Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.Rand, Goethe uno der Monismus etwas festzusetzen, eine Grille, die ihm durchs Gehirn läuft, den Gegen¬ Und ganz im Sinne Kants, der die unübersteiglichen Schranken der Von Kantischen Geiste erfüllt ist die Stelle des "Faust": Nach drüben ist die Aussicht uns verrannt -- Nach allen diesen Proben wäre es kaum noch nötig, den direkten Einfluß Rand, Goethe uno der Monismus etwas festzusetzen, eine Grille, die ihm durchs Gehirn läuft, den Gegen¬ Und ganz im Sinne Kants, der die unübersteiglichen Schranken der Von Kantischen Geiste erfüllt ist die Stelle des „Faust": Nach drüben ist die Aussicht uns verrannt — Nach allen diesen Proben wäre es kaum noch nötig, den direkten Einfluß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0471" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/234351"/> <fw type="header" place="top"> Rand, Goethe uno der Monismus</fw><lb/> <p xml:id="ID_1549" prev="#ID_1548"> etwas festzusetzen, eine Grille, die ihm durchs Gehirn läuft, den Gegen¬<lb/> ständen aufzuheften trachtet. Deswegen beschränkt unser Meister seinen<lb/> Denkenden auf eine reflektierende diskursive Urteilskraft, untersagt ihm eine<lb/> bestimmende ganz und gar. . . , Nun aber kam die »Kritik der Urteilskraft«<lb/> mir zu Händen, und dieser bin ich eine höchst frohe Lebenscpoche schuldig.<lb/> Hier sah ich meine disparatestcu Beschäftigungen nebeneinander gestellt, Kunst<lb/> und Naturerz euguisse, eins behandelt wie das andre. Wenn auch meiner Vor¬<lb/> stellungsart nicht eben immer dein Verfasser sich zu fügen möglich werden<lb/> konnte, so waren doch die großen Hauptgedanken des Werkes meinem bis¬<lb/> herige:, Schaffen, Thun und Denken ganz analog; das innere Leben der<lb/> Kunst, sowie der Natur, ihr beiderseitiges Wirken von innen heraus war im<lb/> Buch deutlich ausgesprochen. — Leidenschaftlich angeregt ging ich auf meinen<lb/> Wegen desto rascher fort, weil ich selbst nicht wußte, wohin sie führten, und<lb/> für das, was und wie ich mirs zugeeignet hatte, bei den Kantianern wenig<lb/> Anklang fand. Denn ich sprach nur aus, was in mir aufgeregt war, nicht<lb/> aber, was ich gelesen hatte. — Auch in die »Kritik der reinen Vernunft« schien<lb/> »ur tiefer einzudringen zu gelingen, denn beide Werke, aus einem Geiste ent¬<lb/> sprungen, deuten immer eins aufs andre."</p><lb/> <p xml:id="ID_1550"> Und ganz im Sinne Kants, der die unübersteiglichen Schranken der<lb/> Vernunft nur aufgedeckt hatte, um den menschlichen Geist aufzufordern, auf<lb/> d"n fruchtbaren Boden der Wirklichkeit — dem Jnsellcmde der Wahrheit in-<lb/> untten des Ozeans des trügerischen Scheins — der Natur durch Beobachtung<lb/> und Zergliederung beizukommen, ruft Goethe aus: „Muß ich mich denn nicht<lb/> >"bst zngelx>„ und voraussetzen, ohne jemals zu wissen, wie es eigentlich mit<lb/> um beschaffen sei? studiere ich mich nicht immerfort, ohne jemals mich zu<lb/> "-'M'essen, much und andre? Und doch kommt nun? fröhlich immer weiterund<lb/> weiter, — So auch mit der Welt! Liege sie anfang- und endlos vor uns,<lb/> ""begrenzt sei die Ferne, undurchdringlich die Nähe; es sei so: aber wie weit<lb/> und wie tief der Menschengeist in seine und ihre Geheimnisse zu dringen ver^<lb/> ""'chic, werde nie bestimmt noch abgeschlossen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1551"> Von Kantischen Geiste erfüllt ist die Stelle des „Faust":</p><lb/> <quote> Nach drüben ist die Aussicht uns verrannt —<lb/> Thor, wer dorthin die Augen blinzend richtet,<lb/> Sich über Wolken seinesgleichen dichtet!<lb/> Er stehe fest und sehe hier sich um!<lb/> Dem Wichtigen ist diese Welt nicht stumm.</quote><lb/> <p xml:id="ID_1552" next="#ID_1553"> Nach allen diesen Proben wäre es kaum noch nötig, den direkten Einfluß<lb/> ^ «Ms und die Einwirkung seiner Lehre ans die Denkweise Goethes nachzu-<lb/> veyeu, wenn er es nicht selbst in unzweideutiger Weise ansspräche: „Daß<lb/> Winckelmann und Kant älter waren uns ich, sagt er am 12. Mai<lb/> ^ zu Eckermann, und die beiden erstern auf meine Jugend, der letztere<lb/> auf mein Alter wirkte, war für mich vou großer Bedeutung." Am 11. April<lb/> 1827 äußert er: „Schiller pflegte mir immer das Studium der Kantischen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0471]
Rand, Goethe uno der Monismus
etwas festzusetzen, eine Grille, die ihm durchs Gehirn läuft, den Gegen¬
ständen aufzuheften trachtet. Deswegen beschränkt unser Meister seinen
Denkenden auf eine reflektierende diskursive Urteilskraft, untersagt ihm eine
bestimmende ganz und gar. . . , Nun aber kam die »Kritik der Urteilskraft«
mir zu Händen, und dieser bin ich eine höchst frohe Lebenscpoche schuldig.
Hier sah ich meine disparatestcu Beschäftigungen nebeneinander gestellt, Kunst
und Naturerz euguisse, eins behandelt wie das andre. Wenn auch meiner Vor¬
stellungsart nicht eben immer dein Verfasser sich zu fügen möglich werden
konnte, so waren doch die großen Hauptgedanken des Werkes meinem bis¬
herige:, Schaffen, Thun und Denken ganz analog; das innere Leben der
Kunst, sowie der Natur, ihr beiderseitiges Wirken von innen heraus war im
Buch deutlich ausgesprochen. — Leidenschaftlich angeregt ging ich auf meinen
Wegen desto rascher fort, weil ich selbst nicht wußte, wohin sie führten, und
für das, was und wie ich mirs zugeeignet hatte, bei den Kantianern wenig
Anklang fand. Denn ich sprach nur aus, was in mir aufgeregt war, nicht
aber, was ich gelesen hatte. — Auch in die »Kritik der reinen Vernunft« schien
»ur tiefer einzudringen zu gelingen, denn beide Werke, aus einem Geiste ent¬
sprungen, deuten immer eins aufs andre."
Und ganz im Sinne Kants, der die unübersteiglichen Schranken der
Vernunft nur aufgedeckt hatte, um den menschlichen Geist aufzufordern, auf
d"n fruchtbaren Boden der Wirklichkeit — dem Jnsellcmde der Wahrheit in-
untten des Ozeans des trügerischen Scheins — der Natur durch Beobachtung
und Zergliederung beizukommen, ruft Goethe aus: „Muß ich mich denn nicht
>"bst zngelx>„ und voraussetzen, ohne jemals zu wissen, wie es eigentlich mit
um beschaffen sei? studiere ich mich nicht immerfort, ohne jemals mich zu
"-'M'essen, much und andre? Und doch kommt nun? fröhlich immer weiterund
weiter, — So auch mit der Welt! Liege sie anfang- und endlos vor uns,
""begrenzt sei die Ferne, undurchdringlich die Nähe; es sei so: aber wie weit
und wie tief der Menschengeist in seine und ihre Geheimnisse zu dringen ver^
""'chic, werde nie bestimmt noch abgeschlossen."
Von Kantischen Geiste erfüllt ist die Stelle des „Faust":
Nach drüben ist die Aussicht uns verrannt —
Thor, wer dorthin die Augen blinzend richtet,
Sich über Wolken seinesgleichen dichtet!
Er stehe fest und sehe hier sich um!
Dem Wichtigen ist diese Welt nicht stumm.
Nach allen diesen Proben wäre es kaum noch nötig, den direkten Einfluß
^ «Ms und die Einwirkung seiner Lehre ans die Denkweise Goethes nachzu-
veyeu, wenn er es nicht selbst in unzweideutiger Weise ansspräche: „Daß
Winckelmann und Kant älter waren uns ich, sagt er am 12. Mai
^ zu Eckermann, und die beiden erstern auf meine Jugend, der letztere
auf mein Alter wirkte, war für mich vou großer Bedeutung." Am 11. April
1827 äußert er: „Schiller pflegte mir immer das Studium der Kantischen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |