Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.Über das Elend des ganzen Reichs verbreitet sich Libanius in der Rede gegen und A"^co' er noch besonders darüber geklagt hat, daß seine Kunst, die Rhetorik, Über das Elend des ganzen Reichs verbreitet sich Libanius in der Rede gegen und A"^co' er noch besonders darüber geklagt hat, daß seine Kunst, die Rhetorik, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0485" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/234365"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1591"> Über das Elend des ganzen Reichs verbreitet sich Libanius in der Rede gegen<lb/> die Leute, die ihn lästig (//a^on,', die beste Übersetzung wäre: einen Zwiderwurzn)<lb/> schelten. Er sei, sagt er, von Natur heiter, aber bei dem allgemeinen Elend nicht<lb/> klagen, das würde keine edle Gesinnung verraten. Lästig falle er nur denen, die<lb/> nus dem Unglück der Gesamtheit Vorteil zögen; zunächst den Christen (denn die<lb/> Verödung und Zerstörung der Tempel, die Kvufiskatimi und Verschleuderung des<lb/> Tempelvermögens rechnet er zu den schlimmsten Landplagen). Dann denen, die<lb/> sich auf Kosten der Mehrheit der Bürger bereicherten. Er beklagt die Aussaugung<lb/> des Bauernstands dnrch Steuereintreiber und durch Zwang zu Naturalleistungen.<lb/> Früher habe jeder Landmann einen Kasten, Gewand und Geld darin gehabt und<lb/> seine Tochter ausstatten können. Jetzt seien die Äcker dnrch die Steuereiutreibuug<lb/> verödet, und wo etwa die Bauern noch nicht fortgelaufen seien, da brauchten sie<lb/> ihre Thüren nicht zu verschließen, denn bei ihnen suche kein Räuber etwas. Dazu<lb/> komme das größere Übel, daß sich die Höhlen mit der Art von Menschen füllten,<lb/> die das Gewnnd zu Weisen mache (er meint die Mönche und die Einsiedler). Und<lb/> wie feix>, die Stadträte heruntergekommen! Ehedem habe die Ratsversnmmlung<lb/> einer größern Stüdl aus sechshundert Mitgliedern bestanden, heute bestehe sie durch-<lb/> Ichnittlich nur noch aus sechzig, an manchen Orten aus sechs. Es komme vor, daß<lb/> w ein armer Dekurio nicht allein das Holz ins öffentliche Bad liefern, sondern in<lb/> eigner Person die Badenden bedienen müsse, die bald „heißes!" bald „kaltes<lb/> Hasser!" kommandierten. In Antiochia seien sie ja noch nicht so tief gesunken,<lb/> "ber sie verarmten doch immer mehr. Ihre Landgüter würden sie gern verkaufe»,<lb/> wenn sich nur Käufer fänden. Hergelaufnes Volk kaufe die Grundstücke um ein<lb/> ^>pvttgeld zusammen und werde reich. Ein Naemann werde nicht geachtet, nie¬<lb/> mand möge seine Tochter, und niemand gebe ihm seine Tochter zur Ehe, sodaß zu<lb/> cfnrchten sei, die Ratshcrrngeschlechter möchten aussterben. In nicht minder großem<lb/> end schmachteten die Soldaten, die hungern und frieren müßten und dank der<lb/> 'Ausgezeichneten Nechtschnffenheit der Offiziere keinen Obolus bekämen. Denn diese<lb/> zerren behielten alles Geld für sich und ließen auch die Pferde hungern; der<lb/> Hunger der Pferde und der Menschen werde ihnen zu Gold. Ein herrliches Leben<lb/> i sie, äßen, berauschten sich und nähmen Brechmittel, um sich dann sofort<lb/> s,"!/-"^ vollzustopfen; dagegen sich mit Dieustübnngen abzurackern, das komme ihnen<lb/> ins M ^^rwärtig vor. Kämen die zu Schatten abgemagerten Soldaten einmal<lb/> r ^ehe, ^' liefen sie entweder davon oder ließen sich gefangen nehmen. Das<lb/> ^aychieren falle ihnen schwer, weil sie keine Schuhe hätten. Dafür hätten sie<lb/> ^ K'inter, was sie vollends elend mache, denn wie solle die für den einen<lb/> ^./^ unzulängliche Ration hinreichen, wenn der Soldat mit einem halben Dutzend<lb/> si,""! ^ zu teilen habe. Weder verbiete man den Soldaten das Heiraten, noch<lb/> nicw? "'"u für ihre Angehörigen; in früherer Zeit habe man von Svldntenweibern<lb/> wo^'. '^^ußt. Zu Herrschern seien in den bessern Zeiten die tauglichsten erwählt<lb/> Willkür' ^""^ ^ Ämter; nicht mehr das Gesetz herrsche, sondern die</p><lb/> <p xml:id="ID_1592" next="#ID_1593"> und A"^co' er noch besonders darüber geklagt hat, daß seine Kunst, die Rhetorik,<lb/> Latein l ^"^si'sei^ Sprache mehr und mehr der Mißachtung verfielen, daß man<lb/> dienen w'rs" "'^ studieren müsse, wenn man etwas werden und Geld ver¬<lb/> ändern °r s' ^' Mann beklagt nicht bloß sein eignes.<lb/> Tragödie 11 ^ Unglück andrer. Man weint ja sogar beim Anschauen einer<lb/> nicht bei de n ^ehr uns Niobe, Lajus, Ödipus, Hekuba an? Weinen wir<lb/> daß ein ^»^ Leichenbegängnis von Verwandten? Wenn wir aber darüber klagen,<lb/> dn nicht we^ vielleicht noch dazu im richtigen Alter, gestorben ist, sollen wir<lb/> - mehr darüber klagen, daß Lebende in Qualen seufzen, die weit bittrer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0485]
Über das Elend des ganzen Reichs verbreitet sich Libanius in der Rede gegen
die Leute, die ihn lästig (//a^on,', die beste Übersetzung wäre: einen Zwiderwurzn)
schelten. Er sei, sagt er, von Natur heiter, aber bei dem allgemeinen Elend nicht
klagen, das würde keine edle Gesinnung verraten. Lästig falle er nur denen, die
nus dem Unglück der Gesamtheit Vorteil zögen; zunächst den Christen (denn die
Verödung und Zerstörung der Tempel, die Kvufiskatimi und Verschleuderung des
Tempelvermögens rechnet er zu den schlimmsten Landplagen). Dann denen, die
sich auf Kosten der Mehrheit der Bürger bereicherten. Er beklagt die Aussaugung
des Bauernstands dnrch Steuereintreiber und durch Zwang zu Naturalleistungen.
Früher habe jeder Landmann einen Kasten, Gewand und Geld darin gehabt und
seine Tochter ausstatten können. Jetzt seien die Äcker dnrch die Steuereiutreibuug
verödet, und wo etwa die Bauern noch nicht fortgelaufen seien, da brauchten sie
ihre Thüren nicht zu verschließen, denn bei ihnen suche kein Räuber etwas. Dazu
komme das größere Übel, daß sich die Höhlen mit der Art von Menschen füllten,
die das Gewnnd zu Weisen mache (er meint die Mönche und die Einsiedler). Und
wie feix>, die Stadträte heruntergekommen! Ehedem habe die Ratsversnmmlung
einer größern Stüdl aus sechshundert Mitgliedern bestanden, heute bestehe sie durch-
Ichnittlich nur noch aus sechzig, an manchen Orten aus sechs. Es komme vor, daß
w ein armer Dekurio nicht allein das Holz ins öffentliche Bad liefern, sondern in
eigner Person die Badenden bedienen müsse, die bald „heißes!" bald „kaltes
Hasser!" kommandierten. In Antiochia seien sie ja noch nicht so tief gesunken,
"ber sie verarmten doch immer mehr. Ihre Landgüter würden sie gern verkaufe»,
wenn sich nur Käufer fänden. Hergelaufnes Volk kaufe die Grundstücke um ein
^>pvttgeld zusammen und werde reich. Ein Naemann werde nicht geachtet, nie¬
mand möge seine Tochter, und niemand gebe ihm seine Tochter zur Ehe, sodaß zu
cfnrchten sei, die Ratshcrrngeschlechter möchten aussterben. In nicht minder großem
end schmachteten die Soldaten, die hungern und frieren müßten und dank der
'Ausgezeichneten Nechtschnffenheit der Offiziere keinen Obolus bekämen. Denn diese
zerren behielten alles Geld für sich und ließen auch die Pferde hungern; der
Hunger der Pferde und der Menschen werde ihnen zu Gold. Ein herrliches Leben
i sie, äßen, berauschten sich und nähmen Brechmittel, um sich dann sofort
s,"!/-"^ vollzustopfen; dagegen sich mit Dieustübnngen abzurackern, das komme ihnen
ins M ^^rwärtig vor. Kämen die zu Schatten abgemagerten Soldaten einmal
r ^ehe, ^' liefen sie entweder davon oder ließen sich gefangen nehmen. Das
^aychieren falle ihnen schwer, weil sie keine Schuhe hätten. Dafür hätten sie
^ K'inter, was sie vollends elend mache, denn wie solle die für den einen
^./^ unzulängliche Ration hinreichen, wenn der Soldat mit einem halben Dutzend
si,""! ^ zu teilen habe. Weder verbiete man den Soldaten das Heiraten, noch
nicw? "'"u für ihre Angehörigen; in früherer Zeit habe man von Svldntenweibern
wo^'. '^^ußt. Zu Herrschern seien in den bessern Zeiten die tauglichsten erwählt
Willkür' ^""^ ^ Ämter; nicht mehr das Gesetz herrsche, sondern die
und A"^co' er noch besonders darüber geklagt hat, daß seine Kunst, die Rhetorik,
Latein l ^"^si'sei^ Sprache mehr und mehr der Mißachtung verfielen, daß man
dienen w'rs" "'^ studieren müsse, wenn man etwas werden und Geld ver¬
ändern °r s' ^' Mann beklagt nicht bloß sein eignes.
Tragödie 11 ^ Unglück andrer. Man weint ja sogar beim Anschauen einer
nicht bei de n ^ehr uns Niobe, Lajus, Ödipus, Hekuba an? Weinen wir
daß ein ^»^ Leichenbegängnis von Verwandten? Wenn wir aber darüber klagen,
dn nicht we^ vielleicht noch dazu im richtigen Alter, gestorben ist, sollen wir
- mehr darüber klagen, daß Lebende in Qualen seufzen, die weit bittrer
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