißt es dort, machen nicht die gute Negierung aus; auch bringen sie nicht , .,
notwendigerweise eine gute Regierung hervor, Gesetze sind umsonst da für die,
die nicht den Mut und die Mittel haben, sie zu verteidigen, . . , Pfaffenlist,
Unbildung, die blinde Wut streitender Parteien können gute Einrichtungen
wertlos machen, Klugheit, Mäßigkeit, Fleiß, sittliche Freiheit und festes Zu¬
sammenhalten der Einzelnen kann in weitem Maße die Mängel des schlechtesten
Wahlsystems wieder gut machen,"

Es ist darum nicht wunderbar, daß sich Macaulay aus Staatstheorien
sehr wenig macht. Er steht damit im Gegensatz zu den Franzosen, die immer
gern „Systeme" gebaut haben, aber er ist damit in voller Übereinstimmung
mit seinen eignen Landesgenossen, Macaulay spricht sich so darüber aus
(Hi8t., 4, 86): „Unsre nationale Abneigung gegen alles, was abstrakt ist in der
Politik, wird unzweifelhaft schon zu einem Fehler, Aber es ist vielleicht ein
Fehler nach der richtigen Seite hin, , , , Wenn auch in andern Ländern hin
und wieder schnellere Fortschritte gemacht worden sind, so wäre es nicht leicht,
ein Land zu nennen, wo so wenig Rückschritte erfolgt sind." Macaulay für
seine Person mißtraut allen allgemeinen Regierungstheorien, „Ich will nicht
mit Bestimmtheit behaupten, daß es irgend eine Form der Politik giebt, die
nicht in einigen denkbaren Füllen die möglichst beste wäre," Schon des¬
halb dürfe man sich auf Theorien nicht verlassen, weil Logik mit Staatskunst


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/132>, abgerufen am 03.07.2024.