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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Herbsttage in der Lisel

großer Ereignisse. Die Herbstmanöver, die gerade in der Gegend stattfanden,
hatten dein Orte Einquartierung gebracht, und da zufällig Sonntag war, sah
ich Bürger und Soldaten in gemütlicher Unterhaltung durch die Straßen
schlendern und den schönen Platz vor der Abteikirche auf das erfreulichste be¬
leben. Außerdem fand um dem Tage in Prüm die jährliche Generalversamm¬
lung des Eifelvereins statt, die eine große Anzahl von Festgüsten aus der
Nähe und der Ferne herbeigezogen hatte. Stattliche Herren, denen man ihre
Frende an der Heimat ansah, und schöne Damen in festlichem Putz brachten
in das fröhliche Getriebe einen Zug von großstädtischer Eleganz. Mau saß
"im Stern" beim Festmahle, und die dienstbaren Geister des Hanfes hatten
alle Hände voll zu thun, um für die Bewirtung und Bedienung so vieler zu
sorgen. Als Unbeteiligter durfte ich unter solchen Umstünden auf Speise und
Trank nicht rechnen und mußte froh sein, daß man nur im Wirtsgarten unter
den Fenstern des Festsaales ein Plätzchen gönnte, von dem aus ich das heitere
Treiben ungestört beobachten konnte. Hinter mir, im Saale, klangen die
Gläser, vor nur, wo Ordonnanzen unter den Bäumen den Tisch gedeckt hatten,
tafelten die Offiziere, und neben mir that sich eine Musikkapelle, die bei den
Tischreden regelmäßig mit ihrem Tusch zu früh einfiel, am goldnen Gersten¬
säfte gütlich. Also umbrandet von den Wogen des Genusses saß ich wie ein
Tantalus einsam und vergessen auf meiner Bank, wehmütig der schönen Zeit
gedenkend, wo man im Kloster drüben auf der andern Seite des Platzes ohne
sonderliche Anstrengungen tausend Besucher fürstlich zu bewirken vermochte.
Für Hunger und Durst entschädigten mich freilich einigermaßen die heitern
Vorträge der Kapelle und die Toaste der offiziellen und nicht offiziellen
Redner. Sehr hübsch war die Ehrung, die der Direktor des Gymnasiums
für den Eifelverein veranstaltet hatte. Während des Mahles stellte sich der
Gymnasialchor im Garten auf und stimmte eine Anzahl trefflich vorgetrngner
Gesänge an, die ihre Wirkung auf die Hörer uicht verfehlten. Der neue Vor¬
sitzende des Vereins, Herr Generalmajor von Voigt, dankte den Schülern in
einer kurzen Ansprache für ihre Leistungen und legte ihnen ans Herz, treu zu
Kaiser und Reich zu stehn und ihrer schönen Heimat nie zu vergessen.

Am Bahnhofe war ich Zeuge einer andern Szene, die auf diesem historisch
denkwürdigen Boden die Bilder militärischen Lebens und bürgerlicher Festes¬
freude auf das glücklichste ergänzte. Dort erwartete der Klerus von Prüm
die Ankunft des Trierer Bischofs, der seinen Besuch zur Visitation des bischöf¬
lichen Knabenkonvikts angemeldet hatte. Wie man mir sagte, erfreut sich Prüm
seiner besondern Vorliebe. Ob der Hüter des berühmtesten unter den einund¬
zwanzig heiligen Röcken wohl deshalb eine Hinneigung zu der alten Kloster¬
stadt im Eifellcmde empfindet, weil hier die Sandalen des Heilandes auf¬
bewahrt werden? Der Zug fuhr ein, und Dr. Korum entstieg mit seinem
Weihbischof dem Coupe. Beide Herren unterschieden sich uur durch die grünen
und die violetten Schnüre am Hute und das goldne Krenz auf ihrer Brust
von den Geistlichen, die sich zu ihrem Empfange eingefunden hatten. Die


Herbsttage in der Lisel

großer Ereignisse. Die Herbstmanöver, die gerade in der Gegend stattfanden,
hatten dein Orte Einquartierung gebracht, und da zufällig Sonntag war, sah
ich Bürger und Soldaten in gemütlicher Unterhaltung durch die Straßen
schlendern und den schönen Platz vor der Abteikirche auf das erfreulichste be¬
leben. Außerdem fand um dem Tage in Prüm die jährliche Generalversamm¬
lung des Eifelvereins statt, die eine große Anzahl von Festgüsten aus der
Nähe und der Ferne herbeigezogen hatte. Stattliche Herren, denen man ihre
Frende an der Heimat ansah, und schöne Damen in festlichem Putz brachten
in das fröhliche Getriebe einen Zug von großstädtischer Eleganz. Mau saß
„im Stern" beim Festmahle, und die dienstbaren Geister des Hanfes hatten
alle Hände voll zu thun, um für die Bewirtung und Bedienung so vieler zu
sorgen. Als Unbeteiligter durfte ich unter solchen Umstünden auf Speise und
Trank nicht rechnen und mußte froh sein, daß man nur im Wirtsgarten unter
den Fenstern des Festsaales ein Plätzchen gönnte, von dem aus ich das heitere
Treiben ungestört beobachten konnte. Hinter mir, im Saale, klangen die
Gläser, vor nur, wo Ordonnanzen unter den Bäumen den Tisch gedeckt hatten,
tafelten die Offiziere, und neben mir that sich eine Musikkapelle, die bei den
Tischreden regelmäßig mit ihrem Tusch zu früh einfiel, am goldnen Gersten¬
säfte gütlich. Also umbrandet von den Wogen des Genusses saß ich wie ein
Tantalus einsam und vergessen auf meiner Bank, wehmütig der schönen Zeit
gedenkend, wo man im Kloster drüben auf der andern Seite des Platzes ohne
sonderliche Anstrengungen tausend Besucher fürstlich zu bewirken vermochte.
Für Hunger und Durst entschädigten mich freilich einigermaßen die heitern
Vorträge der Kapelle und die Toaste der offiziellen und nicht offiziellen
Redner. Sehr hübsch war die Ehrung, die der Direktor des Gymnasiums
für den Eifelverein veranstaltet hatte. Während des Mahles stellte sich der
Gymnasialchor im Garten auf und stimmte eine Anzahl trefflich vorgetrngner
Gesänge an, die ihre Wirkung auf die Hörer uicht verfehlten. Der neue Vor¬
sitzende des Vereins, Herr Generalmajor von Voigt, dankte den Schülern in
einer kurzen Ansprache für ihre Leistungen und legte ihnen ans Herz, treu zu
Kaiser und Reich zu stehn und ihrer schönen Heimat nie zu vergessen.

Am Bahnhofe war ich Zeuge einer andern Szene, die auf diesem historisch
denkwürdigen Boden die Bilder militärischen Lebens und bürgerlicher Festes¬
freude auf das glücklichste ergänzte. Dort erwartete der Klerus von Prüm
die Ankunft des Trierer Bischofs, der seinen Besuch zur Visitation des bischöf¬
lichen Knabenkonvikts angemeldet hatte. Wie man mir sagte, erfreut sich Prüm
seiner besondern Vorliebe. Ob der Hüter des berühmtesten unter den einund¬
zwanzig heiligen Röcken wohl deshalb eine Hinneigung zu der alten Kloster¬
stadt im Eifellcmde empfindet, weil hier die Sandalen des Heilandes auf¬
bewahrt werden? Der Zug fuhr ein, und Dr. Korum entstieg mit seinem
Weihbischof dem Coupe. Beide Herren unterschieden sich uur durch die grünen
und die violetten Schnüre am Hute und das goldne Krenz auf ihrer Brust
von den Geistlichen, die sich zu ihrem Empfange eingefunden hatten. Die


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[0580] Herbsttage in der Lisel großer Ereignisse. Die Herbstmanöver, die gerade in der Gegend stattfanden, hatten dein Orte Einquartierung gebracht, und da zufällig Sonntag war, sah ich Bürger und Soldaten in gemütlicher Unterhaltung durch die Straßen schlendern und den schönen Platz vor der Abteikirche auf das erfreulichste be¬ leben. Außerdem fand um dem Tage in Prüm die jährliche Generalversamm¬ lung des Eifelvereins statt, die eine große Anzahl von Festgüsten aus der Nähe und der Ferne herbeigezogen hatte. Stattliche Herren, denen man ihre Frende an der Heimat ansah, und schöne Damen in festlichem Putz brachten in das fröhliche Getriebe einen Zug von großstädtischer Eleganz. Mau saß „im Stern" beim Festmahle, und die dienstbaren Geister des Hanfes hatten alle Hände voll zu thun, um für die Bewirtung und Bedienung so vieler zu sorgen. Als Unbeteiligter durfte ich unter solchen Umstünden auf Speise und Trank nicht rechnen und mußte froh sein, daß man nur im Wirtsgarten unter den Fenstern des Festsaales ein Plätzchen gönnte, von dem aus ich das heitere Treiben ungestört beobachten konnte. Hinter mir, im Saale, klangen die Gläser, vor nur, wo Ordonnanzen unter den Bäumen den Tisch gedeckt hatten, tafelten die Offiziere, und neben mir that sich eine Musikkapelle, die bei den Tischreden regelmäßig mit ihrem Tusch zu früh einfiel, am goldnen Gersten¬ säfte gütlich. Also umbrandet von den Wogen des Genusses saß ich wie ein Tantalus einsam und vergessen auf meiner Bank, wehmütig der schönen Zeit gedenkend, wo man im Kloster drüben auf der andern Seite des Platzes ohne sonderliche Anstrengungen tausend Besucher fürstlich zu bewirken vermochte. Für Hunger und Durst entschädigten mich freilich einigermaßen die heitern Vorträge der Kapelle und die Toaste der offiziellen und nicht offiziellen Redner. Sehr hübsch war die Ehrung, die der Direktor des Gymnasiums für den Eifelverein veranstaltet hatte. Während des Mahles stellte sich der Gymnasialchor im Garten auf und stimmte eine Anzahl trefflich vorgetrngner Gesänge an, die ihre Wirkung auf die Hörer uicht verfehlten. Der neue Vor¬ sitzende des Vereins, Herr Generalmajor von Voigt, dankte den Schülern in einer kurzen Ansprache für ihre Leistungen und legte ihnen ans Herz, treu zu Kaiser und Reich zu stehn und ihrer schönen Heimat nie zu vergessen. Am Bahnhofe war ich Zeuge einer andern Szene, die auf diesem historisch denkwürdigen Boden die Bilder militärischen Lebens und bürgerlicher Festes¬ freude auf das glücklichste ergänzte. Dort erwartete der Klerus von Prüm die Ankunft des Trierer Bischofs, der seinen Besuch zur Visitation des bischöf¬ lichen Knabenkonvikts angemeldet hatte. Wie man mir sagte, erfreut sich Prüm seiner besondern Vorliebe. Ob der Hüter des berühmtesten unter den einund¬ zwanzig heiligen Röcken wohl deshalb eine Hinneigung zu der alten Kloster¬ stadt im Eifellcmde empfindet, weil hier die Sandalen des Heilandes auf¬ bewahrt werden? Der Zug fuhr ein, und Dr. Korum entstieg mit seinem Weihbischof dem Coupe. Beide Herren unterschieden sich uur durch die grünen und die violetten Schnüre am Hute und das goldne Krenz auf ihrer Brust von den Geistlichen, die sich zu ihrem Empfange eingefunden hatten. Die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/580>, abgerufen am 22.06.2024.