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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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unzähligen Fällen, wo der Arbeiter eine zahlreiche Familie hat, lassen sich
dieses Maximum und jenes Minimum nicht in Einklang bringen. Entweder
also müßte man in den größern Städten durchgehends von dein Rechte Ge¬
brauch machen, Ausnahmen in weitem Umfange zuzulassen ^ eine Bestimmung
aber, von der die Ausnahme Regel wäre, in ein Gesetz aufzunehmen, ist nicht
ratsam - oder wenn man wirklich die Forderung durchführen wollte mit Hilfe
des Baus von kleinen Wohnungen, so wären dazu unter den heutigen Ver¬
hältnissen so enorme Summen erforderlich, wie sie auch dein Staate nicht zur
Verfügung stehn. Hier liegt eben der Hauptpunkt, wo die Wohnungsfrage
unlösbar verknüpft ist mit andern Problemen der sozialen Gesetzgebung, vor
allein mit der städtischen Bodengesetzgebnng, Vollständig wird man jene nur
lösen können, fürchte ich, wenn man in diese energisch eingreift. Aber manches
ließe sich doch schon heute ohne allzugroßen Widerstand erreichen. Und gerade
deshalb ist es auch so verdienstlich, daß der Verein "Reichswohnungsgesetz"
einmal alle die verschiednen hier in Betracht kommenden Fragen unter dem
einheitlichen Gedanken der Wohnungsreform und eines Wohnungsgesetzes be¬
arbeitet, um auf diesem Grunde ein umfassendes und doch in sich zusammen¬
hängendes Programm zu gewinnen. Mit berechtigter Spannung werden
darum alle Freunde der Wohnungsreform seine weitern Veröffentlichungen
erwarten, und sie können nur wünschen, daß sie alle der Goltzischen Schrift an
Bedeutung gleichkommen.




Thomas Vabington Macaulay
Felix Rosenberg von (Schluß)

le Periode der englischen Geschichte, die Macaulay die kräftigsten
Worte des pathetischen Hasses eingab, war die Zeit der Restau¬
ration, wo die Grundsätze der Freiheit von jedem grinsenden
Höfling verspottet wurden; in dein Essay über Milton z, B. nennt
er diese Zeit "jene Tage, die man sich nicht ins Gedächtnis
zurückrufen kann, ohne zu erröten, die Tage der Knechtschaft ohne Mnnnen-
treue und der Sinnlichkeit ohne Liebe, die Tage zwerghafter Talente und
riesengroßer Laster, das Paradies des kalteii Herzens und des engen Verstandes,
das goldne Zeitalter des Feigen, des Frömmlings und des Sklaven." Der
einzige, für den er bedingungslose Begeisterung zeigt, ist Milton, Sogar der
Held seiner Geschichte, Wilhelm von Oranien, tritt hinter Milton zurück, wie
überhaupt das kühle Maßhalten auch im Loben für Macaulay charakteristisch ist.


unzähligen Fällen, wo der Arbeiter eine zahlreiche Familie hat, lassen sich
dieses Maximum und jenes Minimum nicht in Einklang bringen. Entweder
also müßte man in den größern Städten durchgehends von dein Rechte Ge¬
brauch machen, Ausnahmen in weitem Umfange zuzulassen ^ eine Bestimmung
aber, von der die Ausnahme Regel wäre, in ein Gesetz aufzunehmen, ist nicht
ratsam - oder wenn man wirklich die Forderung durchführen wollte mit Hilfe
des Baus von kleinen Wohnungen, so wären dazu unter den heutigen Ver¬
hältnissen so enorme Summen erforderlich, wie sie auch dein Staate nicht zur
Verfügung stehn. Hier liegt eben der Hauptpunkt, wo die Wohnungsfrage
unlösbar verknüpft ist mit andern Problemen der sozialen Gesetzgebung, vor
allein mit der städtischen Bodengesetzgebnng, Vollständig wird man jene nur
lösen können, fürchte ich, wenn man in diese energisch eingreift. Aber manches
ließe sich doch schon heute ohne allzugroßen Widerstand erreichen. Und gerade
deshalb ist es auch so verdienstlich, daß der Verein „Reichswohnungsgesetz"
einmal alle die verschiednen hier in Betracht kommenden Fragen unter dem
einheitlichen Gedanken der Wohnungsreform und eines Wohnungsgesetzes be¬
arbeitet, um auf diesem Grunde ein umfassendes und doch in sich zusammen¬
hängendes Programm zu gewinnen. Mit berechtigter Spannung werden
darum alle Freunde der Wohnungsreform seine weitern Veröffentlichungen
erwarten, und sie können nur wünschen, daß sie alle der Goltzischen Schrift an
Bedeutung gleichkommen.




Thomas Vabington Macaulay
Felix Rosenberg von (Schluß)

le Periode der englischen Geschichte, die Macaulay die kräftigsten
Worte des pathetischen Hasses eingab, war die Zeit der Restau¬
ration, wo die Grundsätze der Freiheit von jedem grinsenden
Höfling verspottet wurden; in dein Essay über Milton z, B. nennt
er diese Zeit „jene Tage, die man sich nicht ins Gedächtnis
zurückrufen kann, ohne zu erröten, die Tage der Knechtschaft ohne Mnnnen-
treue und der Sinnlichkeit ohne Liebe, die Tage zwerghafter Talente und
riesengroßer Laster, das Paradies des kalteii Herzens und des engen Verstandes,
das goldne Zeitalter des Feigen, des Frömmlings und des Sklaven." Der
einzige, für den er bedingungslose Begeisterung zeigt, ist Milton, Sogar der
Held seiner Geschichte, Wilhelm von Oranien, tritt hinter Milton zurück, wie
überhaupt das kühle Maßhalten auch im Loben für Macaulay charakteristisch ist.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/130>, abgerufen am 03.07.2024.