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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Minimalzölle im Generaltarif

Mangel eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen den Minimalzollsätzen
Dades und der Masse des von ihm als Unterlage angehäufte" statistischen
und andern Materials, Die ganze Gichtbrüchigkeit der agrarischen Argumente
für die erhöhten festen Minimalzölle im Generaltarif wird durch diesen mit
ehrlichem wissenschaftlichem Ernst nnternommnen Rettungsversuch besonders
scharf beleuchtet. Düte schreibt, den sichersten und gerechtesten Maßstab für
die Bemessung der Getreidezölle würde der Unterschied geben zwischen den
"höchsten inländischen Produktionskosten, soweit zu denselben noch große Mengen
Getreide produziert werden, und dem Preise, zu dem das am billigsten pro¬
duzierende Konkurrenzland das Getreide an die deutsche Zollgrenze bisher ge¬
liefert hat oder voraussichtlich wird liefern können." Wenn nun anch eine
,,exakte" Beantwortung der Frage nach den Produktionskosten des Getreides
unmöglich erscheine, so dürfe doch "auf Grund langjähriger Erfahrungen und
Beobachtungen aus der landwirtschaftlichen Praxis" angenommen werden, daß
die Produktionskosten für die Tonne Weizen im Deutschen Reiche beim Zu-
grundlegen mehrerer Erntejahre zwischen 170 und 200 Mark und für die
Tonne Roggen zwischen 140 und 170 Mark, je nach dem Boden, Klima,
Betriebsweise und Absatzverhültnissen schwankten. Danach würden die "durch¬
schnittlichen" Produktionskosten für die Tonne Weizen 185 Mark und für
Roggen 155 Mark betragen. Der Minister Lucius habe 1887 die Produktions¬
kosten für Weizen und Roggen auf 190 Mark geschätzt. Wir brauchen auf die
Wertlosigkeit dieser geschätzten "Durchschnittszahlen" als Maßstäbe für eine
"gerechte" Bemessung des Zolls hier vorläufig mir hinzuweisen, denn Date
selbst verwirft sie sofort als "vielleicht anfechtbar" und sucht nach einem
"mehr einwandfreien Maßstab." Er glaubt ihn zu finden, indem er "der
Feststellung des erforderlichen Rentabilitütspreises einen vieljährigen Durch¬
schnittspreis aus den wirklichen Preisen für Getreide" zu Grunde legt, und
zwar den Durchschnittspreis von 1860 bis 1890. Der habe für Weizen
195 Mark und für Roggen 156 Mark betragen. Das sei der Maßstab für
die Zollsätze. Habe im Durchschnitt der letzten acht Erntejahre 1892/93
bis 1899/1900 der Wcizeupreis unverzollt auf 120 Mark gestanden, so
sei der erforderliche Zoll 75 Mark gewesen, und bei einem unverzollten
Roggenpreise von 96 Mark sei er auf 60 Mark festzusetzen. "Würde man
-- so schließt diese ganze Darlegung -- für Weizen auf 185 Mark und für
Roggen auf 150 Mark hinabgehn, so Hütte der Weizenzoll in den letzten
acht Erntcjahren 65 Mark und der Roggenzoll 54 Mark für die Tonne be¬
tragen müssen." Wo ist da der logische Zusammenhang? Wie kommt der Ver¬
fasser dazu, den glücklich entdeckten, "mehr einwandfreien Maßstab," d. h.
den Durchschnittspreis von 1840 bis 1890, auf einmal für die letzten acht
Erntejahre von 195 Mark auf 185 beim Weizen und von 156 Mark auf
150 Mark beim Roggen hinabzusetzen und so, statt an den sich konsequent er¬
gebenden Minimalsätzen festzuhalten, von 75 und 60 auf 65 und 54 Mark
hinunterzugehn? Aber damit uicht genug. Schließlich schrumpfen, wie wir


Minimalzölle im Generaltarif

Mangel eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen den Minimalzollsätzen
Dades und der Masse des von ihm als Unterlage angehäufte» statistischen
und andern Materials, Die ganze Gichtbrüchigkeit der agrarischen Argumente
für die erhöhten festen Minimalzölle im Generaltarif wird durch diesen mit
ehrlichem wissenschaftlichem Ernst nnternommnen Rettungsversuch besonders
scharf beleuchtet. Düte schreibt, den sichersten und gerechtesten Maßstab für
die Bemessung der Getreidezölle würde der Unterschied geben zwischen den
„höchsten inländischen Produktionskosten, soweit zu denselben noch große Mengen
Getreide produziert werden, und dem Preise, zu dem das am billigsten pro¬
duzierende Konkurrenzland das Getreide an die deutsche Zollgrenze bisher ge¬
liefert hat oder voraussichtlich wird liefern können." Wenn nun anch eine
,,exakte" Beantwortung der Frage nach den Produktionskosten des Getreides
unmöglich erscheine, so dürfe doch „auf Grund langjähriger Erfahrungen und
Beobachtungen aus der landwirtschaftlichen Praxis" angenommen werden, daß
die Produktionskosten für die Tonne Weizen im Deutschen Reiche beim Zu-
grundlegen mehrerer Erntejahre zwischen 170 und 200 Mark und für die
Tonne Roggen zwischen 140 und 170 Mark, je nach dem Boden, Klima,
Betriebsweise und Absatzverhültnissen schwankten. Danach würden die „durch¬
schnittlichen" Produktionskosten für die Tonne Weizen 185 Mark und für
Roggen 155 Mark betragen. Der Minister Lucius habe 1887 die Produktions¬
kosten für Weizen und Roggen auf 190 Mark geschätzt. Wir brauchen auf die
Wertlosigkeit dieser geschätzten „Durchschnittszahlen" als Maßstäbe für eine
„gerechte" Bemessung des Zolls hier vorläufig mir hinzuweisen, denn Date
selbst verwirft sie sofort als „vielleicht anfechtbar" und sucht nach einem
„mehr einwandfreien Maßstab." Er glaubt ihn zu finden, indem er „der
Feststellung des erforderlichen Rentabilitütspreises einen vieljährigen Durch¬
schnittspreis aus den wirklichen Preisen für Getreide" zu Grunde legt, und
zwar den Durchschnittspreis von 1860 bis 1890. Der habe für Weizen
195 Mark und für Roggen 156 Mark betragen. Das sei der Maßstab für
die Zollsätze. Habe im Durchschnitt der letzten acht Erntejahre 1892/93
bis 1899/1900 der Wcizeupreis unverzollt auf 120 Mark gestanden, so
sei der erforderliche Zoll 75 Mark gewesen, und bei einem unverzollten
Roggenpreise von 96 Mark sei er auf 60 Mark festzusetzen. „Würde man
— so schließt diese ganze Darlegung — für Weizen auf 185 Mark und für
Roggen auf 150 Mark hinabgehn, so Hütte der Weizenzoll in den letzten
acht Erntcjahren 65 Mark und der Roggenzoll 54 Mark für die Tonne be¬
tragen müssen." Wo ist da der logische Zusammenhang? Wie kommt der Ver¬
fasser dazu, den glücklich entdeckten, „mehr einwandfreien Maßstab," d. h.
den Durchschnittspreis von 1840 bis 1890, auf einmal für die letzten acht
Erntejahre von 195 Mark auf 185 beim Weizen und von 156 Mark auf
150 Mark beim Roggen hinabzusetzen und so, statt an den sich konsequent er¬
gebenden Minimalsätzen festzuhalten, von 75 und 60 auf 65 und 54 Mark
hinunterzugehn? Aber damit uicht genug. Schließlich schrumpfen, wie wir


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/114>, abgerufen am 03.07.2024.