Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.und zeigt nichts davon. Es macht uns wirklich kein Vergnügen, die Auswahl Die Romantiker sind unsrer Teilnahme wert, sagten wir, und darum ist und zeigt nichts davon. Es macht uns wirklich kein Vergnügen, die Auswahl Die Romantiker sind unsrer Teilnahme wert, sagten wir, und darum ist <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0570" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/234450"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1849" prev="#ID_1848"> und zeigt nichts davon. Es macht uns wirklich kein Vergnügen, die Auswahl<lb/> noch weiter zu bekritteln; wir wollten nur andeuten, warum sie uns nicht be¬<lb/> friedigt hat: sie giebt zu vielerlei und keine Vorstellung von dem Umfang der<lb/> ältern Romantik, auf die es doch vor allem ankommt. Und nun noch eins.<lb/> Anstatt einer durchgearbeiteten litteratnrgeschichtlichen Einleitung erhalten wir<lb/> zwei getrennte Essays der beiden Herausgeber, persönlich empfunden und sehr<lb/> lebendig geschriebett. Das mag modern sein, aber wissenschaftlich ist es nicht,<lb/> und für den, der Belehrung sucht, sehr unbequem; er will etwas abgeschlossenes,<lb/> anleitendes, worauf er fußen kann, und bekommt statt dessen den Eindruck, als<lb/> wäre» seine Lehrer mit ihren Formulierungen selbst noch nicht ganz fertig und<lb/> mit sich eins geworden. Übrigens ist Karl von Renner, von dem ein Gedicht<lb/> mitgeteilt wird, der Erlanger Miuerciloge, der auch eine bekannte Geschichte<lb/> der Pädagogik geschrieben und einiges ans Augustin übersetzt hat. Dagegen<lb/> ist der Geschichtschreiber der Hohenstnnfen, über den sich Heine lustig machte<lb/> („das Raumercheu"), sein Bruder Friedrich, der in Berlin lebte. Wir würden<lb/> das kleine Quiproquo mit Stillschweigen zugedeckt haben, wenn sich nicht der<lb/> eine Herausgeber selbst über diesen so unbarmherzig lustig gemacht hätte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1850" next="#ID_1851"> Die Romantiker sind unsrer Teilnahme wert, sagten wir, und darum ist<lb/> es gut, daß man ihre Jubiläen feiert und sie selbst uns wieder nahe zu bringen<lb/> sucht. Zwar die litteratnrgeschichtlichen Vorlesungen und Aufsätze der Brüder<lb/> Schlegel sind niemals ganz vergessen worden und stehn noch heute bei de»<lb/> Kundigen in großen Ehren, und auch ihre geistvollen Knnstbetrachtungen hat<lb/> man in neuerer Zeit wieder gebührend beachtet, die Gespräche über die Ge¬<lb/> mälde der Dresdner Galerie im zweiten Bande des „Athenäums" (1799,<lb/> hauptsächlich von August Wilhelm und Karoline Michaelis verfaßt) und die<lb/> Pariser Kunstkritiken Friedrichs in der „Europa," 1803. Aber das sind<lb/> Leistungen der Kritik. Mit den eignen Schöpfungen der romantischen Dichter<lb/> verhält es sich anders. Man warf ihnen von jeher vor, und sie selbst, die<lb/> sich mit Unterstützung ihrer geistreichen Frauen und Freundinnen gegenseitig<lb/> reichlich beleuchteten und charakterisierten, haben es einander bescheinigt, daß<lb/> sie keine wirklichen Dichter seien, weil sie nichts „machten," da doch der Poet<lb/> ein Macher ist und sein soll. Sie hatten alle eine Abneigung gegen das<lb/> berufsmäßig geregelte Arbeiten und wanderten, sie hatten Empfindung für<lb/> alles und griffen vieles an, trugen sich mit Plänen und ließen Programme<lb/> über alles mögliche in die Zukunft hinaufleuchten. Der einzige, der Arbeits¬<lb/> lust hatte und die Überzeugung von dem Werte des praktischen Amts für die<lb/> geistige Vervollkommnung eines Menschen in sich trug, Novalis, starb früh und<lb/> ist Fragmentist geblieben. Friedrich Schlegel, nächst ihm der gedankenreichste,<lb/> wurde zuletzt faul und genußsüchtig, und das beste von ihm steckt ebenfalls in<lb/> Fragmenten und Aphorismen. Vielerlei Kenntnisse also und feinste künstlerische<lb/> Empfindung, eine Bildung der allerhöchsten Art, aber keine fertige poetische<lb/> Leistung! Von Tieck, der doch der eigentliche Dichter unter ihnen ist, wird<lb/> heute keiner mehr ein Drama oder ein Bündel Novellen zu seinem Vergnügen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0570]
und zeigt nichts davon. Es macht uns wirklich kein Vergnügen, die Auswahl
noch weiter zu bekritteln; wir wollten nur andeuten, warum sie uns nicht be¬
friedigt hat: sie giebt zu vielerlei und keine Vorstellung von dem Umfang der
ältern Romantik, auf die es doch vor allem ankommt. Und nun noch eins.
Anstatt einer durchgearbeiteten litteratnrgeschichtlichen Einleitung erhalten wir
zwei getrennte Essays der beiden Herausgeber, persönlich empfunden und sehr
lebendig geschriebett. Das mag modern sein, aber wissenschaftlich ist es nicht,
und für den, der Belehrung sucht, sehr unbequem; er will etwas abgeschlossenes,
anleitendes, worauf er fußen kann, und bekommt statt dessen den Eindruck, als
wäre» seine Lehrer mit ihren Formulierungen selbst noch nicht ganz fertig und
mit sich eins geworden. Übrigens ist Karl von Renner, von dem ein Gedicht
mitgeteilt wird, der Erlanger Miuerciloge, der auch eine bekannte Geschichte
der Pädagogik geschrieben und einiges ans Augustin übersetzt hat. Dagegen
ist der Geschichtschreiber der Hohenstnnfen, über den sich Heine lustig machte
(„das Raumercheu"), sein Bruder Friedrich, der in Berlin lebte. Wir würden
das kleine Quiproquo mit Stillschweigen zugedeckt haben, wenn sich nicht der
eine Herausgeber selbst über diesen so unbarmherzig lustig gemacht hätte.
Die Romantiker sind unsrer Teilnahme wert, sagten wir, und darum ist
es gut, daß man ihre Jubiläen feiert und sie selbst uns wieder nahe zu bringen
sucht. Zwar die litteratnrgeschichtlichen Vorlesungen und Aufsätze der Brüder
Schlegel sind niemals ganz vergessen worden und stehn noch heute bei de»
Kundigen in großen Ehren, und auch ihre geistvollen Knnstbetrachtungen hat
man in neuerer Zeit wieder gebührend beachtet, die Gespräche über die Ge¬
mälde der Dresdner Galerie im zweiten Bande des „Athenäums" (1799,
hauptsächlich von August Wilhelm und Karoline Michaelis verfaßt) und die
Pariser Kunstkritiken Friedrichs in der „Europa," 1803. Aber das sind
Leistungen der Kritik. Mit den eignen Schöpfungen der romantischen Dichter
verhält es sich anders. Man warf ihnen von jeher vor, und sie selbst, die
sich mit Unterstützung ihrer geistreichen Frauen und Freundinnen gegenseitig
reichlich beleuchteten und charakterisierten, haben es einander bescheinigt, daß
sie keine wirklichen Dichter seien, weil sie nichts „machten," da doch der Poet
ein Macher ist und sein soll. Sie hatten alle eine Abneigung gegen das
berufsmäßig geregelte Arbeiten und wanderten, sie hatten Empfindung für
alles und griffen vieles an, trugen sich mit Plänen und ließen Programme
über alles mögliche in die Zukunft hinaufleuchten. Der einzige, der Arbeits¬
lust hatte und die Überzeugung von dem Werte des praktischen Amts für die
geistige Vervollkommnung eines Menschen in sich trug, Novalis, starb früh und
ist Fragmentist geblieben. Friedrich Schlegel, nächst ihm der gedankenreichste,
wurde zuletzt faul und genußsüchtig, und das beste von ihm steckt ebenfalls in
Fragmenten und Aphorismen. Vielerlei Kenntnisse also und feinste künstlerische
Empfindung, eine Bildung der allerhöchsten Art, aber keine fertige poetische
Leistung! Von Tieck, der doch der eigentliche Dichter unter ihnen ist, wird
heute keiner mehr ein Drama oder ein Bündel Novellen zu seinem Vergnügen
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