Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.war mit der Zertrümmerung jener halbstaatlichen Gewalten der Druck ge¬ Und schon nicht mehr wollte sich dieses wirtschaftlich erstarkende Bürgertum Auf wie schwachem Grunde der monarchische Absolutismus ruht, hat mit war mit der Zertrümmerung jener halbstaatlichen Gewalten der Druck ge¬ Und schon nicht mehr wollte sich dieses wirtschaftlich erstarkende Bürgertum Auf wie schwachem Grunde der monarchische Absolutismus ruht, hat mit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0124" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/234654"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_321" prev="#ID_320"> war mit der Zertrümmerung jener halbstaatlichen Gewalten der Druck ge¬<lb/> nommen! aufatmend konnte vor allem das Bürgertum seine Kräfte entfalten,</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_18" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_322"> Und schon nicht mehr wollte sich dieses wirtschaftlich erstarkende Bürgertum<lb/> vom Herrscher bedingungslos die Richtung seines Handelns vorschreiben lassen -<lb/> mächtig schwoll sein Selbstgefühl, „Ehrt den König seine Würde — ehret<lb/> uns der Hände Fleiß," Wie furchtbar wäre noch Friedrich Wilhelm 1. drem-<lb/> gefahren, wenn einer seiner Unterthanen am absoluten Regimente Kritik zu<lb/> üben gewagt hätte! In der Publizistik des ausgehenden achtzehnten Jahr¬<lb/> hunderts ist die Diskussion über die beste Form der Verfassung ganz allgemein.<lb/> Radikal-demokratische Projekte werden vorgetragen, zum Teil zu offner Gewalt<lb/> aufgefordert. Diese Stimmungen herrschen in Deutschland keineswegs vor —<lb/> aber das Recht freier Kritik beansprucht jeder.</p><lb/> <p xml:id="ID_323"> Auf wie schwachem Grunde der monarchische Absolutismus ruht, hat mit<lb/> scharfem Blicke Friedrich der Große erkannt. Er selbst hatte sich genährt an<lb/> der Gedankenwelt der französischen Aufklärung, Wie, weiln diese Gedanken<lb/> Gemeingut seiner Unterthanen wurden? Der alte Herr, der grüblerisch-sinnend<lb/> einsam, nur von seinem Windspiel begleitet, im Park von Sanssouci spazieren<lb/> wandelte, hat sicher oft voll schwerer Sorge die Zukunft seines Staates er¬<lb/> wogen. Der drohenden Entwicklung suchte er vorzubeugen, indem er die Stände<lb/> seines Staats — Adel, Bürgertum und Bauern — durch die Gesetzgebung in<lb/> ihrem damaligen Machtbestande nach Möglichkeit zu fixieren suchte. In der<lb/> starken Bevorzugung des Adels, dem er die leibeigne Bauernschaft ließ, be¬<lb/> zeichnet seine Handlungsweise vielfach einen Rückschritt gegenüber den Grund¬<lb/> sätzen seiner Vorgänger, Er hat die Entwicklung doch nicht aufhalten können.<lb/> Mit den grandiosen Reformen, die in den Jahren der tiefsten Erniedrigung<lb/> Preußens der Freiherr von Stein ins Leben rief, wurde die rechtliche Gleich¬<lb/> stellung aller preußischen Unterthanen endgiltig durchgesetzt. Durch diese Stein-<lb/> Hardenbergische befreiende Gesetzgebung wurde erst die Voraussetzung für die<lb/> machtvolle, flammende Erhebung des preußischen Volks im Jahre 1813 ge¬<lb/> schaffen. Sie wäre noch unter Friedrich dem Großen undenkbar gewesen. Als<lb/> während des siebenjährigen Krieges die Russen in Ostpreußen einfielen, ließ<lb/> die damals leibeigne Bauernschaft alle Greuelthaten stumpfsinnig über sich er-<lb/> gehn. Nur ein Volk, das sich recken und strecken kann, ein Volk, dem durch<lb/> die Fremdherrschaft etwas geraubt werden kann, ist mächtiger patriotischer<lb/> Wallungen fähig.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0124]
war mit der Zertrümmerung jener halbstaatlichen Gewalten der Druck ge¬
nommen! aufatmend konnte vor allem das Bürgertum seine Kräfte entfalten,
Und schon nicht mehr wollte sich dieses wirtschaftlich erstarkende Bürgertum
vom Herrscher bedingungslos die Richtung seines Handelns vorschreiben lassen -
mächtig schwoll sein Selbstgefühl, „Ehrt den König seine Würde — ehret
uns der Hände Fleiß," Wie furchtbar wäre noch Friedrich Wilhelm 1. drem-
gefahren, wenn einer seiner Unterthanen am absoluten Regimente Kritik zu
üben gewagt hätte! In der Publizistik des ausgehenden achtzehnten Jahr¬
hunderts ist die Diskussion über die beste Form der Verfassung ganz allgemein.
Radikal-demokratische Projekte werden vorgetragen, zum Teil zu offner Gewalt
aufgefordert. Diese Stimmungen herrschen in Deutschland keineswegs vor —
aber das Recht freier Kritik beansprucht jeder.
Auf wie schwachem Grunde der monarchische Absolutismus ruht, hat mit
scharfem Blicke Friedrich der Große erkannt. Er selbst hatte sich genährt an
der Gedankenwelt der französischen Aufklärung, Wie, weiln diese Gedanken
Gemeingut seiner Unterthanen wurden? Der alte Herr, der grüblerisch-sinnend
einsam, nur von seinem Windspiel begleitet, im Park von Sanssouci spazieren
wandelte, hat sicher oft voll schwerer Sorge die Zukunft seines Staates er¬
wogen. Der drohenden Entwicklung suchte er vorzubeugen, indem er die Stände
seines Staats — Adel, Bürgertum und Bauern — durch die Gesetzgebung in
ihrem damaligen Machtbestande nach Möglichkeit zu fixieren suchte. In der
starken Bevorzugung des Adels, dem er die leibeigne Bauernschaft ließ, be¬
zeichnet seine Handlungsweise vielfach einen Rückschritt gegenüber den Grund¬
sätzen seiner Vorgänger, Er hat die Entwicklung doch nicht aufhalten können.
Mit den grandiosen Reformen, die in den Jahren der tiefsten Erniedrigung
Preußens der Freiherr von Stein ins Leben rief, wurde die rechtliche Gleich¬
stellung aller preußischen Unterthanen endgiltig durchgesetzt. Durch diese Stein-
Hardenbergische befreiende Gesetzgebung wurde erst die Voraussetzung für die
machtvolle, flammende Erhebung des preußischen Volks im Jahre 1813 ge¬
schaffen. Sie wäre noch unter Friedrich dem Großen undenkbar gewesen. Als
während des siebenjährigen Krieges die Russen in Ostpreußen einfielen, ließ
die damals leibeigne Bauernschaft alle Greuelthaten stumpfsinnig über sich er-
gehn. Nur ein Volk, das sich recken und strecken kann, ein Volk, dem durch
die Fremdherrschaft etwas geraubt werden kann, ist mächtiger patriotischer
Wallungen fähig.
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