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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Haiengedanken über Humanismus
und humanistische schule

s ist eigentümlich, daß ein Schlag, der die humanistische Sache
getroffen hat und ihr vollends den Garaus zu machen drohte,
dazu dienen ,"us'.. daß der hinsiechende Humanismus wieder neue
Kraft und neuen Mut schöpfen darf, wieder hoffnungsvoll das
Haupt erheben kann. Das darf .nun sich uicht verbergen,
das; er auf dem Wege war, immer elendere Knechtsgestalt anzunehmen,
Je mehr er sich verleiten ließ, sich in den Dienst des .lackten Nützlichkeits¬
prinzips zu stellen, desto mel,r versagte ihm die Kraft, die Leuchte zu sem, die
alles durchstrahle", alles durchwärmen sollte. Sei" Licht wurde klein. Die
sogenannten reale" Machte, d, h, die auf materiellen Erwerb und materielle
Genüsse gerichtete Arbeit, wuchsen zu solchem Umfange heran und drängten
sich dergestalt in den Vordergrund, daß sie es wagen durften, z" verlangen,
daß alles Ideale als alter Plunder beiseite geworfen würde. Wer nicht direkt
auf Macht und Besitz. Ausnutzung der Naturkräfte zu diese" Zwecken. Steige¬
rung des materiellen Wohlbefindens des Einzelnen und der Nation, auf dre
Bewältigung der nächsten Zwecke des Staats zur Regelung des immer
mächtiger anwachsenden Wirtschaftslebens und der sozialem Erscheinungen. die
es im Gefolge hatte, wer nicht direkt auf diese außen Dinge hinarbeitete, der
wurde über die Schulter angesehen und belächelt. Was wollte er noch ,u
dieser modernen Welt, in der die Kämpfe um reale Dinge die Anspnmi.eng
aller Kräfte verlangten? Freilich sind die Ergebnisse und Errungenschaften der
realen Arbeit. Forschung und Unternehmung von ungeheuerm Nutzen und
Wert für das' Leben des Volks und die Entwicklung der Nation, kein Mensch
wird es in Abrede stellen. und sicher befähigt die Beschäftigung mit Homer
""si zur Lösung der Frage, ob Kanalisation oder Abfuhr. Aber dennoch,
woher hat das deutsche Volk die Kraft genommen zu dem materiellen Auf¬
schwung, dessen es sich freut, und zu dem Siege,, auf den, Schlachtfeld und
auf dem Gebiet der Industrie und der Technik, die es über andre errungen
hat und erringt? Dem berühmten Volksschulmeister soll sein Anteil nicht ge¬
schmälert werden, aber er hätte das uicht wirklich geleistet, was er geleistet
hat, wenn er nicht der äußerste Strahlenkranz einer mächtigen Glut und
Leben spendenden Sonne gewesen wäre, der humanistische,,, an idealer Lebens¬
anschauung gesättigten Wissenschaft, die ihre Pflegstätteu in den Universitäten
und Gymnasien hatte. Ihr verdanken wir alles.




Haiengedanken über Humanismus
und humanistische schule

s ist eigentümlich, daß ein Schlag, der die humanistische Sache
getroffen hat und ihr vollends den Garaus zu machen drohte,
dazu dienen ,»us'.. daß der hinsiechende Humanismus wieder neue
Kraft und neuen Mut schöpfen darf, wieder hoffnungsvoll das
Haupt erheben kann. Das darf .nun sich uicht verbergen,
das; er auf dem Wege war, immer elendere Knechtsgestalt anzunehmen,
Je mehr er sich verleiten ließ, sich in den Dienst des .lackten Nützlichkeits¬
prinzips zu stellen, desto mel,r versagte ihm die Kraft, die Leuchte zu sem, die
alles durchstrahle», alles durchwärmen sollte. Sei» Licht wurde klein. Die
sogenannten reale» Machte, d, h, die auf materiellen Erwerb und materielle
Genüsse gerichtete Arbeit, wuchsen zu solchem Umfange heran und drängten
sich dergestalt in den Vordergrund, daß sie es wagen durften, z» verlangen,
daß alles Ideale als alter Plunder beiseite geworfen würde. Wer nicht direkt
auf Macht und Besitz. Ausnutzung der Naturkräfte zu diese» Zwecken. Steige¬
rung des materiellen Wohlbefindens des Einzelnen und der Nation, auf dre
Bewältigung der nächsten Zwecke des Staats zur Regelung des immer
mächtiger anwachsenden Wirtschaftslebens und der sozialem Erscheinungen. die
es im Gefolge hatte, wer nicht direkt auf diese außen Dinge hinarbeitete, der
wurde über die Schulter angesehen und belächelt. Was wollte er noch ,u
dieser modernen Welt, in der die Kämpfe um reale Dinge die Anspnmi.eng
aller Kräfte verlangten? Freilich sind die Ergebnisse und Errungenschaften der
realen Arbeit. Forschung und Unternehmung von ungeheuerm Nutzen und
Wert für das' Leben des Volks und die Entwicklung der Nation, kein Mensch
wird es in Abrede stellen. und sicher befähigt die Beschäftigung mit Homer
""si zur Lösung der Frage, ob Kanalisation oder Abfuhr. Aber dennoch,
woher hat das deutsche Volk die Kraft genommen zu dem materiellen Auf¬
schwung, dessen es sich freut, und zu dem Siege,, auf den, Schlachtfeld und
auf dem Gebiet der Industrie und der Technik, die es über andre errungen
hat und erringt? Dem berühmten Volksschulmeister soll sein Anteil nicht ge¬
schmälert werden, aber er hätte das uicht wirklich geleistet, was er geleistet
hat, wenn er nicht der äußerste Strahlenkranz einer mächtigen Glut und
Leben spendenden Sonne gewesen wäre, der humanistische,,, an idealer Lebens¬
anschauung gesättigten Wissenschaft, die ihre Pflegstätteu in den Universitäten
und Gymnasien hatte. Ihr verdanken wir alles.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/557>, abgerufen am 22.06.2024.