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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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sich sonst nennen, über ein non liaust nicht hinauszukommen vermocht, und
wir können deshalb und auf Grund eigner Anschauung vorläufig nur das
Urteil abgeben, zu dem auch Conrad gelangt: es bleibe, wie es ist; weder ist
eine Erhöhung als nötig nachgewiesen, noch erscheint eine Herabsetzung zulässig.
Selbstverständlich soll damit nicht gesagt sein, daß, wenn die Regierung eine
müßige Erhöhung für angezeigt hält, das als eine sachlich unbegründete Kon¬
zession an die agrarische Begehrlichkeit betrachtet werden müßte. Jedenfalls
kann die Regierung durch ihre weitaus umfassendere und gründlichere Über¬
sicht über die Sachlage zu einer solchen Entscheidung gelangt sein. Grund¬
sätzlich bekämpfen wir die Behauptung, daß eine mäßige Erhöhung unter allen
Umständen verwerflich sei, und die Regierung, wenn sie ihr zustimmt, den
"Brotwucher" sanktioniere. Das sind ebenso agitatorische Übertreibungen, die
den berechtigten Widerstand gegen das Übermaß der agrarischen Forderungen
nur lahmen können, wie es agitatorische Übertreibung ist, wenn auf der andern
Seite die sozial nachteilige Belastung gerade der nichtbesitzenden Klassen durch
die Brotkornzölle geleugnet, ihre Erhöhung wohl gar als sozialer Fortschritt
gepriesen wird. Wir wollen uns mit diesem widerwärtigen Treiben hier nicht
weiter abgeben, an entscheidender Stelle erfährt es jedenfalls die gebührende
Nichtbeachtung.

Unter den Schriften, die vom agrarischen Standpunkt die Frage der Ab¬
messung erhöhter Minimalzölle im Generaltarif behandelt haben, waren wir
von vornherein geneigt am ernstesten zu nehmen die Arbeit des Dr. Date, die
der Verein für Sozialpolitik unter Schmollers Leitung im zweiten Bande der
von ihm herausgegebnen "Beiträge zur neusten Handelspolitik Deutschlands"
veröffentlicht hat. Wie schon früher in den Grenzboten mitgeteilt worden ist,
sollen diese Beiträge nach dem Schmollerschcn Vorwort im Unterschiede von
den Publikationen der großen, über viel Geldmittel und einen "gut besoldeten
Stab von geschulten Sekretären und Mitarbeitern" verfügenden Jnteressenver-
bände, die mit so viel Geschick und Nachdruck die Sonderinteressen ihrer Auftrag¬
geber zur Geltung zu bringen wüßten, der unbefangne" Stimme der Wissenschaft
Gehör verschaffen. Daß nun gerade in dieser Sammlung Date, der der General¬
sekretär des deutschen Landwirtschaftsrats, der heute mächtigsten Interessenver¬
tretung, ist, mit dem Korreferat zu der schon im ersten Bande veröffentlichten
Arbeit des Professor Conrad in Halle über die Agrarzölle betraut worden war,
mußte die Aufmerksamkeit natürlich auf seine Ausführungen in besondern: Maße
hinlenken. Date verfügte bei seinem Verhältnis zu der obersten Interessen
Vertretung der deutschen Landwirtschaft jedenfalls über ein ganz besonders um¬
fassendes Material zur Beurteilung der notwendigen Höhe landwirtschaftlicher
Minimalzölle. Das Neichsmnt des Innern hatte sich ja selbst bei seinen Er¬
hebungen ganz wesentlich auf den deutschen Landwirtschnftsrat gestützt und ver¬
lassen. Date kommt nun in seiner Abhandlung zu folgender hier interessiereuder
Forderung: "Als für den deutschen Ackerbau erforderlicher Zollschutz würden
danach etwa folgende feste Zollsätze eines Minimal- oder Vertragstarifs zu befür-


sich sonst nennen, über ein non liaust nicht hinauszukommen vermocht, und
wir können deshalb und auf Grund eigner Anschauung vorläufig nur das
Urteil abgeben, zu dem auch Conrad gelangt: es bleibe, wie es ist; weder ist
eine Erhöhung als nötig nachgewiesen, noch erscheint eine Herabsetzung zulässig.
Selbstverständlich soll damit nicht gesagt sein, daß, wenn die Regierung eine
müßige Erhöhung für angezeigt hält, das als eine sachlich unbegründete Kon¬
zession an die agrarische Begehrlichkeit betrachtet werden müßte. Jedenfalls
kann die Regierung durch ihre weitaus umfassendere und gründlichere Über¬
sicht über die Sachlage zu einer solchen Entscheidung gelangt sein. Grund¬
sätzlich bekämpfen wir die Behauptung, daß eine mäßige Erhöhung unter allen
Umständen verwerflich sei, und die Regierung, wenn sie ihr zustimmt, den
„Brotwucher" sanktioniere. Das sind ebenso agitatorische Übertreibungen, die
den berechtigten Widerstand gegen das Übermaß der agrarischen Forderungen
nur lahmen können, wie es agitatorische Übertreibung ist, wenn auf der andern
Seite die sozial nachteilige Belastung gerade der nichtbesitzenden Klassen durch
die Brotkornzölle geleugnet, ihre Erhöhung wohl gar als sozialer Fortschritt
gepriesen wird. Wir wollen uns mit diesem widerwärtigen Treiben hier nicht
weiter abgeben, an entscheidender Stelle erfährt es jedenfalls die gebührende
Nichtbeachtung.

Unter den Schriften, die vom agrarischen Standpunkt die Frage der Ab¬
messung erhöhter Minimalzölle im Generaltarif behandelt haben, waren wir
von vornherein geneigt am ernstesten zu nehmen die Arbeit des Dr. Date, die
der Verein für Sozialpolitik unter Schmollers Leitung im zweiten Bande der
von ihm herausgegebnen „Beiträge zur neusten Handelspolitik Deutschlands"
veröffentlicht hat. Wie schon früher in den Grenzboten mitgeteilt worden ist,
sollen diese Beiträge nach dem Schmollerschcn Vorwort im Unterschiede von
den Publikationen der großen, über viel Geldmittel und einen „gut besoldeten
Stab von geschulten Sekretären und Mitarbeitern" verfügenden Jnteressenver-
bände, die mit so viel Geschick und Nachdruck die Sonderinteressen ihrer Auftrag¬
geber zur Geltung zu bringen wüßten, der unbefangne» Stimme der Wissenschaft
Gehör verschaffen. Daß nun gerade in dieser Sammlung Date, der der General¬
sekretär des deutschen Landwirtschaftsrats, der heute mächtigsten Interessenver¬
tretung, ist, mit dem Korreferat zu der schon im ersten Bande veröffentlichten
Arbeit des Professor Conrad in Halle über die Agrarzölle betraut worden war,
mußte die Aufmerksamkeit natürlich auf seine Ausführungen in besondern: Maße
hinlenken. Date verfügte bei seinem Verhältnis zu der obersten Interessen
Vertretung der deutschen Landwirtschaft jedenfalls über ein ganz besonders um¬
fassendes Material zur Beurteilung der notwendigen Höhe landwirtschaftlicher
Minimalzölle. Das Neichsmnt des Innern hatte sich ja selbst bei seinen Er¬
hebungen ganz wesentlich auf den deutschen Landwirtschnftsrat gestützt und ver¬
lassen. Date kommt nun in seiner Abhandlung zu folgender hier interessiereuder
Forderung: „Als für den deutschen Ackerbau erforderlicher Zollschutz würden
danach etwa folgende feste Zollsätze eines Minimal- oder Vertragstarifs zu befür-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/112>, abgerufen am 03.07.2024.