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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Alte und neue Romantik

darüber haben die Berufnen zu entscheiden. Solche Forderungen werden ans
zuständiger Seite erhoben, und sie werden durchgesetzt werden müssen. Die
Möglichkeit des Vvrwärtskommens erzeugt überall in den Wissenschaft-
licher Berufe" auch wissenschaftliches Streben; nirgends wird der Durst
danach größer sein als in den Lehrerkreisen selbst; der ganze Stand wird wieder
auf eine andre Stufe gehoben werden, nach außen und nach innen, wenn ihm
freierer Weg gegeben wird. Übrigens sollten sich wohl auch noch andre Wege
für ein Weiterstrebeu offnen lassen als gerade auf dem engsten Fachgebiet.
Man spottet ja längst darüber, daß die Juristen die Mädchen für alles sind
auf den praktischen Gebieten, für die sie auf der Universität doch nicht das
mindeste lernen; sie versteh" alles und machen alles und greisen jede Arbeit an.
Zu manchem, was jetzt Domäne der Juristen ist, wird sich auch die allgemeine
Bildung der Philologen eigne".

Den Männern, die jetzt ihre Kraft an die Befreiung und die Hebung des
Gymnasiums setzen, wird es hoffentlich gelinge", daß alles in gute Wege ge¬
leitet wird. Aber sie habe" große Hindernisse z" überwinde"; im Innern in
dem Schlendrian, der sich nicht stören lassen mag und mit allen Kräften gegeu-
stemmen wird ^ da wird erst manches absterben müssen, was jetzt noch den
Bakel schwingt; nach außen in den materiellen Schwierigkeiten und in der
Zaghaftigkeit der Regimente, mit Forderungen an die Steuerzahler heranzu¬
treten. Die Klassen, deuen die höhern Schulen zunächst fruchten, können auch
die Mittel aufbringen. Mit Leichtigkeit.

Pflicht ist es für jeden, der ein Herz für die Jugend und für die Zu¬
kunft unsers Volks hat, beizuspringen und mit allen Kräften zu helfen, wenn
jetzt Hand angelegt wird, das Gymnasium zu heben. Man giebt sich mit so un¬
endlich viel überflüssigem Vereinswesen ab. Hier ist einmal ein vernünftiger Zweck.
Die Väter und die Jugendfreunde, die Vertreter einer humanistischen Lebens¬
anschauung, sie sollten zusammentreten zu Vereinen zur Förderung des Gym¬
nasialwesens.




Alte und neue Romantik

Gedenkfeiern pflegen nicht nur Menschen zu angenehmen Festen
zu versammeln, sie lenken bisweilen auch ihre Gedanken zurück
in die Vergangenheit, und dann entsteh" leichte Festschriften oder
auch gehaltvollere Arbeiten über längst Vergessenes; wenn sichs
laber um das Andenken von Dichtern handelt und dieses mit
einiger Stärke auf das zeitgenössische Dichten reflektiert, so bekommen wir
außerdem noch eine Dichtung, die dem einen dies, dem andern das bedeuten
wird, und die wir auch wohl einmal als Jubilüumslitteratur ansehen dürfe".
Wäre nicht nach 1870 der junge Goethe wieder wissenschaftlich erforscht mitW


Alte und neue Romantik

darüber haben die Berufnen zu entscheiden. Solche Forderungen werden ans
zuständiger Seite erhoben, und sie werden durchgesetzt werden müssen. Die
Möglichkeit des Vvrwärtskommens erzeugt überall in den Wissenschaft-
licher Berufe» auch wissenschaftliches Streben; nirgends wird der Durst
danach größer sein als in den Lehrerkreisen selbst; der ganze Stand wird wieder
auf eine andre Stufe gehoben werden, nach außen und nach innen, wenn ihm
freierer Weg gegeben wird. Übrigens sollten sich wohl auch noch andre Wege
für ein Weiterstrebeu offnen lassen als gerade auf dem engsten Fachgebiet.
Man spottet ja längst darüber, daß die Juristen die Mädchen für alles sind
auf den praktischen Gebieten, für die sie auf der Universität doch nicht das
mindeste lernen; sie versteh» alles und machen alles und greisen jede Arbeit an.
Zu manchem, was jetzt Domäne der Juristen ist, wird sich auch die allgemeine
Bildung der Philologen eigne».

Den Männern, die jetzt ihre Kraft an die Befreiung und die Hebung des
Gymnasiums setzen, wird es hoffentlich gelinge», daß alles in gute Wege ge¬
leitet wird. Aber sie habe» große Hindernisse z» überwinde»; im Innern in
dem Schlendrian, der sich nicht stören lassen mag und mit allen Kräften gegeu-
stemmen wird ^ da wird erst manches absterben müssen, was jetzt noch den
Bakel schwingt; nach außen in den materiellen Schwierigkeiten und in der
Zaghaftigkeit der Regimente, mit Forderungen an die Steuerzahler heranzu¬
treten. Die Klassen, deuen die höhern Schulen zunächst fruchten, können auch
die Mittel aufbringen. Mit Leichtigkeit.

Pflicht ist es für jeden, der ein Herz für die Jugend und für die Zu¬
kunft unsers Volks hat, beizuspringen und mit allen Kräften zu helfen, wenn
jetzt Hand angelegt wird, das Gymnasium zu heben. Man giebt sich mit so un¬
endlich viel überflüssigem Vereinswesen ab. Hier ist einmal ein vernünftiger Zweck.
Die Väter und die Jugendfreunde, die Vertreter einer humanistischen Lebens¬
anschauung, sie sollten zusammentreten zu Vereinen zur Förderung des Gym¬
nasialwesens.




Alte und neue Romantik

Gedenkfeiern pflegen nicht nur Menschen zu angenehmen Festen
zu versammeln, sie lenken bisweilen auch ihre Gedanken zurück
in die Vergangenheit, und dann entsteh» leichte Festschriften oder
auch gehaltvollere Arbeiten über längst Vergessenes; wenn sichs
laber um das Andenken von Dichtern handelt und dieses mit
einiger Stärke auf das zeitgenössische Dichten reflektiert, so bekommen wir
außerdem noch eine Dichtung, die dem einen dies, dem andern das bedeuten
wird, und die wir auch wohl einmal als Jubilüumslitteratur ansehen dürfe».
Wäre nicht nach 1870 der junge Goethe wieder wissenschaftlich erforscht mitW


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[0568] Alte und neue Romantik darüber haben die Berufnen zu entscheiden. Solche Forderungen werden ans zuständiger Seite erhoben, und sie werden durchgesetzt werden müssen. Die Möglichkeit des Vvrwärtskommens erzeugt überall in den Wissenschaft- licher Berufe» auch wissenschaftliches Streben; nirgends wird der Durst danach größer sein als in den Lehrerkreisen selbst; der ganze Stand wird wieder auf eine andre Stufe gehoben werden, nach außen und nach innen, wenn ihm freierer Weg gegeben wird. Übrigens sollten sich wohl auch noch andre Wege für ein Weiterstrebeu offnen lassen als gerade auf dem engsten Fachgebiet. Man spottet ja längst darüber, daß die Juristen die Mädchen für alles sind auf den praktischen Gebieten, für die sie auf der Universität doch nicht das mindeste lernen; sie versteh» alles und machen alles und greisen jede Arbeit an. Zu manchem, was jetzt Domäne der Juristen ist, wird sich auch die allgemeine Bildung der Philologen eigne». Den Männern, die jetzt ihre Kraft an die Befreiung und die Hebung des Gymnasiums setzen, wird es hoffentlich gelinge», daß alles in gute Wege ge¬ leitet wird. Aber sie habe» große Hindernisse z» überwinde»; im Innern in dem Schlendrian, der sich nicht stören lassen mag und mit allen Kräften gegeu- stemmen wird ^ da wird erst manches absterben müssen, was jetzt noch den Bakel schwingt; nach außen in den materiellen Schwierigkeiten und in der Zaghaftigkeit der Regimente, mit Forderungen an die Steuerzahler heranzu¬ treten. Die Klassen, deuen die höhern Schulen zunächst fruchten, können auch die Mittel aufbringen. Mit Leichtigkeit. Pflicht ist es für jeden, der ein Herz für die Jugend und für die Zu¬ kunft unsers Volks hat, beizuspringen und mit allen Kräften zu helfen, wenn jetzt Hand angelegt wird, das Gymnasium zu heben. Man giebt sich mit so un¬ endlich viel überflüssigem Vereinswesen ab. Hier ist einmal ein vernünftiger Zweck. Die Väter und die Jugendfreunde, die Vertreter einer humanistischen Lebens¬ anschauung, sie sollten zusammentreten zu Vereinen zur Förderung des Gym¬ nasialwesens. Alte und neue Romantik Gedenkfeiern pflegen nicht nur Menschen zu angenehmen Festen zu versammeln, sie lenken bisweilen auch ihre Gedanken zurück in die Vergangenheit, und dann entsteh» leichte Festschriften oder auch gehaltvollere Arbeiten über längst Vergessenes; wenn sichs laber um das Andenken von Dichtern handelt und dieses mit einiger Stärke auf das zeitgenössische Dichten reflektiert, so bekommen wir außerdem noch eine Dichtung, die dem einen dies, dem andern das bedeuten wird, und die wir auch wohl einmal als Jubilüumslitteratur ansehen dürfe». Wäre nicht nach 1870 der junge Goethe wieder wissenschaftlich erforscht mitW

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/568>, abgerufen am 22.06.2024.