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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Wohnungsinsxektion

und schwerwiegenden Gegner finden "vollen, müssen sie sich bei dein Entwurf
eines Gesetzes zum obersten Grundsatz die möglichste Schonung der schon be¬
stehenden Organisationen der Wohnungspflege machen. Kommt es doch nicht
so sehr darauf an, in welcher Form, als daß sie überhaupt geschieht; Erfolge
lassen sich ja offenbar auf die verschiedenste Art erzielen, und es ist schade,
daß Goltz in dem von ihm ausgearbeiteten Entwurf eines Reichswohnungs¬
gesetzes diesen Gedanken nicht genug betont hat.

Ich komme damit auf den interessantesten und wichtigsten Teil der Schrift,
der die Forderungen für die Zukunft behandelt und den schon an sich dankens¬
werten Versuch enthält, sie einmal gesetzgeberisch klar und bestimmt zu formu¬
liere". Was hier Goltz bringt, ist zum großen Teil inhaltlich so wohlbegründet
und in der Fassung so klar, wie man es nur von einem so erprobten Praktiker
erwarten darf. Ich versage es mir, darauf im einzelnen einzugehn, und glaube
im Interesse der Sache zu handeln, wenn ich vielmehr gerade einige streitige
Punkte berühre und zu der dringend notwendigen Erörterung anrege.

Es handelt sich einmal um die Art, wie die Wohnungsinspektivn orga¬
nisiert werden muß, ob man dem hessisch-preußischen System oder dem Ham¬
burger System den Vorzug geben soll. Goltz neigt offenbar mehr zu diesem:
er macht zu dem entscheidenden Organ der Wohnungspflege die Kommission
ehrenamtlich thätiger Bürger und will mich von der eigentlichen Inspektion
die Polizeibehörden -- wenigstens in den Großstädten -- ausgeschlossen Nüssen.
Ich verkenne das Gewicht der dafür von Goltz angeführten Gründe nicht, und
die Unbeliebtheit, die unsre Polizei genießt, wird ihm gerade in diesem Punkte
viel Zustimmung bringen. Aber gerade deshalb möchte ich zur Vorsicht mahnen
und auch dem andern System zu seinem Rechte verhelfen. Einerseits darf
man bei der Beurteilung dieses nicht zu schwarz sehen. Wenn man die Polizei
zum Träger der Wohnungspflege macht, so heißt das ja doch nicht, wie das
Beispiel hessischer und preußischer Städte lehrt, daß uun alles der Manu mit
der Pickelhaube macht, und die Mitwirkung technisch gebildeter Beamten aus¬
geschlossen ist; Goltz selbst erkennt an, daß Schutzleute in Zivil (wie in Düssel¬
dorf), wenn ihre Thätigkeit dnrch Baubeamte ergänzt wird, ein ganz gutes
Material abgeben können. Und was die Popularität betrifft, so darf man
sich überhaupt darüber keiner Tünschung hingeben, daß schließlich jede Art von
Wohnungsinspektion unpopulär sein und als Wohnungsschnüffelei empfunden
werden wird. Es scheint mir auch gar nicht ausgemacht, ob nicht manche
Leute noch lieber den Besuch eines staatlichen Beamten als den eines ehrenamtlich
thätigen Bürgers sehen; es wäre wichtig, über die Erfahrungen, die die ver-
schiednen Städte in dieser Beziehung bisher gemacht haben, etwas zu hören.

Andrerseits darf man auch nicht die Vorteile der von der Polizei aus¬
gehenden Wohnungsiuspektion unterschätzen, denn dieser ist offenbar, wie auch
Goltz zuzugeben scheint, die größere Energie, ein schnelleres und entschiedneres
Eingreifen eigen. Beachtung verdient hier, was Goltz über die Verhältnisse in
Stuttgart und in Leipzig sagt. In beiden Städten sind neben Polizeibeamten


Wohnungsinsxektion

und schwerwiegenden Gegner finden »vollen, müssen sie sich bei dein Entwurf
eines Gesetzes zum obersten Grundsatz die möglichste Schonung der schon be¬
stehenden Organisationen der Wohnungspflege machen. Kommt es doch nicht
so sehr darauf an, in welcher Form, als daß sie überhaupt geschieht; Erfolge
lassen sich ja offenbar auf die verschiedenste Art erzielen, und es ist schade,
daß Goltz in dem von ihm ausgearbeiteten Entwurf eines Reichswohnungs¬
gesetzes diesen Gedanken nicht genug betont hat.

Ich komme damit auf den interessantesten und wichtigsten Teil der Schrift,
der die Forderungen für die Zukunft behandelt und den schon an sich dankens¬
werten Versuch enthält, sie einmal gesetzgeberisch klar und bestimmt zu formu¬
liere». Was hier Goltz bringt, ist zum großen Teil inhaltlich so wohlbegründet
und in der Fassung so klar, wie man es nur von einem so erprobten Praktiker
erwarten darf. Ich versage es mir, darauf im einzelnen einzugehn, und glaube
im Interesse der Sache zu handeln, wenn ich vielmehr gerade einige streitige
Punkte berühre und zu der dringend notwendigen Erörterung anrege.

Es handelt sich einmal um die Art, wie die Wohnungsinspektivn orga¬
nisiert werden muß, ob man dem hessisch-preußischen System oder dem Ham¬
burger System den Vorzug geben soll. Goltz neigt offenbar mehr zu diesem:
er macht zu dem entscheidenden Organ der Wohnungspflege die Kommission
ehrenamtlich thätiger Bürger und will mich von der eigentlichen Inspektion
die Polizeibehörden — wenigstens in den Großstädten — ausgeschlossen Nüssen.
Ich verkenne das Gewicht der dafür von Goltz angeführten Gründe nicht, und
die Unbeliebtheit, die unsre Polizei genießt, wird ihm gerade in diesem Punkte
viel Zustimmung bringen. Aber gerade deshalb möchte ich zur Vorsicht mahnen
und auch dem andern System zu seinem Rechte verhelfen. Einerseits darf
man bei der Beurteilung dieses nicht zu schwarz sehen. Wenn man die Polizei
zum Träger der Wohnungspflege macht, so heißt das ja doch nicht, wie das
Beispiel hessischer und preußischer Städte lehrt, daß uun alles der Manu mit
der Pickelhaube macht, und die Mitwirkung technisch gebildeter Beamten aus¬
geschlossen ist; Goltz selbst erkennt an, daß Schutzleute in Zivil (wie in Düssel¬
dorf), wenn ihre Thätigkeit dnrch Baubeamte ergänzt wird, ein ganz gutes
Material abgeben können. Und was die Popularität betrifft, so darf man
sich überhaupt darüber keiner Tünschung hingeben, daß schließlich jede Art von
Wohnungsinspektion unpopulär sein und als Wohnungsschnüffelei empfunden
werden wird. Es scheint mir auch gar nicht ausgemacht, ob nicht manche
Leute noch lieber den Besuch eines staatlichen Beamten als den eines ehrenamtlich
thätigen Bürgers sehen; es wäre wichtig, über die Erfahrungen, die die ver-
schiednen Städte in dieser Beziehung bisher gemacht haben, etwas zu hören.

Andrerseits darf man auch nicht die Vorteile der von der Polizei aus¬
gehenden Wohnungsiuspektion unterschätzen, denn dieser ist offenbar, wie auch
Goltz zuzugeben scheint, die größere Energie, ein schnelleres und entschiedneres
Eingreifen eigen. Beachtung verdient hier, was Goltz über die Verhältnisse in
Stuttgart und in Leipzig sagt. In beiden Städten sind neben Polizeibeamten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/128>, abgerufen am 03.07.2024.