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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Ädipus

Monismus im Sinne einer naturalistischen All-Eittheitslehre, besonders in
Poetischen Zitaten. In dieser unklaren Vermischung dreier verschiedner Be¬
griffe, von denen der dritte dem Haeckelschen Standpunkt geradezu widerspricht,
hat der Ausdruck "Monismus" in die populäre Litteratur der letzten Jahr¬
zehnte Eingang gefunden, sehr zum Nachteil einer scharfen philosophischen
Terminologie."

Ein in sich selbst so widerspruchsvolles philosophisches System kaun bei
seinem einseitig naturwissenschaftlichen Standpunkte, der alles Seelische und
Geistige im Welt- und Lebensprozesse grundsätzlich vernachlässigt, nicht als eine
befriedigende Weltanschauung der Zukunft augesehen werden. Wollen wir also
den aus der Philosophie, den Naturwissenschaften und dem Gestaltungsver¬
mögen der Dichtkunst gebornen, tiefgründigsten, nntnrwahrsten und gegenständ¬
lichsten Gedanken der Welterkenntnis erfassen, so müssen Nur uns auf der
Grundlage eiuer fortschreitenden Naturforschung Kautische Spekulationskraft
mit Goethischen anschaulichen Wcltempfinden verbunden denken. Dann findet
der lichtvolle, natnrbegcisterte Aufschwung des Goethischen Weltschancns in der
Besonnenheit der Kantischen Vernunftkritik seinen Ankergrund und der höchste
deutsche Genius in dem tiefsinnigsten seine ergänzende Vollendung.




Ödipus

meer den Übersetzungen griechischer Tragödien die Mrich von
Wilamowitz-Mölleudorff neuerdings verdeutlicht 1^. sende^ an
auch deu Sophokleischen Odipus. Die Leo e ^ Si
und der vorausgehenden Eiuleitrmg rü en alt P hinne d
Frage,: wieder wach, die unendlich ost behandelt und doch und
"mener nicht einen lig gelöst worden sind. Es sind die Fragen .und w ^Aschen Schuld des Ödipus, nach dem Verhältnis, das Mschen s^in H^en
"ut seinem Leide.: besteht, nach dem Walten der Gottheit oder der Schutsal^'Nächte, nach der Lehre, die der Leser oder der Zuschauer etwa aus dem Laufe
der vorgeführten andlunenentnemen kann.

g
Hat Odipns überhaupt eine Schuld? Immer noch wird d"se Fug ^schieden beantwortet, immer wieder hört oder liest man. seine Schuld n a
sonnenklar: in blindem Jähzorn habe er deu Laios erschlagen, und spater,
als ihm der Auftrag geworden sei. nach dem unbekannten Thaler zu forsche,
habe er uicht nur ein unbegründetes Mißtrauen gegen Trresms "No "
gezeigt, sondern auch, von maßloser Leidenschaft erregt, beide und den starke
Schmähungen überhäuft und Kreon mit dem Tode bedroht, za "
messenem Selbstgefühl mehrfach Zweifel an der Allwissenheit der Gotthnt an-
gesprochen. Von dein erste" Vorwurf wird man ihn entlasten r


Ädipus

Monismus im Sinne einer naturalistischen All-Eittheitslehre, besonders in
Poetischen Zitaten. In dieser unklaren Vermischung dreier verschiedner Be¬
griffe, von denen der dritte dem Haeckelschen Standpunkt geradezu widerspricht,
hat der Ausdruck »Monismus« in die populäre Litteratur der letzten Jahr¬
zehnte Eingang gefunden, sehr zum Nachteil einer scharfen philosophischen
Terminologie."

Ein in sich selbst so widerspruchsvolles philosophisches System kaun bei
seinem einseitig naturwissenschaftlichen Standpunkte, der alles Seelische und
Geistige im Welt- und Lebensprozesse grundsätzlich vernachlässigt, nicht als eine
befriedigende Weltanschauung der Zukunft augesehen werden. Wollen wir also
den aus der Philosophie, den Naturwissenschaften und dem Gestaltungsver¬
mögen der Dichtkunst gebornen, tiefgründigsten, nntnrwahrsten und gegenständ¬
lichsten Gedanken der Welterkenntnis erfassen, so müssen Nur uns auf der
Grundlage eiuer fortschreitenden Naturforschung Kautische Spekulationskraft
mit Goethischen anschaulichen Wcltempfinden verbunden denken. Dann findet
der lichtvolle, natnrbegcisterte Aufschwung des Goethischen Weltschancns in der
Besonnenheit der Kantischen Vernunftkritik seinen Ankergrund und der höchste
deutsche Genius in dem tiefsinnigsten seine ergänzende Vollendung.




Ödipus

meer den Übersetzungen griechischer Tragödien die Mrich von
Wilamowitz-Mölleudorff neuerdings verdeutlicht 1^. sende^ an
auch deu Sophokleischen Odipus. Die Leo e ^ Si
und der vorausgehenden Eiuleitrmg rü en alt P hinne d
Frage,: wieder wach, die unendlich ost behandelt und doch und
"mener nicht einen lig gelöst worden sind. Es sind die Fragen .und w ^Aschen Schuld des Ödipus, nach dem Verhältnis, das Mschen s^in H^en
"ut seinem Leide.: besteht, nach dem Walten der Gottheit oder der Schutsal^'Nächte, nach der Lehre, die der Leser oder der Zuschauer etwa aus dem Laufe
der vorgeführten andlunenentnemen kann.

g
Hat Odipns überhaupt eine Schuld? Immer noch wird d"se Fug ^schieden beantwortet, immer wieder hört oder liest man. seine Schuld n a
sonnenklar: in blindem Jähzorn habe er deu Laios erschlagen, und spater,
als ihm der Auftrag geworden sei. nach dem unbekannten Thaler zu forsche,
habe er uicht nur ein unbegründetes Mißtrauen gegen Trresms "No "
gezeigt, sondern auch, von maßloser Leidenschaft erregt, beide und den starke
Schmähungen überhäuft und Kreon mit dem Tode bedroht, za "
messenem Selbstgefühl mehrfach Zweifel an der Allwissenheit der Gotthnt an-
gesprochen. Von dein erste» Vorwurf wird man ihn entlasten r


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[0475] Ädipus Monismus im Sinne einer naturalistischen All-Eittheitslehre, besonders in Poetischen Zitaten. In dieser unklaren Vermischung dreier verschiedner Be¬ griffe, von denen der dritte dem Haeckelschen Standpunkt geradezu widerspricht, hat der Ausdruck »Monismus« in die populäre Litteratur der letzten Jahr¬ zehnte Eingang gefunden, sehr zum Nachteil einer scharfen philosophischen Terminologie." Ein in sich selbst so widerspruchsvolles philosophisches System kaun bei seinem einseitig naturwissenschaftlichen Standpunkte, der alles Seelische und Geistige im Welt- und Lebensprozesse grundsätzlich vernachlässigt, nicht als eine befriedigende Weltanschauung der Zukunft augesehen werden. Wollen wir also den aus der Philosophie, den Naturwissenschaften und dem Gestaltungsver¬ mögen der Dichtkunst gebornen, tiefgründigsten, nntnrwahrsten und gegenständ¬ lichsten Gedanken der Welterkenntnis erfassen, so müssen Nur uns auf der Grundlage eiuer fortschreitenden Naturforschung Kautische Spekulationskraft mit Goethischen anschaulichen Wcltempfinden verbunden denken. Dann findet der lichtvolle, natnrbegcisterte Aufschwung des Goethischen Weltschancns in der Besonnenheit der Kantischen Vernunftkritik seinen Ankergrund und der höchste deutsche Genius in dem tiefsinnigsten seine ergänzende Vollendung. Ödipus meer den Übersetzungen griechischer Tragödien die Mrich von Wilamowitz-Mölleudorff neuerdings verdeutlicht 1^. sende^ an auch deu Sophokleischen Odipus. Die Leo e ^ Si und der vorausgehenden Eiuleitrmg rü en alt P hinne d Frage,: wieder wach, die unendlich ost behandelt und doch und "mener nicht einen lig gelöst worden sind. Es sind die Fragen .und w ^Aschen Schuld des Ödipus, nach dem Verhältnis, das Mschen s^in H^en "ut seinem Leide.: besteht, nach dem Walten der Gottheit oder der Schutsal^'Nächte, nach der Lehre, die der Leser oder der Zuschauer etwa aus dem Laufe der vorgeführten andlunenentnemen kann. g Hat Odipns überhaupt eine Schuld? Immer noch wird d"se Fug ^schieden beantwortet, immer wieder hört oder liest man. seine Schuld n a sonnenklar: in blindem Jähzorn habe er deu Laios erschlagen, und spater, als ihm der Auftrag geworden sei. nach dem unbekannten Thaler zu forsche, habe er uicht nur ein unbegründetes Mißtrauen gegen Trresms "No " gezeigt, sondern auch, von maßloser Leidenschaft erregt, beide und den starke Schmähungen überhäuft und Kreon mit dem Tode bedroht, za " messenem Selbstgefühl mehrfach Zweifel an der Allwissenheit der Gotthnt an- gesprochen. Von dein erste» Vorwurf wird man ihn entlasten r

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/475>, abgerufen am 21.06.2024.